20.1.2023 – Die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa ortet Verbesserungen in Produktentwicklung und Vertriebsprozess. Dennoch gebe es nach wie vor Fälle schlechten Produktdesigns, ebenso Bedenken zum Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmter fondsgebundener Produkte. Die Behörde sieht die Entscheider, gerade in einer Krisensituation, aufgerufen, noch bestehende Probleme „konsumentenzentriert“ zu beseitigen.
Der Zugang zu leistbaren, auf die Bedürfnisse von Konsumenten abgestimmten Versicherungs- und Altersvorsorgeprodukten weist nach wie vor Defizite auf.
Zu diesem Schluss gelangt die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) in ihrem kürzlich erschienenen „Consumer Trends Report 2022“.
35 Prozent der über 18-jährigen Konsumenten in der EU haben laut Eiopa/Eurobarometer-Umfrage vom Juni 2022 Investments wie Fonds, Aktien, Anleihen oder versicherungsbasierte Sparprodukte, 34 Prozent eine gesetzliche Pension, 20 Prozent ein privates Pensionsprodukt, 18 Prozent eine Betriebspension.
13 Prozent besitzen eine (Hypothekar-)Restschuldversicherung. Ansparprodukt ist das zwar keines, es wurde aber in die Umfrage aufgenommen, weil Konsumenten Immobilien vielfach als Sparvehikel sähen und diese Absicherung es ihnen gegebenenfalls ermögliche, ihre Hypotheken zu bedienen.
Ein Viertel (26 Prozent) verfügt der Umfrage zufolge über keines dieser Produkte, vier Prozent „wissen es nicht“. Die Bandbreite zwischen den Ländern ist groß: Während in Griechenland 47 Prozent gar kein Sparprodukt haben, sind es in Schweden nur 8 Prozent.
Unabhängig davon zeige ein Blick auf die Altersvorsorgeabdeckung, dass mehr als 50 Prozent der Konsumenten in der EU nicht überzeugt sind, in der Pension so viel Geld zu haben, dass sie davon gut leben können.
Was Versicherungsprodukte angeht, so gaben acht Prozent der Konsumenten an, gar keines zu besitzen. Dieser geringe Wert sei jedoch durch die besonders große Verbreitung von Haushalts- und Kfz-Versicherungen getrieben, merkt die Behörde an.
Größere Präsenz zeigen daneben noch die Unfall- und Kranken- (41 Prozent) sowie die Haftpflichtversicherung (39 Prozent). In geringerem Umfang sind beispielsweise Versicherungsanlageprodukte (11 Prozent) vorhanden.
Wie schätzen die Konsumenten ihren Versicherungsschutz ein? EU-weit gehen 29 Prozent davon aus, dass sie bei Sachschäden aufgrund von Naturkatastrophen volle Versicherungsdeckung haben, weitere 22 Prozent gehen von einer teilweisen Deckung aus.
In Österreich, wo 1.016 Personen befragt wurden, sind die Werte mit 36 bzw. 26 Prozent noch etwas höher. 20 Prozent der Österreicher sind sich bezüglich der Deckung unsicher, sechs Prozent sagen, sie hätten in so einem Fall keinen Versicherungsschutz. 12 Prozent konnten oder wollten dazu keine Angaben machen.
Und wie sieht es im Fall eines dringenden medizinischen Notfalls aus? Im EU-Schnitt sagen 16 Prozent (Österreich: 10 Prozent), ihre Kosten wären durch ihre private Krankenversicherung voll gedeckt; weitere 27 Prozent (Österreich: 23 Prozent) sagen, dass dem teilweise so wäre.
Neun Prozent der Österreicher sagen, sie seien sich über die genaue Deckung ihrer privaten Krankenversicherung unsicher; 50 Prozent geben an, dass sie keine haben.
Die makroökonomische Lage und die Inflation, so die Eiopa, üben Druck auf die Konsumenten aus.
Sie könnten sich deshalb veranlasst sehen, den Kauf benötigten Versicherungsschutzes zu verschieben, sie könnten regelmäßige Prämienzahlungen verpassen oder freiwillige Beitragszahlungen in Pensionspläne aussetzen, folgert die Behörde.
Die Umfrage zeige, dass Bedenken hinsichtlich der Leistbarkeit und budgetäre Einschränkungen bereits die Hauptgründe für Konsumenten und kleine Unternehmen seien, auf den Einkauf neuen Versicherungsschutzes oder die Verlängerung eines bestehenden zu verzichten.
Eine höher als erwartet ausfallende Inflation habe auch negative Auswirkungen auf die realen Ergebnisse für Konsumenten, wodurch ihr künftiges verfügbare Einkommen geschmälert werde.
Die Aufsichtsbehörde sieht angesichts dessen in einer Konsumentenzentrierung in Produktdesign und Vertriebsprozess eine Hilfe zur Verbesserung der „finanziellen Gesundheit“ der Konsumenten.
Die Eiopa spricht zwar einerseits von positiven Entwicklungen, die diesbezüglich in Europa festzustellen seien. Andererseits: Fälle von schlechtem Produktdesign und Bedenken in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis bei bestimmten fondsgebundenen Produkten bestünden weiterhin.
Die Behörde erwähnt auch, dass die fortschreitende Digitalisierung den Zugang zu Versicherungs- und Pensionsprodukten ausdehne. Allerdings sei es nötig, Digitalisierungstrends aufgrund von Cyberrisiken und möglicher diskriminierender Praktiken in der Preisgestaltung genau zu beobachten.
Der Bericht geht weiters auf den bei Klein- und Mittelunternehmen – 353 wurden in Österreich befragt – vorhandenen Versicherungsschutz ein. Ganz allgemein wird festgehalten, dass KMUs in ihrer Deckung trotz wichtiger Lücken breiter aufgestellt seien.
Die größte Präsenz weist EU-weit die allgemeine Haftpflichtversicherung auf (66 Prozent), dahinter folgen Kfz-(61 Prozent), Berufshaftpflicht-/E&O-Versicherung (52 Prozent) sowie Naturkatastrophen- (48 Prozent) und Rechtsschutzversicherung (37 Prozent).
Zu den weniger verbreiteten Produktarten zählt bei KMUs die Cyber- und „Datensicherheits“-Versicherung (17 Prozent). Sieben Prozent gaben an, überhaupt keine Versicherung zu haben.
In den vergangenen Jahren hätten sich Entscheidungsträger, Regulatoren und Anbieter bemüht, sicherzustellen, dass Finanzdienstleistungen zum finanziellen Wohlbefinden von Konsumenten und Unternehmen beitragen, fasst Eiopa-Vorsitzende Petra Hielkema zusammen.
Aber: „Trotz manchen Fortschritts bleiben Bedenken, und sie anzusprechen, ist im Licht der jüngsten Schocks noch wichtiger geworden.“
Die „Lebenshaltungskosten-Krise“ müsse als Aufruf an die Entscheider entlang der Wertschöpfungskette gesehen werden, bekannte Probleme durch „konsumentenzentrierte Lösungen“ zu beheben.
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