20.10.2025 – Wenn der Staat private Vorsorge fördert, entstehen zwar jetzt höhere Kosten, langfristig sei der Nutzen aber höher, weil das Risiko auf private Versicherungen abgewälzt wird. Insgesamt könnte mit steuerlichen Anreizen die bestehende Versorgungslücke ein Stück weit geschlossen werden. Das waren einige der Kernaussagen einer Podiumsdiskussion der Afpa zum Thema „Persönliche Vorsorge“
Der diesjährige „Marktdialog“ des Verbandes der österreichischen Finanz- und Versicherungsprofessionisten (Afpa) stand unter dem Motto „Persönliche Vorsorge in einer alternden Gesellschaft: Sind steuerliche Anreize eine Lösung?“
Nach zwei einführenden Vorträgen (VersicherungsJournal 16.10.2025 und 17.10.2025) wurde in einer Podiumsdiskussion versucht herauszufinden, welche Wirkung steuerliche Anreize haben, was dabei zu berücksichtigen ist und woran eine Umsetzung scheitert.
Zur Frage, ob es eine Versorgungslücke in Österreich gibt, betonte Ulrike Weiß, Leiterin Konsumentenschutz in der Arbeiterkammer Oberösterreich, dass „die Versorgung aus der Solidargemeinschaft zumindest jetzt noch zum großen Teil gegeben“ sei.
Bei der privaten Vorsorge bestehe aber „Luft nach oben“, so Weiß. Die Ursache dafür liege „im Finanziellen insgesamt“. Unsere finanziellen Mittel seien nicht unbegrenzt, viele könnten sich daher nicht versichern.
Manche könnten es zwar, wollen aber nicht, so Weiß. Dies habe einerseits psychologische Gründe, andererseits würden viele die solidarische Absicherung für das Leben als ausreichend erachten. Andere wieder würden „Vogel Strauß“ spielen und hoffen, dass alles gut gehen wird.
Versicherungen seien zwar nicht „sexy“, so Versicherungsmakler Michael Herzhofer, Afpa-Obmann und Geschäftsführer der Secura GmbH, Mit einem Absetzbetrag könnte der Staat aber private Vorsorge unterstützen und das Risikobewusstsein auch der jüngeren Generation erhöhen.
Ob dies wirken würde, sei gar nicht so leicht herauszufinden, erläuterte Sohbat Singh Dhanju, Tax & Audit Manager in der NWT Wirtschaftsprüfung & Steuerberatung GmbH. Es gebe keinen Vergleichswert, man wisse nicht, wie viele Versicherungen es ohne Anreize gegeben hätte.
Andererseits zeige sich in anderen Ländern, dass genau in jene Altersvorsorge investiert wird, die gefördert wird. Mit einem Incentive könnte man vielleicht Menschen überzeugen, in die private Altersvorsorge zu investieren.
Wenn der Staat private Vorsorge fördert, entstehen zwar jetzt Kosten, betonte Herzhofer. In Zukunft aber würde der Staat Kosten einsparen, weil das Risiko auf die private Versicherung abgewälzt wird: „Es entsteht ein exorbitant höherer Nutzen als die anfänglichen Kosten.“
Weiß sieht dies kritisch: „Natürlich ist das eine gewisse Umverteilung, weil nur, wenn ich Einkommensteuer bezahle, kann ich auch bei den Steuern sparen.“ Man dürfe aber in der Diskussion nicht vergessen, dass ein großer Teil der Bevölkerung nicht 70 oder 90 Euro im Monat weglegen könne.
Jene, die es sich leisten können, würden allerdings auf steuerliche Anreize anspringen. Bei allen geförderten Produkten sollte es aber „in irgendeiner Form eine Begrenzung der Kosten dieser Produkte geben“, so Weiß. Sonst bestehe die Gefahr, dass „jede Steuererleichterung einfach in die Kosten eingeht“.
Zur Frage, warum Versicherungsbeiträge nicht absetzbar sind, Kirchensteuer oder ÖGB-Beitrag aber sehr wohl, erklärte Dhanju, es habe immer einen politischen Grund, warum gewisse Sachen begünstigt werden und andere nicht: „Steuern haben in Österreich einen Lenkungseffekt.“
Würde man beispielsweise die „Topf-Sonderausgaben“ wieder einführen und neben Versicherungen auch andere Vorsorgeprodukte wie ein Kapitalanlage-Depot oder auch ein Eigenheim einschließen, würde dies „natürlich Anklang finden“. Und es gebe dabei auch steuerliche Lenkungsmöglichkeiten.
