12.9.2024 – Eine neue, von VIG und Erste Stiftung bei Ecoaustria in Auftrag gegebene Studie soll die Grundlage für eine sachliche Diskussion über die künftige Struktur des österreichischen Pensionssystems bilden. Am Mittwoch wurden Details aus der Studie vorgestellt, die die Systeme von elf Ländern und die Rolle kapitalgedeckter Komponenten untersucht. Andreas Treichl und Hartwig Löger drängten auf rasches Handeln, Treichl hofft auf Ergebnisse eines breiten politischen Dialogs bereits 2025.
Österreich habe ein gutes Pensionssystem, es habe auch Fortschritte gemacht, sagte Andreas Treichl, Aufsichtsratsvorsitzender der Erste Stiftung, am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Hartwig Löger, dem Vorstandsvorsitzenden der Vienna Insurance Group AG.
Als Beispiele für solche Fortschritte nannte Treichl Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt oder die Angleichung des Pensionsantrittsalters von Männern und Frauen.
Es sei aber „nicht gut genug“, um langfristig generationengerecht zu bleiben. Und: Wenn man ein teures System habe, „will man kein gutes, sondern das beste“.
Treichl hält es deshalb für angezeigt, über die Struktur des Pensionssystems zu reden. Dies sei für die langfristige Wohlstandssicherung in Österreich nötig.
Es gehe um den Anstoß zu einer langfristigen, nachhaltigen Transformation, sagte Löger und betonte: Das staatliche Pensionssystem bilde die Basis, und es solle auch in Zukunft eine gesicherte Grundlage bieten.
Eine Grundlage für die angepeilte Diskussion über das Pensionssystem soll eine Studie bieten, die VIG und Erste Stiftung beim Institut Ecoaustria in Auftrag gegeben haben. Sie beleuchtet die Pensionssystem von elf europäischen Ländern.
Ecoaustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna skizzierte bei der Pressekonferenz in Wien Ergebnisse der Analyse. Sie schickte vorweg, langfristig werde das Verhältnis von Durchschnittspension zu Durchschnittslohn aufgrund des demographischen Wandels sinken: von 56 Prozent 2022 auf 47 Prozent 2050 und auf 45 Prozent 2070.
In der Untersuchung habe sich gezeigt, dass Länder, die kapitalgedeckte Komponenten in ihren Pensionssystemen haben, relativ zu den Pensionsausgaben deutlich höhere Ersatzraten vorzuweisen hätten, beispielsweise Dänemark oder die Niederlande.
Die Systeme in Europa sind dabei von Land zu Land durchaus unterschiedlich ausgestaltet.
Wie Köppl-Turyna weiter ausführte, seien die in dänischen und niederländischen Pensionskassen gelagerten Ersparnisse trotz Problemen in der Finanzkrise kräftig gestiegen, was sie an der Performance der Pensionskassen in drei Ländern festmachte.
So habe sich der Wert der Ersparnisse in Dänemark und den Niederlanden seit 2001 real mehr als verdoppelt. In Schweden sei er seit 2010 um 60 Prozent gestiegen. Die durchschnittliche reale Rendite bezifferte sie für Dänemark mit 4,6 Prozent pro Jahr, für die Niederlande mit 4,2 Prozent pro Jahr.
Kapitalmarktgetriebene Rückgänge in der Wertentwicklung – man denke an die Finanzkrise 2008 – würden in der Regel in kurzer Zeit wieder aufgeholt.
Es gebe Länder, die es schaffen, mit Hilfe kapitalgedeckter Komponenten langfristig eine höhere Leistungsfähigkeit zu erzielen als das österreichische System, fasste Löger als Succus der Studie zusammen.
Treichl hielt fest, die Studie zeige: Stärker auf den Kapitalmarkt zu setzen, bedeute keine Spekulation, und Staaten, die stärker auf den Kapitalmarkt setzen, seien keine Spekulanten. „Es geht um Langfristigkeit.“
Zu der häufig am österreichischen Pensionskassensystem geübten Kritik sagte er, die zweite Säule sei das Ergebnis eines Kompromisses, den nicht alle haben wollten. Über eine Verbesserung der zweiten Säule könne man reden.
Ein bestimmtes Modell wollten Treichl und Löger aber nicht vorschlagen. Es wäre ein Fehler, vorgefertigte Lösungen auf den Tisch zu legen, meinte Treichl.
Es gehe vielmehr darum, eine Diskussion in Gang zu bringen und sich anzusehen, inwieweit man sich an anderen Ländern ein Beispiel nehmen und letztlich ein für Österreich passendes System entwickeln kann.
Jedenfalls müsse das aber schnell geschehen, denn eine Umstellung nehme Jahrzehnte in Anspruch, mindestens 20 Jahre, so Treichl.
Dänemark etwa sei in den 1970ern umgestiegen. Heute könne das Sechs-Millionen-Einwohner-Land ein Pensionsvermögen von über 600 Milliarden Euro vorweisen – Österreich knapp 25 Milliarden Euro.
Löger berichtete, auch beim jüngsten Forum Alpbach habe man bereits entsprechende Diskussionen geführt.
Dabei seien zwar die unterschiedlichen ideologischen Standpunkte erkennbar geworden. Die neue Studie sei aber eine Basis für eine konstruktive, sachliche Diskussion unter Beteiligung aller politischen Stakeholder.
Sie und die Alpbacher Gespräche sollen daher den Auftakt für weitere Expertenrunden bieten. Treichl hofft, dass schon 2025 Ergebnisse vorliegen – die idealerweise die Leistungsfähigkeit des österreichischen Pensionssystems verbessern und das Budget entlasten.
Auch wenn in der öffentlichen politischen Debatte die Positionen bislang festgefahren scheinen: Treichl zeigte sich „überzeugt, dass es gelingen wird und wir eine Lösung finden werden“. Löger: „Es kann gelingen, sonst wären wir heute nicht hier.“
Der Bericht „Pension systems in Europe: challenges and best practices“ (334 Seiten) kann als PDF-Dokument von der VIG-Website heruntergeladen werden.
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