17.5.2024 – Auf Erfolg statt auf Misserfolg programmiert: In der „VUKA“-Welt und im digitalen Zeitalter werden wir – beruflich und privat – oft mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Also sollten wir lernen, mit ihnen umzugehen, um auch künftig begehrte Mitarbeiter zu sein und unser Leben erfolgreich zu meistern. – Von Hans-Peter Machwürth.
Die Menschen sind verschieden. Diese Erfahrung sammeln wir täglich – beruflich und privat. So registrieren wir zum Beispiel immer wieder, dass manche Männer und Frauen bei neuen Herausforderungen sofort denken und oft auch sagen: „Das kann ich nicht.“
Entsprechend zögerlich gehen sie die Herausforderung an. Das schmälert auch die Erfolgswahrscheinlichkeit.
Andere Menschen denken hingegen bei derselben Herausforderung vielleicht zunächst auch: „Oh Schreck, was kommt da auf mich zu?“ Doch dann gewinnt in ihnen die Überzeugung überhand: „Irgendwie schaffe ich das schon. Schließlich habe ich schon viele Herausforderungen gemeistert.“
Entsprechend zuversichtlich gehen sie die Aufgabe an. Und meist gelingt es ihnen auch, diese zu meistern – auch weil sie nach einem Fehlversuch nicht sogleich die Flinte ins Korn werfen.
Wie selbstbewusst und zuversichtlich Menschen neue Aufgaben angehen, hat oft wenig mit ihren realen Fähigkeiten zu tun. Immer wieder registriert man, dass Personen, die eigentlich für das Lösen bestimmter Aufgaben prädestiniert wären, bei deren Anblick der Mut verlässt. Andere hingegen, von denen man denkt „Der (oder die) muss noch viel lernen“, gehen beherzt ans Werk.
Das zeigt: Wie wir auf neue Herausforderungen reagieren, hängt weitgehend von unserer subjektiven Gewissheit ab: „Irgendwie kann ich die Aufgabe schon lösen. Auch wenn ich noch nicht weiß wie.“
Diese positive Grundüberzeugung „Irgendwie schaffe ich es schon“ ist bei Menschen verschieden stark ausgeprägt. Während manche, bildhaft gesprochen, eher auf Erfolg programmiert sind, sind andere auf Misserfolg programmiert. Entsprechend unterschiedlich verarbeiten sie Rückschläge.
Eine selbstwirksame Person – also Person, die in ihre Kompetenz, auch neue Aufgaben zu lösen, vertraut – denkt nach einem Fehlversuch zum Beispiel: „Dass es nicht klappte, lag daran, dass ich hiermit noch wenig Erfahrung habe. Also lasse mich einen zweiten Versuch wagen und dabei das durch den Misserfolg erworbene Wissen anwenden.“ Sie reflektiert also durchaus ihr Tun. Der Fehlversuch ist für sie aber kein Anlass, grundsätzlich an sich und ihrer Kompetenz zu zweifeln.
Anders reagiert eine wenig selbstwirksame Person. Sie denkt nach einem Fehlversuch zum Beispiel: „Ich habe doch gleich gewusst, dass ich das nicht kann und daran wird sich nichts ändern.“ Also startet sie keinen weiteren Versuch. Oder sie startet ihn widerwillig – zum Beispiel, weil ihr Chef sie dazu „verdonnert“ hat. Entsprechend groß ist die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Scheiterns. Und dieses Scheitern wirkt sich wiederum negativ auf die Erwartung aus, mit der die Person künftig ähnliche Herausforderungen angeht.
Das ist schade! Denn in unserer von rascher Veränderung geprägten modernen Welt, auch „VUKA“-Welt genannt, werden wir immer häufiger mit neuen Herausforderungen konfrontiert – beruflich und privat. Sei es durch gesellschaftliche Umbrüche oder technologische Fortschritte bzw. Veränderungen wie dem aktuellen Siegeszug der KI.
Also wird es zu einer Schlüsselkompetenz, mit ihnen adäquat umzugehen. Das haben die Personalverantwortlichen in den Unternehmen erkannt. Sie debattierten in den vergangenen Jahren unter der Überschrift „Beschäftigungsfähigkeit“ beziehungsweise „Employability“ intensiv über dieses Thema und kamen zur Erkenntnis: Künftig müssen unsere Mitarbeiter verstärkt über folgende Eigenschaften verfügen:
Auf den Punkt gebracht, bedeutet dies: Die Unternehmen erwarten zunehmend, dass ihre Mitarbeiter und Teams sich selbstbewusst neuen Herausforderungen stellen und diese meistern; außerdem, dass sie sich eigeninitiativ die Fähigkeiten aneignen, die sie zum Wahrnehmen ihrer Funktion in der Organisation (künftig) brauchen. Oder anders formuliert: Ihre Mitarbeiter und Teams sollen selbstwirksamer sein.
