Kritik an der Kritik am Provisionssystem

10.11.2023 – Die Zukunft des Vertriebs in der Lebensversicherung stand im Mittelpunkt der diesjährigen Herbstveranstaltung des Instituts für Versicherungswirtschaft an der JKU Linz. Hintergrund: die geplante Kleinanlegerstrategie und die geplanten partiellen Provisionsverbote. (Bild: Institut für Versicherungswirtschaft)

Das Institut für Versicherungswirtschaft an der Johannes-Kepler-Universität Linz hat sich bei seiner diesjährigen Herbstveranstaltung am Donnerstag mit der „Zukunft des Vertriebes in der Lebensversicherung“ auseinandergesetzt.

Im Fokus stand dabei die derzeit in politischer Diskussion befindliche EU-Kleinanlegerstrategie (VersicherungsJournal 25.5.2023 [Entwurf], 7.6., 18.7. 30.8., 4.9. [Reaktionen], 11.9., 11.9., 11.9., 11.9. [Expertentreffen Versicherungsmakler], 15.9. [Gutachten], 11.10. [parlamentarische Anfrage], 12.10. [EP-Ausschuss]).

Zu den umstrittenen Elementen im Entwurf der EU-Kommission zur „Retail Investment Strategy“ (RIS) zählen insbesondere die vorgeschlagenen partiellen Provisionsverbote, aber auch etwa Benchmarks für Produktkosten, die ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gewährleisten sollen.

Nagl: Provisionen bewährtes System

„Provisionen sind in Österreich ein bewährtes System, um Beratungs- und Vertriebsleistungen zu vergüten“, sagt Othmar Nagl, Vorsitzender des Instituts und Generaldirektor der Oberösterreichischen Versicherung AG.

Dieter Pscheidl, Head of European-Affairs bei der Vienna Insurance Group AG (VIG), wird in dem Bericht zur Veranstaltung mit den Worten zitiert: „Sozial verträgliche Beratung bringt Privatanleger zum Kapitalmarkt - nicht zentrale EU-Produktregulierung.“

„Überbordend“

Othmar Nagl (Vorsitzender des Instituts für Versicherungswirtschaft und Generaldirektor der Oberösterreichischen), Susanne Hofer (VVO), Dieter Pscheidl (VIG) und Martin Berger (Generalsekretär des Instituts) (Bild: Institut für Versicherungswirtschaft)
V.l.n.r.: Othmar Nagl (Vorsitzender des Instituts für Versicherungswirtschaft
und Generaldirektor der Oberösterreichischen), Susanne Hofer (VVO),
Dieter Pscheidl (VIG) und Martin Berger (Generalsekretär des Instituts)
(Bild: Institut für Versicherungswirtschaft). Zum Vergrößern Bild anklicken.

Susanne Hofer, die im Versicherungsverband (VVO) für internationale Angelegenheiten zuständig ist, sprach laut der Mitteilung davon, dass der Entwurf Vorschläge beinhalte, „die das Angebot und die Gestaltung von Lebensversicherungsprodukten überbordend regulieren“.

Sollte die RIS in der derzeitigen Form beschlossen werden, würde dies „zu einer erheblichen Schwächung der privaten Altersvorsorge und der individuellen Absicherung“ führen, meint Hofer und sieht „disruptive Folgen für den flächendeckenden bzw. niederschwelligen Zugang“ zum Versicherungsschutz.

Und: „Überregulierung und Markteingriffe, wie die Einführung von indirekten Preisdeckeln, sowie durch Einheitsprodukte laufen der Produktvielfalt und den Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes zuwider.“

Geringe Zahlungsbereitschaft

„Durch Preis- beziehungsweise Kostendeckel und Provisionsverbote wird der Markt auf wenige Vertreiber und Produkte eingeschränkt“, übte auch Martin Berger, Generalsekretär des Instituts für Versicherungswirtschaft, Kritik.

Zudem sei die Bereitschaft von Anlegern gering, unabhängig von einem Abschluss für eine Beratung zu Kapitalanlageprodukten Honorare zu bezahlen.

Es sei vielmehr zu befürchten, dass Kleinanleger „auf unregulierte und nicht steuerbare Medien“ ausweichen und auf Basis dieser „kostenfreien Meinungsbildung in sozialen Netzwerken“ ihre Kapitalanlageentscheidungen treffen.

Skepsis gegenüber „Neudefinition“ des Maklers

Die Definition des Versicherungsmaklers neu zu überdenken (VersicherungsJournal 11.9.2023) „und die ‚Unabhängigkeit‘ wegzuargumentieren, erachte ich angesichts der in der Retail Investment Strategy enthaltenen Review-Clause als risikoreiche Abkürzung“, meint Berger.

Denn eine EU-Richtlinie, die faktisch den Markt nicht trifft, verfehle zwangsläufig den Kommissionswunsch und könne „in Folge zu einem vollständigen Provisionsverbot für alle Vertriebswege führen“.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Altersvorsorge · IDD · Lebensversicherung · Provision · Vermittlerrichtlinie · Versicherungsmakler
 
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