Es gebe sehr wohl staatliche Förderungen, verweist Weiß auf die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge. Diese sei allerdings ein schlechtes Produkt, weil sie nicht dazu gedacht war, die Bedürfnisse der Konsumenten zu treffen, sondern die Börse zu aktivieren.
Dazu komme, dass jede steuerliche Begünstigung und jede Förderung Geld von Steuerzahlern sei. Es sei ihr unerklärlich, „warum wir das Geld von den Steuerzahlern in ein so unintelligentes Produkt investieren sollten“. Konsumentenschützer hätten schon seit 2003 Lösungsvorschläge gemacht.
Auch Gerhard Danler, Geschäftsführer der Moser Danler Betriebliche Vorsorge GmbH, glaubt, dass die Vorschriften, die Börse zu fördern, die lokalen Einschränkungen und die Garantie die Probleme der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge verursacht haben.
In der betrieblichen Vorsorge sei es das Problem, dass Arbeitnehmer nicht wie in Deutschland einen Rechtsanspruch darauf haben, dass ein Teil ihres Entgelts umgewandelt wird. Nur dann könne der Einzelne entscheiden, was er für seine Vorsorge tut, erläuterte Danler.
Der im Regierungsprogramm vorgesehene „General-Pensionskassenvertrag“ bringe keinen neuen Beitrag in das System. Es gehe dabei nur um die Verwendungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer. Die Idee sei zwar grundsätzlich gut, aber auch politisch motiviert.
Aus versicherungsmathematischer Sicht wünscht sich Danler zumindest eine Anpassung der Versicherungssteuer, weil es eine Ungleichheit zwischen Versicherungen und Pensionskassen gebe.
Dhanju erinnert daran, dass die Versicherungssteuer „im Endeffekt“ eine reine Verkehrssteuer ist, die gleich beim Beginn des Produkts anfällt. Das Problem sei, dass man dadurch mit einem geringeren Betrag anzusparen beginnt und damit auch der Zinseszins-Effekt geringer ist.
Und auch eine Steuerbefreiung ab einer gewissen Behaltefrist sei sinnvoll. Natürlich entgehe dem Staat im ersten Schritt die KESt, langfristig würde es sich aber rentieren. Man müsse Vorsorge nicht komplett steuerfrei stellen, könnte sie aber begünstigter besteuern.
Für die Menschen wäre dies ein Motivator, in Kapitalvermögen – seien es Versicherungen, Aktien oder was auch immer – zu investieren. Und weil ihnen dadurch mehr überbleiben würde, würde indirekt der Konsum gefördert werden und mehr Umsatzsteuer in den Staatshaushalt fließen.
Der frühere Afpa-Obmann und nunmehrige Afpa-EU-Mann in Brüssel Johannes Muschik ging auf die Initiative für die Spar- und Investment-Union ein. Diese ziele darauf ab, dass private Vorsorge gefördert werden soll.
So gebe es einen Entwurf für ein europäisches Spar- und Investmentkonto, für dessen Umsetzung es gute Chancen gebe, so Muschik. Dieses Investitionskonto könnte dann mit einer eingeschränkten Palette von Kapitalmarktprodukten bestückt werden.
So lange auf diesem Konto angespart wird, würde der Staat die Vorgabe bekommen, dass alles, was dort angelegt ist, mit der günstigsten Steuerklasse besteuert werden muss. Muschik: „Der Nationalstaat hat dann kein Schlupfloch mehr.“
Dieses Produkt wäre sinnvoll, aber nur unter der Voraussetzung, dass es wirklich für die Altersvorsorge genutzt wird. Es müsse zweckgebunden sein, eine Entnahme „vielleicht für eine Urlaubsreise“ nicht möglich sein.
Die Diskussion habe gezeigt, dass steuerliche Anreize eine gute Lösung sind, um den Protection Gap ein Stück weit zu schließen, betonte Herzhofer.
Zum einen werde die Gesellschaft durch die Risikoübernahme durch die Versicherer entlastet. Gleichzeitig würden es steuerliche Erleichterungen ermöglichen, dass für den Einzelnen Vorsorge leistbarer wird.
Der Staat würde zwar zu Beginn auf einen Teil seiner Steuereinnahmen verzichten, in Zukunft aber dadurch profitieren, dass er Menschen in Not nicht so stark unter die Arme greifen muss, wie es jetzt der Fall sei: „Also eine Win-Win-Situation für alle Teile der Gesellschaft“, so Herzhofer abschließend.
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