Doch wie kann eine Person ihre Selbstwirksamkeit erhöhen? Sie speist sich den Untersuchungen des kanadischen Lerntheoretikers Albert Bandura zufolge, der leider im Juli 2021 verstarb, vor allem aus folgenden Quellen:
Die Kenntnis dieser Quellen ermöglicht es uns, für uns Lernumgebungen zu kreieren, die unsere Selbstwirksamkeit fördern. Entsprechendes gilt für Führungskräfte und Personalentwickler bezüglich anderer Personen und Teams. Unabdingbar hierfür ist es, sich regelmäßig Herausforderungen zu stellen, bei denen man zunächst vermutet: „Diese Aufgabe könnte mich (bzw. uns) überfordern.“ Denn an solchen Aufgaben wachsen wir.
Beim Versuch entsprechende Aufgaben zu lösen, ist es sinnvoll, diese als Projekt zu sehen und zunächst zu analysieren: Welche Teilaufgaben sind hiermit verbunden?
In einem zweiten Schritt können wir dann ermitteln, ob uns die Gesamtaufgabe oder nur gewisse Teilaufgaben erschauern lassen. Ist dies klar, können wir untersuchen, warum wir zurückschrecken. Zum Beispiel, weil uns Ressourcen und Kenntnisse fehlen? Oder weil wir hiermit noch keine Erfahrung haben? Oder weil die Lösung von uns erfordert, gewisse Gewohnheiten aufzugeben? Oder weil beim Lösen der Aufgabe Konflikte mit Kollegen absehbar sind?
Haben wir dies ermittelt, können wir einen vorläufigen Aktionsplan erstellen und aus den Teilaufgaben Teilziele ableiten, die es auf dem Weg zum großen Ziel zu erreichen gilt. Zudem können wir die nötige Unterstützung organisieren.
Wichtig ist ein weiterer Punkt, der oft vergessen wird: Da das Bewältigen der Herausforderung auch dem Steigern unserer Selbstwirksamkeit dient, sollten wir als Einzelperson oder Team zudem Lernfelder definieren, in denen wir unsere Kompetenz erweitern möchten. Außerdem sollten wir Kriterien definieren, wie wir das Erreichen der Lernziele messen.
Die in dem Projekt definierten Teil- und Lernziele haben eine unterschiedliche Funktion. Das Definieren von Teilaufgaben und -zielen soll uns primär helfen, einen realistischen Aktionsplan zu erstellen, so dass wir nach dem Projekt mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sagen können: „Wow, das war zwar anstrengend. Doch ich habe (bzw. wir haben) es geschafft.“
Und wenn wir das Projektziel wider alle Erwartungen doch nicht oder nur teilweise erreichen? Dann ermöglicht uns das Definieren von Teilaufgaben im Rückblick zu analysieren: Welche Teilaufgaben habe ich (bzw. haben wir) mit Bravour gelöst und wo traten Schwierigkeiten auf? Das heißt, wir können unser „Scheitern“ relativieren und rationalisieren, was wichtig für unser Selbstvertrauen ist. Außerdem können wir dann neue Lernfelder und -ziele für uns definieren.
Das Definieren von Lernzielen hat die Funktion, dass wir bei Projektende ermitteln können, welche neuen Kompetenzen wir – als Individuum oder Team – hinzugewonnen haben und welche vergleichbaren Aufgaben wir deshalb künftig problemlos meistern können. Zudem können wir so unseren noch bestehenden Entwicklungsbedarf ermitteln.
Wenn wir beim Bewältigen herausfordernder Aufgaben so vorgehen, begeben wir uns in eine Lernspirale, die einen systematischen Ausbau unserer Kompetenz als Person oder Team bewirkt. Wir steigern zudem unser Vertrauen in unsere Fähigkeit, neue Herausforderungen zu meistern und entwickeln so zunehmend unsere Selbstwirksamkeit.
Hans-Peter Machwürth
Der Autor ist Geschäftsführer des international agierenden Trainings- und Beratungsunternehmens Machwürth Team International (MTI Consultancy).
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