Biologische Vielfalt: Aufsicht sieht „multidimensionales Risiko“

4.7.2025 – Wesentliche Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft hängen vom Erhalt biologischer Vielfalt ab, stellt die EU-Versicherungsaufsicht fest. Biodiversitätsrisiken seien jedoch komplex und mit anderen Umweltrisikofaktoren verflochten, ihre Bewertung deshalb herausfordernd. Im Versicherungssektor macht die Eiopa „vielversprechende Marktpraktiken“ aus. Um künftig für biodiversitätsbezogene Risiken gerüstet zu sein, sei aber ein weiteres Engagement nötig.

Biene auf Blume (Bild: Hermann Kollinger/Pixabay)
Bild: Hermann Kollinger/Pixabay

Biodiversität – oder biologische Vielfalt – ist ein Begriff, der regelmäßig auch im Versicherungskontext auftaucht. Genauer gesagt: im Zusammenhang mit dem Verlust derselben.

So stehen im „Global Risks Report“, den das Weltwirtschaftsforum regelmäßig in Kooperation mit Marsh & McLennan und der Zurich Insurance Group herausgibt, ein Verlust an Biodiversität und ein Kollaps des Ökosystems weit oben in der Risikoliste (VersicherungsJournal 20.1.2025, 11.1.2024).

Die Finanzmarktaufsicht (FMA) wiederum hat vor rund drei Monaten ihren „Leitfaden zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ veröffentlicht (VersicherungsJournal 1.4.2025).

Anlässlich dessen ließ die Behörde wissen: Klimawandel und Biodiversitätskrise bergen existenzielle Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft, „denen sich sämtliche Finanzsektoren, und damit auch die von der FMA beaufsichtigten Unternehmen, nicht entziehen können“.

Verlust an Biodiversität ein „multidimensionales Risiko“

Und die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) hielt jüngst fest: Biodiversitätsverlust sei ein „multidimensionales Risiko“ mit erheblichen makroökonomischen Implikationen; die Stabilität des Finanzsystems könnte dadurch untergraben werden.

Biodiversitäts- und klimabezogene Risiken seien eng verflochten. Das eine könne das andere verstärken, besonders bei Naturkatastrophen. Die enge Verflechtung erschwere die Identifizierung von Biodiversitätsrisiken und die Bewertung ihrer Folgen für die Wirtschaft.

Fundamentale Bedeutung von „Ökosystemleistungen“

Eiopa-Bericht zu Biodiversitätsrisiko-Management von Versicherern (Cover; Quelle: Eiopa)
Eiopa-Bericht zu Biodiversitätsrisiko-
Management von Versicherern
(Cover; Quelle: Eiopa)

Biologische Vielfalt sei untrennbar mit dem Zustand der Natur verbunden und gewährleiste, dass laufend „Ökosystemleistungen“ zur Verfügung stehen – etwa Nahrung, Wasser, Erholungsräume – oder der Ablauf von Prozessen wie Bestäubung und Klimaregulierung.

Schätzungen zufolge hänge mehr als die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts von diesen „Dienstleistungen“, insbesondere Landwirtschaft, Bau und Gesundheit.

Frühere Untersuchungen der Eiopa selbst hätten ergeben, dass rund 30 Prozent der direkten Risiken von Versicherern aus Unternehmensanleihen und Aktien zumindest von einer „Ökosystemleistung“ abhängen.

Allerdings gehen die mit Biodiversitätsverlust verbundenen direkte und indirekten physischen, Übergangs- und rechtlichen Risiken darüber hinaus, so die Eiopa. Ohne Biodiversität könnten zentrale Dienste, die Wirtschaft und Gesellschaft stützen, in Gefahr geraten.

Eiopa: Versicherer erkennen signifikantes Risiko

Die Eiopa hat deshalb untersucht, wie (Rück-)Versicherer in Europa Biodiversitätsrisiken identifizieren, messen und managen. Den Bericht dazu hat sie vor kurzem veröffentlicht.

In ihrer Analyse ortet sie „einige vielversprechende Praktiken“, die ein „wachsendes Bewusstsein“ der Versicherungsindustrie für die potenziellen Auswirkungen eines Biodiversitätsverlustes zeigten.

Er werde als bedeutendes neues Risiko erkannt. Dessen finanzielle Auswirkungen zu quantifizieren, stelle die Unternehmen jedoch vor Herausforderungen. Versicherer befänden sich daher noch in einer frühen Phase der Identifizierung, Messung und des Managements von Biodiversitätsverlust.

Das Fehlen einer weltweiten Metrik, regionale Besonderheiten der Biodiversität und die Schwierigkeiten, zwischen Biodiversitäts- und Klimawandel-Risiken zu unterscheiden, stelle Herausforderungen dafür dar, heute praktisch umsetzbare Risikobewertungen vorzunehmen.

Aufsicht hält mehr Zusammenarbeit für angezeigt

Nach Ansicht der Eiopa sollten die derzeitigen Hürden beim Quantifizieren und Modellieren von Biodiversitätsrisiken dem Fortschritt „nicht im Weg stehen“.

Um sie zu überwinden, will die Behörde zusammen mit den betroffenen Akteuren prioritäre Handlungsfelder identifizieren, zu denen sie unter anderem Fragen der Datenverfügbarkeit, der Entwicklung von Modellen und Szenarien sowie risikobasierte Maßnahmen zum Management von Biodiversitätsrisiken zählt.

Auch wolle man daran arbeiten, das Zusammenspiel von Biodiversität und Klimarisiken besser zu verstehen, einschließlich des möglichen Nutzens (naturbasierter) Anpassungsmaßnahmen im Hinblick auf Versicherungslücken bei Naturkatastrophen.

Zum Herunterladen

Der „Report on biodiversity risk management by insurers“ kann als PDF-Dokument von der Eiopa-Website heruntergeladen werden.

 
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