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Die Provision und das „Vermittlerbild der Zukunft“

15.9.2025 – Der Entwurf der EU-Kleinanlegerstrategie macht diverse Vorgaben zu Vergütung und Vermittlertypen. Aus österreichischer Sicht könnte er laut Prof. Stefan Perner dazu führen, dass der „heutige“ Makler künftig nicht als unabhängig, sondern als ungebunden klassifiziert wird – womit es beim Provisionssystem bliebe. In dieser Kategorie könnten auch echte Mehrfachagenten aufgehen. Daneben könnte es „unabhängige“ Makler geben, für die das Provisionsverbot gilt. Ob der Berater in Versicherungsangelegenheiten in dieser Kategorie aufgeht oder als eigene Beraterform erhalten bleibt, wäre letztlich eine standespolitische Frage.

Rust am See war vergangenen Donnerstag Schauplatz des „Expert:innentreffens 2025“, zu dem der Fachverband der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten geladen hatte.

Den ersten Teil beherrschte die im – mittlerweile langgezogenen – Zieleinlauf befindliche EU-Kleinanlegerstrategie („Retail Investment Strategy“, RIS).

Immerhin lässt sie laut dem aktuellen Entwurf unter anderem ein Provisionsverbot für „unabhängige“ Beratung zu Versicherungsanlageprodukten erwarten (VersicherungsJournal 25.5.2023).

Neues Parlament, neue Kommission, neue Strategie

Martin Ramharter beschäftigt sich im Finanzministerium mit Versicherungsrecht. In seinem Vortrag in Rust erinnerte er an die lange Genese der RIS.

Von den beiden Co-Gesetzgebern, also dem EU-Parlament und dem EU-Ministerrat (VersicherungsJournal 14.6.2024), sei an sich schon 2024 Einvernehmen erzielt worden. Dass seither „nichts passiert“ sei, habe zwei Gründe.

Erstens hat die EU-Wahl 2024 mit anschließender Neuformierung der EU-Kommission den Gesetzgebungsprozess verzögert. Zweitens habe die neue EU-Kommission die Strategie geändert, nämlich in Richtung der „Spar- und Investitionsunion“, kurz SIU (VersicherungsJournal 30.3.2025).

Die SIU verklammere die Kapitalmarkt- und die Bankenunion sowie – dort, wo die Kompetenzen nicht bei der Union, sondern bei den Mitgliedsstaaten angesiedelt sind – intergouvernementale Initiativen, etwa bei Pensionen und Steuern.

Martin Ramharter, Finanzministerium (Bild: Sabine Klimpt/Lichtblick KG)
Martin Ramharter, Finanzministerium (Bild: Sabine Klimpt/Lichtblick KG)

RIS könnte Mitte bis Ende 2026 im EU-Amtsblatt stehen

Neue Strategie sei nun, Wachstum durch Simplifizierung und Entrümpelung von Regulierung zu schaffen. Davon soll auch die RIS erfasst sein, ein Vorschlag sei demnächst zu erwarten.

Ramharter hält es für wahrscheinlich, dass es noch vor Weihnachten zu einer vorläufigen politischen Einigung kommt. Im EU-Amtsblatt könnte die RIS Mitte bis Ende 2026 kundgemacht werden, anschließend wäre sie national umzusetzen. Ramharter schätzt, dass die Frist dafür 24 Monate betragen wird.

Das dreiteilige europäische Vermittlerbild

Stefan Perner, Professor am Institut für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien, skizzierte das „europäische Vermittlerbild“, wie es die RIS nach dem 2024 erreichten Verhandlungsstand zeichnet. In diesem gäbe es drei Kategorien von Vermittlern:

  • gebundene,
  • ungebundene und
  • unabhängige.

Herrschende Sichtweise sei: Wer unabhängig berät und sich gegenüber dem Kunden so ausweist, fällt unter das Provisionsverbot, im Übrigen bleiben Provisionen zulässig.

Österreichisches Recht verlangt von Maklern keine Unabhängigkeit

In einem zweiten Schritt sei dies nun mit dem nationalen österreichischen Recht abzugleichen. Bezüglich einer „Unabhängigkeit“ des Versicherungsmaklers finde sich in § 137 GewO nichts. Auch Maklergesetz, Standesregeln und Versicherungsvertragsgesetz enthielten dazu nichts.

