21.8.2025 – Ein fiktives Gespräch, wie es in Versicherungshäusern (leider) öfters zwischen Vorstand, Datenanalysten und Aktuaren abläuft. – Von Versicherungsmathematiker Christoph Krischanitz.
DAP (datenanalysierende Person) und VIP (Vorstandsposteninhabende Person) im Gespräch, VAP (verantwortliche aktuarielle Person) hält sich im Hintergrund (wegen Berufskrankheit).
VIP: „Einmal Datenanalyse, bitte!“
DAP: „Gerne, darf es etwas Besonderes sein?“
VIP: „Nein, einmal mit alles.“
DAP: „Sehr gerne. Ein Schuss KI dazu?“
VIP: „Ja, gute Idee.“
Einige Zeit später …
DAP: „Voilà, hier ist ihr Analyse-Dashboard! Es ist wunderschön geworden!
Unter der PR-AUC, der F1@t und dem Recall finden Sie die Konfusionsmatrix und die Lift/Gain-Charts. Achten Sie auf die PSI-Balken und den Label-Delay, zur Fehleranalyse habe ich Ihnen noch ICE und SHAP-Waterfall dazugegeben.
Sehen Sie sich jedenfalls auch die p95-Latenz und die Feature-Freshness an.
Für die Regressionsverläufe ist noch wichtig, dass Sie die RMSE und WAPE beachten, zum Forecasting habe ich die sMAPE und MASE hinzugefügt.
Gini und Brier finden Sie übrigens rechts oben.“
VIP: „??? Und was haben Sie herausgefunden???“
DAP: „Nun, die Sales-Rate für 37-Jährige aus Bad Istmirgleich ist um 0,3 Prozent höher als bei Personen mit einem schiefen linken Ohr, und wenn Sie die Produktkosten für ihr Specialty-Vorsorgeprodukt halbieren, können Sie Ihr Prämienvolumen von 3 Milliarden auf 3,5 Milliarden anheben …
VIP: „Aber unser Prämienvolumen beträgt doch nur 456 Millionen?“
DAP: „Das sehen Ihre Daten leider anders, so etwas übersieht man leicht. Ach übrigens, ich kann Ihnen sehr empfehlen, die Analyse vollautomatisiert ablaufen zu lassen. Sie bekommen von mir das Tool als SaaS, und Sie können dann selbst jederzeit die Analyse laufen lassen. Sie können sogar zwischen verschiedenen Algorithmen wählen, für Regressionen zum Beispiel XG Boost, Naive Bayes, CatBoost oder LightGBM und für Deep Learning stehen Ihnen selbstverständlich ANN, CNN, RNN, Transformers, GAN und Autoencoders zur Auswahl. Das gibt Ihnen die notwendige Flexibilität in Zeit und Analysefokus. Für Anfragen stehe ich Ihnen natürlich jederzeit gerne zur Verfügung! Was meinen Sie?“
VIP: „Also gut, also … VAP, was meinen Sie?“
VAP: „Liebe VIP, ich wäre vorsichtig …“
DAP: „Vorsicht ist immer gut! Darum haben wir unser Tool auch von mehreren hochrangigen Universitäten überprüfen lassen, unsere Algorithmen arbeiten einwandfrei! Wir können sogar von uns behaupten, Marktführer bei der Rechengeschwindigkeit zu sein, durch eine spezielle Struktur der Algorithmen gewinnen wir bis zu 30 Prozent Performance zum Beispiel gegenüber Python …“
VIP: „Ja, das klingt ja ganz ordentlich …“
VAP: „Aber die Daten …“
DAP: „Machen Sie sich um die Daten keine Sorgen, liebe VAP! Alle unsere Analysierenden und Entwickelnden habe Spezialausbildungen in Data Science und Data Analysis genossen, sie waren auf den Top-Elite-Hochschulen und haben in vielen Analyse-Battles gewonnen. Die haben das im Griff!“
VIP: „Na, das ist doch toll!“
VAP: „Aber …“
VIP: „Was denn noch für ein ‚Aber‘?“
VAP: „Wofür wollen wir das denn einsetzen?“
VIP: „Ja das müssen Sie doch wissen!“
VAP: „Also ich könnte mir gut vorstellen, solche Methoden für die Analyse von Consumer Behaviour einzusetzen, um Storno- und Verkaufsverhalten besser zu verstehen, und auch für die Risikoanalyse …“
VIP: „Na also! Also, liebe DAP, wir kaufen das Tool! Bitte schicken Sie die entsprechenden Schulungsunterlagen und Zugangsdaten an das Vertriebscontrolling, dort wird es offenbar gebraucht!“
VAP: „ABER …“
So oder so ähnlich laufen leider immer noch viele Gespräche in Versicherungshäusern ab.
Neue Technologien werden gekauft, die Tools werden von Externen eingeführt, oftmals ohne das notwendige interne Daten- und Produktwissen zu haben, und die Anwendung landet bei Personen, die erst eingeschult werden müssen, oder es wird überhaupt eine neue Abteilung „Datenanalyse und KI“ aufgebaut, wieder mit Externen.
Dabei hätte man mit Aktuaren Personen, die die Daten kennen, die Produkte kennen, die Regulatorik kennen, mit der neuen Technologie im Wesentlichen vertraut sind und genau wissen, welche Methode man zu welchem Zweck mit welchem Ziel einsetzt.
Aktuare, bitte nach vorne drängeln, eine neue Kassa wird eröffnet …
Christoph Krischanitz
Der Autor ist Versicherungsmathematiker (profi-aktuar.at) und verfügt über langjährige Erfahrung in der aktuariellen Beratung. Krischanitz war von 2004 bis 2019 Vorsitzender des Mathematisch-Statistischen Komitees im Versicherungsverband (VVO), von 2008 bis 2014 Präsident der Aktuarvereinigung Österreichs (AVÖ). Derzeit ist er unter anderem Chairman der Arbeitsgruppe Non-Life Insurance in der Actuarial Association of Europe (AAE).
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