23.5.2023 – Naturereignisse nähmen zu, der Schadenaufwand der Versicherer sei inzwischen auf bis zu eine Milliarde Euro pro Jahr angewachsen, heißt es aus dem Versicherungsverband. Er plädiert für die gesetzliche Integration einer Natkat-Deckung in die Feuerversicherung. Einer KFV-Umfrage zufolge hat die „Wahrnehmung“ der Natkat-Problematik über die Jahre zugenommen, ein größeres Umdenken sei damit aber nicht einhergegangen.
Eine dramatische Zunahme an Naturereignissen sei zu beobachten, mit einer weiteren Zunahme zu rechnen. Das sagte Klaus Scheitegel, Vizepräsident des Versicherungsverbandes (VVO) am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von VVO und Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV)
„Aber die Versicherungslösung, die der Österreicher kaufen kann, ist leider Gottes unbefriedigend, speziell im Bereich Erdbeben und Hochwasser“, so Scheitegel weiter. Weil es sich um Kumulereignisse, bei denen „eine nicht kalkulierbare Anzahl von Schäden die Folge ist“, seien die Deckungen limitiert.
Das Jahrhunderthochwasser von 2002 habe versicherte Schäden in einer Dimension von 300 bis 400 Millionen Euro verursacht, merkt VVO-Generalsekretär Christian Eltner an. Inzwischen sei es so, dass sich ähnliche Ereignisse alle paar Jahre, wenn nicht überhaupt jährlich wiederholen.
Zuletzt sei das Volumen der versicherten Schäden auf bis zu einer Milliarde pro Jahr angewachsen, berichtete Eltner. Scheitegel bekräftigte deshalb den Wunsch der Versicherungswirtschaft nach politischer Unterstützung.
In der EU gebe es unterschiedliche Modelle, sagte Scheitegel. Der VVO selbst plädiert für eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes mit dem Ziel: „Dort, wo eine Feuerversicherung verkauft wird, wird diese Natkat-Deckung mitverkauft.“
So soll eine negative Risikoselektion ausgeschaltet werden, da verschiedene Naturgefahren – Schneedruck, Hochwasser, Sturm, Erdbeben – die einzelnen Regionen Österreichs unterschiedlich beträfen.
Die Natkat-Versicherung solle in die Feuerversicherung eingeschlossen werden, weil sie eine weitverbreitete Versicherungsart sei. Auf diese Weise würden auch die öffentlichen Katastrophenfonds entlastet, argumentiert der VVO-Vizepräsident.
Je nach gewählter Selbstbehaltsvariante würde sich durch die Integration der Natkat- in die Feuerversicherung für letztere eine Prämienerhöhung von 10 bis 15 Prozent ergeben, umriss Scheitegel die Auswirkungen auf den Preis für die Endkunden.
Nun fordert der VVO bekanntlich nicht erst seit heute eine politische Lösung, entsprechende Vorschläge werden seit vielen Jahren immer wieder thematisiert.
Scheitegel gab sich dennoch zuversichtlich, mit der Politik konkrete Diskussionen über einen zielführenden Versicherungsschutz führen zu können. Es gebe bereits „Hintergrundgespräche“, die „einen gewissen Optimismus generieren“.
Auch Eltner geht davon aus, dass es hier zu Bewegung kommen wird, allein deshalb, weil die Häufigkeit von Naturereignissen zunehme und dadurch der Druck, eine Lösung zu finden, steige.
Gestiegen ist laut KFV-Direktor Christian Schimanofsky in den letzten Jahren auch die „Wahrnehmung“ der Bevölkerung in Sachen Naturgefahren. Das zeige der seit 2013 erstellte „Naturgefahren-Monitor“ des KFV.
Die im Februar 2023 unter 1.211 Personen durchgeführte Umfrage zeige aber auch, dass „das notwendige Umdenken“ in der Bevölkerung noch nicht stattgefunden habe.
Zwar rechneten aktuell 80 Prozent damit, dass sich die Problematik „Naturgefahren“ verstärken wird. Allerdings glaube nur die Hälfte, selbst direkt betroffen zu sein.
Mehr als die Hälfte der Befragten (62 Prozent) vertrete den Standpunkt, dass die Verantwortung für den Umgang mit diesem Problem bei den Behörden liege.
Im internationalen Vergleich werde sichtbar, dass die Bereitschaft zur Eigenvorsorge in Österreich „immer noch zu gering ausgeprägt ist“, kommentierte Schimanofsky.
Weniger als die Hälfte fühle sich in Bezug auf Prävention gut informiert, und nur jeder Zweite kenne die Bedeutung von Zivilschutzalarmen oder wissen, was bei einem Alarm zu tun ist.
In der Umfrage angegebene Schäden betreffen Freiflächen (44 Prozent) oder unmittelbar Haus und Wohnung (39 Prozent). Die Studie zeigt laut KFV auch, dass Eigeninitiative und Prävention „sehr wirksame Mittel“ seien. Schimanofsky: „Fast alle Personen, die bei einer Unwetterwarnung aktiv geworden sind, konnten auch tatsächlich Schäden verhindern.“
In Österreich nahm in den letzten Jahrzehnten die Anzahl der Tage mit sehr großen Regenmengen im Sommer um rund 30 Prozent zu, goss Marc Olefs, Leiter der Klima-Folgen-Forschung bei Geosphere Austria, eine der Folgen des Klimawandels in Zahlen. Tage mit wenig Regen seien hingegen seltener geworden.
Hier bestehe ein direkter Zusammenhang mit der Erderwärmung. „Denn pro Grad Erwärmung kann die Atmosphäre sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen, bei Gewittern sogar bis zu 15 Prozent mehr.“
Gewitter enthielten also immer mehr Wasser, was eine labileren Luftschichtung zur Folge habe und somit „mehr Energie für kleinräumige Unwetter mit Schadenspotenzial“ bereitstelle, sprich Starkregen, Hagel, Sturmböen.
Insbesondere nördlich und südlich des Alpenhauptkamms habe sich die Wahrscheinlichkeit für Starkregen bereits jetzt signifikant erhöht.
Weil Herbst und Frühjahr immer wärmer werden, so Olefs, dehne sich auch die Gewittersaison aus. In Zukunft sei deshalb auch „in den Randzeiten im Frühjahr und im Herbst“ häufiger mit einer Gefährdung zu rechnen.
„Bei Einhaltung der Pariser Klimaziele könnten sich diese Entwicklungen auf dem aktuellen Niveau einpendeln“, so Olefs. „Bei einem weiterhin steigenden Ausstoß an Treibhausgasen sind weitreichende Änderungen bei den extremen Wetterereignissen zu erwarten.“
Die Pressekonferenz kann auf streaming.at nachgesehen werden.
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