9.9.2025 – Geopolitische Spannungen, Protektionismus, drohende Fragmentierung, Cybergefahren, Klimawandel, Naturkatastrophen, makroökonomisches Umfeld: Dieser Mix schafft zunehmende Unsicherheit und macht Risikobewertung immer komplexer, betonen Rückversicherer. Swiss Re hält ein „ganzheitliches Risikoverständnis“ und „diszipliniertes Underwriting“ für geboten. Munich Re sieht den Rückversicherungsmarkt von zunehmenden Risiken und hoher Nachfrage geprägt und erwartet „ein Marktumfeld, das attraktive Geschäftsmöglichkeiten bietet“.
Jedes Jahr um diese Zeit findet sich die internationale Rückversicherungsbranche in Monte Carlo zum „Rendez-vous de Septembre“ ein. Das Treffen steht unter dem Eindruck eines Umfeldes, das von mehreren Faktoren geprägt wird.
„Geopolitische Risiken sowie damit teilweise verbundene makroökonomische Effekte sorgen für zunehmende Unsicherheiten“, stellte Munich Re am Sonntag in einer Aussendung fest.
„Inflationsraten und Zölle sind volatiler und unberechenbarer geworden, das heißt es wird auf absehbare Zeit steigenden Bedarf geben, sich gegen daraus resultierende Risken abzusichern.“
Das Risikomanagement sei zudem stärker durch Schäden aus Naturgefahren gefordert, die global weiter im Steigen begriffen seien. „Seit 2020 liegen die versicherten Schäden regelmäßig über 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Allein im ersten Halbjahr 2025 betrugen diese 80 Milliarden US-Dollar“, ruft Munich Re in Erinnerung.
Neben sehr großen Naturkatastrophen stelle zunehmend eine hohe Anzahl mittlerer Schadenereignisse ein großes Risiko dar – Ereignisse wie schwere Gewitter, Starkregen, Überschwemmungen und Waldbrände, „deren Frequenz und Intensität zunehmen und in der Summe zu sehr hohen Schäden führen“.
Munich Re attestiert der Versicherungsbranche aber ein „robustes und wachsendes Kapitalniveau“: Im Schnitt sei das traditionelle Rückversicherungskapital in den letzten acht Jahren um zirka 5,6 Prozent pro Jahr gestiegen. „Dabei war kein materieller Kapitalzufluss von neuen Marktteilnehmern festzustellen.“
Munich Re habe die Bereitstellung von Natkat-Deckungen für ihre Kunden in diesem Zeitraum kontinuierlich erhöht, um die steigende Nachfrage zu bedienen. „Dem Risiko angemessene Preise sind hierfür die Voraussetzung.“ Mit dem Anstieg der zu versichernden Werte werde der Markt weiterwachsen; der Klimawandel verändere Gefahrenmuster, Häufigkeit und Intensität der Ereignisse.
Vorstandsmitglied Stefan Golling lobt die Kapitalstärke des Unternehmens: „Selbst nach einem Mega-Ereignis wie einem sehr starken Hurrikan, mit einem noch nicht gesehenen versicherten Marktschaden von weit über 100 Milliarden US-Dollar würde unsere Solvenzquote weiterhin deutlich über dem oberen Wert unseres Zielkorridors von 220 Prozent liegen.“
Mit Blick auf Cyberrisiken merkt Munich Re an, dass der Abschluss einer Versicherung noch häufig von Entscheidungsträgern verschoben werde – „trotz hoher Schäden weltweit, der Abhängigkeit von kritischen Lieferketten und einer steigenden Risikowahrnehmung“ aus Seiten der Manager.
Dennoch rechnen die Münchener mit einer steigenden Kurve für den Cyberversicherungsmarkt: „Auf Sicht erwartet Munich Re einen weiter wachsenden Markt mit einer Verdopplung der Prämien auf rund 30 Milliarden US-Dollar bis 2030.“
Munich Re fokussiere sich mittelfristig auf die „strategische Expansion eines gut diversifizierten, profitablen Portfolios mit selektivem Risikoappetit und einem Schwerpunkt auf kleinere und mittlere Unternehmen“.
„Der Rückversicherungsmarkt ist global von anhaltend zunehmenden Risiken und hoher Nachfrage geprägt“, fasst Vorstandsmitglied Thomas Blunck zusammen.
Für die Jänner-Erneuerung, so Blunck weiter, „erwarten wir weiterhin ein Marktumfeld, das attraktive Geschäftsmöglichkeiten bietet. Insgesamt sollten die angebotene Kapazität und die weiter steigende Nachfrage in einer guten Balance liegen“.
Munich Re will jedenfalls „weiterhin konsequent auf risikoadäquate Preise und Bedingungen achten“.
Swiss Re beschreibt die politische Großwetterlage, durch die die (Rück-)Versicherungswirtschaft navigieren muss, wenig überraschend ganz ähnlich.
„Geopolitische Spannungen, protektionistische Maßnahmen und wirtschaftliche Veränderungen führen zu einem Wandel der globalen Lieferketten, höheren Kosten, verstärkter Unsicherheit und der erhöhten Gefahr einer langfristigen Fragmentierung“, stellen die Schweizer fest. Darüber hinaus nähmen Streiks, Aufstände und zivile Unruhen weltweit zu.
Der (Rück-)Versicherungsmarkt sei infolgedessen mit Volatilität und komplexerer Risikobewertung konfrontiert. Wichtig sei, „ein ganzheitliches Risikoverständnis zu entwickeln und den Fokus auf Kumulmanagement und diszipliniertes Underwriting zu legen, um das derzeitige unsichere geopolitische Umfeld zu meistern“.
Als eine „Hauptsorge der Branche“ gelten „nach wie vor die zunehmenden Auswirkungen extremer Wetterereignisse“, hält Swiss Re in ihrer am Montag veröffentlichten Stellungnahme außerdem fest.
Nicht nur, dass „die Kombination aus Wirtschaftswachstum, Schadeninflation und intensiveren Gefahren“ in den letzten Jahren zu versicherten Natkat-Schäden von „weit über 100 Milliarden US-Dollar“ geführt hätten – sie habe es auch wahrscheinlicher werden lassen, dass dieser Wert auf 200 oder in einem Spitzenjahr sogar auf 300?Milliarden Dollar steige.
Für den Schweizer Rückversicherer verdeutlicht das die Notwendigkeit von Prävention, etwa durch bessere Raumplanung, Bauvorschriften und Risikomodelle. Auch „starke Partnerschaften“ zwischen privatem und öffentlichem Sektor seien entscheidend.
„Eine Gelegenheit zur Transformation, die über die ursprünglichen Erwartungen hinausgeht“, sieht Swiss Re für die Versicherungsbranche in der künstlichen Intelligenz.
Wenn in einer Branche wie der Versicherungswirtschaft die meisten Informationen „in E-Mails, Antragsformularen, Verträgen und Schadensakten“ zu finden seien, so sei die Fähigkeit, unstrukturierte Daten zu verarbeiten und daraus zu lernen, kein bloßes technisches Ziel, sondern Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit.
Künstliche Intelligenz wird nach Ansicht der Swiss Re eine Schlüsselrolle bei der weiteren Verbesserung von Risikobewertung und Underwriting-Qualität spielen.
„Angesichts der zunehmenden Risiken werden Daten noch bedeutsamer werden“, sagt Gianfranco Lot, Chief Underwriting Officer P&C Reinsurance. „Sie sind die Basis für das gesamte Risiko- und Kumulmanagement, und die KI wird ein Game-Changer sein.“
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