19.9.2024 – Die Wiener Städtische beziffert die versicherten Unwetterschäden in einer ersten Schätzung mit bis zu 100 Millionen Euro. Der ÖVM fordert eine Reform des Katastrophenfonds und eine verpflichtende Elementarversicherung. Die Regierung kündigte eine Aufstockung des Katastrophenfonds an, die FPÖ forderte einen Rechtsanspruch auf Entschädigungen. Die SPÖ will einheitliche Regeln für die Unterstützung aus dem Katastrophenfonds; es dürfe nicht von der „Kulanz“ von Politikern oder Versicherungen abhängen, ob jemandem geholfen wird.
Die Wiener Städtische Versicherung AG hat am Mittwoch eine erste Schätzung zu den Unwetterschäden der vergangenen Tage veröffentlicht.
Das Unternehmen spricht von Verwüstungen enormen Ausmaßes infolge von Überschwemmungen, Hochwasser sowie Vermurung. Im Bergland habe Schneefall zu erschwerten Bedingungen geführt.
Besonders betroffen sei Niederösterreich, aber auch Wien, Teile Oberösterreichs, der Steiermark und des Burgenlands wurden in Mitleidenschaft gezogen, so die Städtische.
„Das gesamte Schadensausmaß ist noch nicht exakt bezifferbar, wir rechnen derzeit aufgrund der Erfahrungswerte der Vergangenheit mit einem Volumen zwischen 80 und 100 Millionen Euro“, sagt Vorstandsdirektorin Doris Wendler.
„Damit ist dieses Hochwasser in Kombination mit den Sturmböen eines der größten Naturkatastrophenereignisse unserer Unternehmensgeschichte. In den vier Tagen des Unwetters war der Schaden so hoch wie durchschnittlich in einem gesamten Jahr.“
Der Österreichische Versicherungsmaklerring (ÖVM) forderte am Mittwoch: „Anstatt ausschließlich auf den Katastrophenfonds zu setzen, sollte eine kombinierte Lösung ins Auge gefasst werden, die private und öffentliche Mittel bündelt und den Fokus auf Prävention legt.“
Der Katastrophenfonds stoße zunehmend an seine Grenzen. Seine Finanzierung hänge zudem stark von politischen Entscheidungen und jährlichen Budgetverhandlungen ab. „In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit kann dies zu Kürzungen führen, die die Wirksamkeit des Fonds weiter einschränken.“
Viele Betroffene müssten monatelang auf Entschädigungen warten, die in der Regel nur einen kleinen Teil des Schadens ausgleichen, kritisiert der ÖVM. Hinzukomme, dass auf Leistungen aus dem Katastrophenfonds kein Rechtsanspruch bestehe. Dies verursache Unsicherheit.
Der ÖVM vermisst am Katastrophenfonds auch eine präventive Wirkung. Er berge keine Anreize für Einzelpersonen und Unternehmen, in Präventionsmaßnahmen zu investieren.
„Wer darauf vertraut, dass der Staat im Schadensfall einspringt, sieht möglicherweise keine Notwendigkeit, selbst Vorkehrungen zu treffen.“
Die Einführung einer Elementarversicherung ist keine Mehrbelastung, sondern eine notwendige Anpassung an die Realitäten unserer Zeit.
Österreichischer Versicherungsmaklerring
Eine Elementarversicherung könnte diese Lücke schließen und durch Prämienanreize eine breitere Risikovorsorge fördern, meint man beim ÖVM. Das sei langfristig auch günstiger und effektiver als reine Schadensersatzzahlungen.
Eine verpflichtende Elementarversicherung für die Haushalte könnte den Katastrophenfonds entlasten „und gleichzeitig sicherstellen, dass Betroffene schnell und angemessen entschädigt werden“.
In einem einem solchen Modell könnten Prämien zudem besser kalkuliert und verteilt werden. Das bedeute am Ende auch geringere Kosten für den Einzelnen.
„Durch eine Zusammenarbeit zwischen Staat und Versicherungswirtschaft könnten neue Standards gesetzt werden, die allen zugutekommen.“
Der Nationalrat befasste sich am Mittwoch mit der Hochwasserkatastrophe der letzten Tage. Hier stand unter anderem der Katastrophenfonds im Mittelpunkt. Dieser soll auf eine Milliarde Euro aufgestockt, wie es seitens der Bundesregierung hieß.
Für Menschen, die vorübergehend oder länger ihr Zuhause nicht bewohnen können, werde zudem der „Wohnschirm“ geöffnet. Hierfür sind zusätzliche 40 Millionen Euro vorgesehen.
Kosten, die durch die Beseitigung der Schäden und zur Durchführung von Reparaturen anfallen, sollen steuerlich absetzbar werden, lautet eine der weiteren angekündigten Maßnahmen. Auch zusätzliche Mittel für den Hochwasserschutz soll es geben.
Die FPÖ stellte den Antrag, einen Rechtsanspruch auf umfassende Entschädigung aus Bundesmitteln für Betroffene von Katastrophenschäden einzuräumen. Er blieb in der Minderheit.
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker bezeichnete den von der FPÖ vorgeschlagenen Rechtsanspruch als „Scheinlösung“. Sie würde lediglich gerichtliche Verfahren ermöglichen, die lange dauerten und an deren Ende die Geschädigten auch leer ausgehen könnten.
Wichtig sei vielmehr, vorausschauende Maßnahmen zu setzen und die Resilienz in allen Bereichen zu erhöhen.
SPÖ-Klubobmann Philip Kucher sprach sich für ein österreichweites „Gesamtpaket“ für die Ausstattung von Feuerwehren und den Hochwasserschutz aus.
Es sei auch „dringend notwendig, dass wir die Abwicklung und die Unterstützung aus dem Katastrophenfonds endlich vereinheitlichen“.
Es dürfe nicht von der „Kulanz“ von Politikern oder Versicherungen abhängen, ob jemandem geholfen wird oder nicht. Er wolle auch nicht, dass in Zukunft „Menschen allein gelassen werden im Kampf gegen Versicherungen, die vielleicht nicht zahlen“.
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