2.10.2025 – Die EU-Kommission spricht sich dafür aus, Kleinanlegern mit „Spar- und Anlagekonten“ den Zugang zu Kapitalmarktinstrumenten zu erleichtern. Das soll die „Investitionskultur“ in Europa fördern, die Renditechancen steigern und nicht zuletzt die europäische Wirtschaft fördern. Die neue Empfehlung soll die „Blaupause“ dafür liefern. Die Versicherungswirtschaft begrüßt den Schritt, sieht sich aber nicht ausreichend berücksichtigt.
Im März hat sie es im Rahmen der Pläne zur „Spar- und Investitionsunion“ (SIU) angekündigt (VersicherungsJournal 20.3.2025), am Dienstag hat die EU-Kommission nun ein Konzept für die Schaffung von „Spar- und Anlagekonten“ vorgestellt – kurz „SIA“, gemäß der englischen Bezeichnung „Savings and Investment Account“.
Vorweg: Es ist kein Vorschlag für eine neue Verordnung oder Richtlinie, sondern eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten. Dabei geht die Kommission von Modellen aus, die es in einigen Staaten in und außerhalb der EU bereits gibt. Die Empfehlung versteht sich als „Blaupause“ für SIAs.
Was genau sind SIAs überhaupt? Die Kommission beschreibt sie als Konten bei Finanzdienstleistern wie beispielsweise Banken und Wertpapierfirmen, die Kleinanlegern einen breiteren und einfacheren Zugang zu Investitionen in Kapitalmarktinstrumente ermöglichen sollen.
Gedacht ist daran, Investitionen in verschiedene Produkte wie Aktien, Anleihen und Investmentfonds zu offerieren, sodass die Nutzer ihre Portfolios „über Anlageklassen, Emittenten, Herstellerregionen und Risikoprofile hinweg“ diversifizieren können. Besonders riskante oder komplexe Produkte sollen ausgenommen sein.
Wenn gewünscht, sollen Kunden auch mehrere SIAs eröffnen können, online wie offline. Das soll für sie ebenso möglichst einfach vonstattengehen wie der Kauf und Verkauf von Vermögenswerten innerhalb eines Kontos oder die – möglichst kostengünstige – Übertragung ihrer Portfolios.
Die Anleger sollen die „volle Kontrolle“ darüber behalten, in welche Finanzprodukte oder Wirtschaftszweige sie investieren. Risiken im Zusammenhang mit Investitionen „können durch Diversifizierung und einen langfristigen Anlageansatz gesteuert werden“.
Steuerliche Begünstigungen und vereinfachte steuerliche Verfahren erachtet die Kommission als wesentliche Anreize, die Europäer für die Nutzung von SIAs zu gewinnen.
SIAs würden nach Ansicht der Kommission mehrere Effekte auslösen: Sie würden dazu beitragen, die „Investitionskultur“ in Europa zu stärken, den Anlegern eine Chance auf höhere Renditen als mit traditionellen Bankeinlagen eröffnen und, nicht zuletzt, den Wirtschaftsstandort EU fördern.
Indem sie einen Teil der Ersparnisse „in produktivere Investitionen“ verlagern, könnten die Bürger gleichzeitig die Finanzierung von Unternehmen erleichtern und so das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern, argumentiert die Kommission.
„Investitionen in die europäische Wirtschaft ermöglichen es ihnen, zur Wettbewerbsfähigkeitsagenda der EU beizutragen und von ihr zu profitieren“, so die Behörde.
Der europäische Versicherer-Dachverband Insurance Europe begrüßt die Empfehlung der Kommission grundsätzlich. Sie sie ein wichtiger Schritt zur Mobilisierung von Ersparnissen privater Haushalte hin zu Anlagen, die „langfristiges Wachstum und finanzielle Sicherheit der Bürger“ fördern.
Allerdings würdige die Empfehlung „die maßgebliche Rolle des Versicherungssektors“ nicht ausreichend – obwohl Versicherer eine Schlüsselrolle dabei spielten, Verbraucher beim langfristigen Ansparen und bei der Kanalisierung von Investitionen in die Realwirtschaft zu unterstützen.
Insurance Europe versäumt nicht, darauf hinzuweisen, dass Versicherer mit einem verwalteten Vermögen von rund 9,5 Billionen Euro „die größten institutionellen Anleger Europas“ seien. Deren Angebot an langfristigen Sparformen und Anlageprodukten sei breit, die Vertriebskanäle vielfältig und „gut etabliert“.
Generaldirektorin Utoft Høj Jensen appelliert deshalb an die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Versicherer bei der Umsetzung der Empfehlung „ausdrücklich als zulässige Anbieter anerkannt werden und Versicherungsprodukte im Wege von SIAs angeboten werden können“.
Das sei entscheidend, um zu gewährleisten, dass Verbraucher Zugang zur „breitestmöglichen Palette an Lösungen haben, die ihren Bedürfnissen, Präferenzen und Risikoprofilen entsprechen“.
Die Empfehlung lässt diese Möglichkeit jedenfalls offen: Die Mitgliedstaaten sollen selbst entscheiden, ob sie neben den in der Empfehlung angeführten Anlageklassen weitere Finanzinstrumente für SIAs zulassen – vorausgesetzt, dass sie für Kleinanleger „adäquat“ sind.
„Dass attraktivere Rahmenbedingungen für produktive und diversifizierte Investitionen geschaffen werden, ist positiv zu sehen“, sagte Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), am Mittwoch in einer Aussendung.
Zugleich müsse aber dafür gesorgt werden, dass „bewährte und verlässliche Produkte von Banken, Fonds, Versicherungen und Pensionskassen auf nationaler Ebene“ im Sinne eines fairen Wettbewerbs von einer steuerlichen und administrativen Verbesserung im selben Ausmaß profitieren wie beim SIA vorgesehen.
Diese günstigeren Rahmenbedingungen, so Rudorfer, müssten im gleichen Maß auch für das Anlageuniversum heimischer Anbieter zur Anwendung kommen.
Die Kommission hat die SIA-Empfehlung, das zugehörige Arbeitspapier sowie Fragen und Antworten auf ihrer Website zum Abruf bereitgestellt.
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