Versicherungsbetrug: Ein Berufsdetektiv plaudert aus der Schule

21.8.2025 – Wenn Versicherungen Betrugsverdacht schöpfen und sich dieser nach einer internen Prüfung bestätigt, kommen häufig Berufsdetektive ins Spiel. Alexander Datzer, Pressesprecher des Österreichischen Detektivverbands und selbst Berufsdetektiv, spricht im Interview mit dem VersicherungsJournal über seine Erfahrungen und aktuelle Herausforderungen.

Berufsdetektiv Alexander Datzer (Bild: ERA.wien)
Berufsdetektiv Alexander Datzer
(Bild: ERA.wien)

Das VersicherungsJournal sprach mit Alexander Datzer, staatlich geprüfter Berufsdetektiv, Inhaber der Berufsdetektei ERA e.U. und Pressesprecher des Österreichischen Detektivverbands.

Wie es zu einem Betrugsverdacht kommt

VersicherungsJournal: Wie kommt es in der Praxis dazu, dass Versicherer einen Betrugsverdacht schöpfen?

Alexander Datzer: Aus meiner Erfahrung ergibt sich ein Betrugsverdacht in den meisten Fällen durch eine Kombination aus Erfahrung, Intuition und systematischen Prüfungen.

Auffällig werden beispielsweise Schadenmeldungen, bei denen Angaben lückenhaft oder widersprüchlich sind. Auch ein auffälliges Verhalten von Versicherten, wie etwa ungewöhnlich häufige und rasch aufeinanderfolgende Schadenmeldungen oder besonders detailreiche Anleitungen zur Schadenshöhe, macht oft stutzig.

Hinzu kommen Hinweise aus dem Umfeld, etwa wenn Mitarbeiter eines Unternehmens bestimmte Vorgänge hinterfragen. Der Einsatz von Datenanalysen hilft zusätzlich, Muster und Parallelen zu früheren Auffälligkeiten zu erkennen. Letztlich sind jedoch immer der kritische Blick und die gesunde Skepsis erfahrener Sachbearbeiter entscheidend.

Warum sich Versicherer an Detektive wenden

VersicherungsJournal: In welchen Fällen wenden sich Versicherer an einen Detektiv? In welcher Phase kommen Sie ins Spiel?

Datzer: Berufsdetektive werden meistens dann beauftragt, wenn der Verdacht eines Versicherungsbetrugs nach einer ersten internen Prüfung bestehen bleibt und der Sachverhalt genauer untersucht werden muss.

Typische Fälle betreffen etwa mutmaßlich fingierte Unfälle, vermutete vorgetäuschte Krankheit oder Erwerbsunfähigkeit oder beispielsweise unplausible Diebstähle oder Brandursachen.

Wir werden häufig tätig, sobald die Unterlagen und Aussagen der beteiligten Parteien widersprüchlich erscheinen oder wenn konkrete Spuren einer organisierten Betrugsabsicht auftauchen.

Unsere Aufgabe besteht darin, diskret zu recherchieren, Beobachtungen durchzuführen, Fakten zu sichern und die Gesamtsituation objektiv zu analysieren, damit der Versicherer eine fundierte Entscheidungsgrundlage erhält.

Betroffene Sparten

VersicherungsJournal: Welche Sparten sind besonders betroffen?

Datzer: Besonders häufig betroffen sind die Kfz-Versicherung, die Haushalts- und Eigenheimversicherung sowie Krankenzusatz- und Unfallversicherungen.

Im Bereich der Kraftfahrzeuge geht es vielfach um fingierte Unfälle oder manipulierte Schadensbilder. Bei Haushaltsversicherungen stehen fiktive Einbruchsdiebstähle oder überhöhte Schadenforderungen im Vordergrund.

Auch bei Berufsunfähigkeitsversicherungen und privaten Krankenversicherungen gibt es regelmäßig Versuche, Leistungen zu erschleichen. Je nach aktueller wirtschaftlicher Situation tendieren bestimmte Sparten auch dazu, anfälliger für Betrugsversuche zu werden.

Die Auswirkungen der Digitalisierung

VersicherungsJournal: Führt die vollautomatische Bearbeitung von Schadenfällen eher zu einem Anstieg oder einem Rückgang von Betrugsversuchen bzw. deren Entdeckung?

Datzer: Durch die Digitalisierung und Automatisierung werden Schadenfälle deutlich schneller abgewickelt, was grundsätzlich ein Vorteil für ehrliche Kunden ist. Allerdings nutzen Betrüger diese Geschwindigkeit mitunter für sich, da weniger Zeit für eine gründliche Überprüfung bleibt.

Auf der anderen Seite erlaubt die Digitalisierung, dass verdächtige Muster schneller erkannt werden, weil große Datenmengen gezielt ausgewertet werden können. In der Praxis habe ich beobachtet, dass sich Betrugsformen laufend an die neuen Prozesse anpassen.

Die Zahl der Betrugsversuche verändert sich dadurch nicht zwangsläufig, aber die Methoden werden raffinierter; die Entdeckungschancen steigen gleichzeitig durch die besseren technischen Auswertungsmöglichkeiten.

Mit künstlicher Intelligenz gegen Betrüger vorgehen

VersicherungsJournal: Welche Möglichkeiten bietet künstliche Intelligenz, um kriminelle Machenschaften zu entdecken?

Datzer: Im Alltag der Versicherungsbranche kommen mittlerweile vermehrt Systeme zum Einsatz, die Schadenmeldungen automatisiert prüfen. Über diese intelligenten Prüfverfahren lassen sich Auffälligkeiten, Muster oder Querverbindungen erheblich schneller erkennen, als es allein durch manuelle Sichtung möglich wäre.

Programme können beispielsweise Fotos und Dokumente plausibilisieren, vergleichen und Hinweise auf Manipulation finden. Auch werden häufig Netzwerke zwischen vermeintlich unabhängigen Schadenfällen sichtbar, wenn dieselben Adressen oder Kontaktpersonen immer wieder auftauchen.

Die technische Unterstützung beschleunigt die Arbeit und erhöht die Trefferquote bei der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten deutlich. Trotz aller Technik ist es aber weiterhin notwendig, dass erfahrene Mitarbeiter die letzten Entscheidungen auf Basis aller Fakten und Einschätzungen treffen.

Wie Betrüger künstliche Intelligenz nutzen

VersicherungsJournal: Welche Herausforderungen gibt es durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz durch Kriminelle?

Datzer: Die Möglichkeiten, Bilder, Dokumente oder sogar Videos täuschend echt zu fälschen, sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Heute ist es einfacher denn je, etwa mit Fotobearbeitungsschritten Schadensbilder nachträglich zu manipulieren oder sogar gefälschte Rechnungen zu erstellen.

Das erschwert die Beurteilung eines Schadenfalls für Versicherer wie für Ermittler erheblich. Zugleich beobachtet unsere Berufsgruppe vermehrt Versuche krimineller Organisationen, durch automatisierte Tools gezielt Schwachstellen bei der Schadenbearbeitung auszunutzen.

Für Ermittler ist es daher unerlässlich, sich ständig weiterzubilden, aktuelle Methoden zur Erkennung digitaler Manipulation zu kennen und regelmäßig mit IT-Experten zusammenzuarbeiten.

Lesen Sie morgen die interessantesten Fälle, zu deren Lösung Datzer beigetragen hat.

Das Interview führte

 
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