Vielmehr werde zwar nach Vermittlertypen differenziert, aber nicht nach dem Kriterium der Abhängigkeit oder Unabhängigkeit, sondern nach der Bindung zum Versicherer und dem Pflichtenprogramm gegenüber dem Kunden.

In einem Spannungsverhältnis dazu stehe es, wenn in der Marketing-Praxis die „Unabhängigkeit“ des Maklers hervorgehoben worden sei. Es stelle sich also die Frage: Sollte die RIS-Definition des „unabhängigen Vermittlers“ Anlass geben, dieses Selbstbild des Maklers zu korrigieren?

Und wäre es nicht ein gedanklicher Fehler, vor diesem Hintergrund von Unabhängigkeit zu sprechen? Eine Vergütung durch Provision, institutionalisiert in Rahmenvereinbarungen zwischen Maklern und Versicherern, wäre ein Hinweis darauf, dass keine „wirtschaftliche Unabhängigkeit“ vorliegt.

Stefan Perner, Wirtschaftsuniversität Wien (Bild: Sabine Klimpt/Lichtblick KG)
Stefan Perner, Wirtschaftsuniversität Wien (Bild: Sabine Klimpt/Lichtblick KG)

Kreditvermittler-Regelung als Orientierungspunkt

Wie nun dieses österreichische Vermittlerbild ins europäische einpassen? Perner verwies zunächst, wie auch schon beim Veldener Symposion 2024 (VersicherungsJournal 28.6.2024), auf den für die Kreditvermittlung relevanten § 136e Abs. 4 GewO.

Dort steht: „Ein ungebundener Kreditvermittler darf sich im Geschäftsverkehr als ‚unabhängiger Kreditmakler‘ bezeichnen, wenn er keinerlei Vergütung von einem oder mehreren Kreditgebern erhält oder die Zahl der vom ungebundenen Kreditvermittler einbezogenen Kreditgeber auf dem Markt eine Mehrheit darstellt.“

Diese Bestimmung könnte Perner zufolge ein Vorbild für eine mögliche Regelung für die Versicherungsmakler abgeben – zumindest hinsichtlich der Passage über die Vergütung; denn die Passage über die „Mehrheit der Anbieter“ erachtet er für eine Eins-zu-eins-Übernahme in den Maklerbereich als „zu liberal“.

Agent und Makler, ins RIS-Muster „eingepasst“

Österreichisches und europäisches Vermittlerbild gemäß RIS in Einklang gebracht, ergäbe sich laut Perner unter dem Strich Folgendes:

  • gebunden = Einfachagent (mit Provision),
  • ungebunden = der „jetzige“ Versicherungsmakler (mit Provision) und
  • unabhängig = unabhängiger Versicherungsmakler (keine Provision)

Ein „echter Mehrfachagent“, also ein gebundener Agent mit mehreren Agenturen, wäre nach diesem Raster schwer von einem ungebundenen Versicherungsmakler mit Rahmenvereinbarung zu unterscheiden, gab Perner zu bedenken.

Zwei rechtlich unterschiedliche, praktisch aber sehr ähnliche Vermittlerarten – das würde den Markt „überfordern“, so Perners Schlussfolgerung. Für den „echten Mehrfachagenten“ bestehe in diesem Modell auch keine Notwendigkeit.

Und der Berater in Versicherungsangelegenheiten?

Und gäbe es noch eine Notwendigkeit für den „Berater in Versicherungsangelegenheiten“? Nach diesem Muster rechtlich nicht unbedingt, weil auch der unabhängige Versicherungsmakler dessen Tätigkeitsumfang einschließen würde.

Letzten Endes wäre es also eher eine standespolitische Entscheidung, ob der Berater in Versicherungsangelegenheiten als eine eigene Form der Beratung weiterbesteht, meint Perner. Wenn der Markt danach verlange, könnte sie beibehalten werden.

Einen Ansatz für solche Überlegungen biete das erst vor wenigen Wochen ergangene Urteil 2Ob104/25w des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom 29. Juli 2025 (VersicherungsJournal 18.8.2025).

Darin hatte das Höchstgericht entschieden: Notwendige und zweckentsprechende Kosten eines Geschädigten, die bei außerprozessualer Einschaltung eines Beraters in Versicherungsangelegenheiten im Rahmen dessen gewerberechtlicher Befugnisse anfallen, sind als Schadenersatzansprüche zu behandeln.

 
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