1.12.2025 – Größte Herausforderung für mehr Automatisierung seien die IT-Kosten, Künstliche Intelligenz könne aber Skalierung ermöglichen. Vor allem die Strukturierung von Daten sei ein Gamechanger. Die Regulierung belaste die Versicherungen zwar, nütze ihnen aber auch – soweit einige Kernaussagen einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde bei der Innovation Night von Together CCA in der Vorwoche.

Künstliche Intelligenz (KI) stand im Mittelpunkt der „Innovation Night 2025“ der Together CCA GmbH in der Vorwoche. Einer der Höhepunkte war dabei der Vorstandspaneltalk, in dem hochrangige Vertreter der Versicherungsbranche über Chancen, Grenzen und Regulierung der KI diskutierten.
Einleitend betonte Birgit Niessner, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft in der Österreichischen Nationalbank, die die Moderation führte, dass mit KI der Fortschritt nicht mehr vom menschlichen Geist abhängig sei.
Das Lerntempo der KI sei atemberaubend, was zu Wachstumszahlen der Volkswirtschaft von bis zu 20 Prozent pro Jahr führen könnte. Man müsse sich fragen, welche Auswirkungen das auf Zinsen, Inflation, Fiskalpolitik, Arbeitsmarkt und Gesellschaft haben kann.
In der Versicherungswirtschaft werde KI in den nächsten Jahren der Wettbewerbs- und Differenzierungsfaktor sein, so Niessner. Es stelle sich die Frage, was in den Versicherungen passiere, wie es dort weitergehe.
Sonja Brandtmayer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Wiener Städtischen Versicherung AG, erwartet sich von Künstlicher Intelligenz keine Revolution. Man habe bereits viel investiert und arbeite in vielen Sparten inzwischen „semi-dunkel“.
Für noch mehr Automatisierung würden aber die IT-Kosten die größte Herausforderung darstellen. Man müsse sich deshalb immer die Frage stellen, ob es sich um ein Business Case oder um ein „nice to have“ handelt.
Wichtig sei die richtige Automatisierung für den richtigen Fall, so Brandtmayer – von Künstlicher Intelligenz über Robotik und Bots bis hin zu Apps für mehr Kundenconvenience.
Künstliche Intelligenz ermögliche allerdings erstmals das Kopieren über Ländergrenzen hinweg, sieht René Brandstötter, Chief Sales Officer der Allianz Elementar Versicherungs-AG, einen wesentlichen Vorteil.
Was in einem Land entwickelt wird, könne zumindest zu 70 bis 80 Prozent in einem anderen Markt verwendet werden. Damit sei eine Skalierung möglich, dennoch dauere es viele Jahre, bis sich ein Business Case rechnet.
Das Schöne an KI sei auch die Möglichkeit, dass damit die Prozesswelten der Makler und Versicherer in einer hybriden Art und Weise zusammen agieren und so gemeinsam die Effizienz zu steigern.
Für eine kleinere Versicherung sei der Druck größer, so Sven Rabe, Vorstandsvorsitzender der VAV Versicherungs-AG. Man verfolge deshalb eine Strategie der Automatisierung in allen Wertschöpfungsketten: „Alles, was wir können, müssen wir automatisieren.“
Für Rabe ist KI „der Gamechanger“: Konnte Automatisierung früher nur mit strukturierten Daten arbeiten, so sei es heute möglich, beispielsweise unstrukturierte E-Mails strukturiert auszulesen und die Daten in bestehende Prozesse zu übernehmen.
Christian Gosch, Head of Group Data & IT in der Uniqa Insurance Group AG, sieht durch KI die Chance, die Frage, wer sich um die Strukturierung der Daten kümmern muss, nicht mehr zwischen Kunden, Vermittlern und Versicherern hin- und herzuschieben, sondern an die KI auszulagern.
Noch sei man allerdings nicht so weit, dass KI Entscheidungen in komplexen Bereichen eigenständig treffen kann. KI assistiere in bestimmten Standardfällen, bei Entscheidungen, die direkt Einfluss auf den Kunden haben, gehe es noch nicht.
In einer zweiten Fragerunde ging es dann um den Einfluss der EU-Regulierung auf Künstliche Intelligenz. Die EU verfolge mit der AI-Act-Regulierung „hehre Ziele“, sagt Gosch, und sie sei auch ein gutes Mittel gegen die großen Tech-Anbieter; Versicherungen seien „dabei Beifang“.
Brandstötter betont, dass die USA und China in einem Bereich Europa extrem viel voraus haben: „Die Amerikaner und Chinesen haben viel mehr Mut als wir, Dinge auszuprobieren.“ Europa müsse Mut aufbringen, diesen Gap zu schließen, ansonsten werde der Zug „an uns vorbei“ fahren.
Europa scheitere nicht an der Regulierung, sondern am fehlenden Mut, so Brandstötter. Man diskutiere zwar sehr viel über die DSGVO, doch unsere Daten liegen in den USA; es sei notwendig die Datenhoheit zurückzuholen. Man müsse aber auch klar sagen, dass hier viel in Europa passiere.
Rabe beklagt in diesem Zusammenhang, dass es wenig Rechtssicherheit gebe: „Wenn wir wüssten, wo die Grenze ist, hätten wir mehr Mut, Dinge zu machen, „weil wir uns weniger in dieser Grauzone fühlen“. Ideen und Mut hätten wir, glaubt Rabe. Hoffnung setzt er in das EU-Omnibusverfahren.
Brandtmayer macht aber darauf aufmerksam, dass die europäischen Versicherungen durch die Regulierung auch geschützt werden: Ohne Regulierung würden sicher schon einige weltweite Konzerne ihre Produktlinien in Europa anbieten.
Wenn man den Menschen und den Unternehmen in Europa den Nutzen, den die verschiedenen Regelungen stiften können, aber nicht näherbringt, verliere auch der europäische Gedanken an Kraft, warnt Brandtmayer.
Für Brandtmayer ist es wichtig, wie breit KI-Modelle sind und wie sie trainiert werden; hier bestehe die Gefahr, dass bestehende Unterschiede zwischen den Geschlechtern aber auch zwischen den einzelnen Kontinenten nicht berücksichtigt werden.
Rabe sieht KI als Gamechanger bei einfachen Tätigkeiten, die auf die Automatisierung verlagert werden, wodurch mehr Zeit für „Brainwork“ und qualifizierte Tätigkeiten bleibe.
Es sei zwar ein „Damoklesschwert“, dass viele Menschen keine Arbeit mehr haben werden, sagt Gosch. Er vertraut aber in die Wirtschaft und in die Menschheit, dass es dazu nicht kommen wird.
Auch Brandstötter ist optimistisch: „Es werden unglaublich viele neue Jobs entstehen“, dies sei eine „riesengroße Chance“ und könnte das Vertrauen in die Wirtschaft zurückbringen.
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