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Völliges Provisionsverbot für Finanzprodukte unwahrscheinlicher

2.5.2023 – Auf das gänzliche Provisionsverbot könnte nun doch verzichtet werden. Das stellte EU-Kommissarin Mairead McGuinness in Aussicht. Zugleich stellte sie die Rute ins Fenster: Selbst, falls jetzt darauf verzichtet wird, wäre das kein Freibrief für den Finanzsektor und ein Verbot nicht für alle Zeiten vom Tisch. Jedenfalls plädiert McGuinness für mehr Kostentransparenz und ein Provisionsverbot bei Abschlüssen ohne Beratung. Der finale Gesetzesvorschlag der Kommission ist noch im Werden, die Vorlage für 24. Mai angepeilt.

In den letzten Monaten sind die Vorbereitungen für die europäische Kleinanlegerstrategie, die „Retail Investment Strategy“, auf der Zielgeraden angekommen. Damit einher ging eine neue Debatte um Vergütungssysteme in der Finanzberatung – und damit auch für Versicherungsanlageprodukte.

Erst vor kurzem hatte Christoph Berghammer, Obmann des Fachverbands der Versicherungsmakler, berichtet, dass sich im EU-Ministerrat eine Mehrheit gegen ein solches Provisionsverbot abzeichne (VersicherungsJournal 24.4.2023).

Am Donnerstag letzter Woche hat sich nun die zuständige EU-Kommissarin Mairead McGuinness beim „High Level Seminar“ des Finanzdienstleistungs-Think-Tanks Eurofi in Stockholm in einer Rede eingehend diesem Thema gewidmet.

Sie ließ dabei aufhorchen – denn das zuletzt von der Finanzbranche befürchtete Provisionsverbot scheint seitens der Kommission noch nicht ausgemachte Sache zu sein.

Beiden Seiten zugehört

Sie gab sich überzeugt, dass es gelte, Interessenkonflikte rund um die Anlageberatung anzusprechen. Darüber, wie das am besten geschehen sollte, gingen die Meinungen jedoch stark auseinander, räumte sie ein. Man werde dieses Problem nicht „über Nacht“ lösen, sollte aber „ambitioniert“ sein.

„Wir haben wir jenen zugehört, die uns sagen, dass ein vollständiges Verbot von ‚Anreizen‘ (‚inducements‘; darunter fallen insbesondere Provisionen; Anm.) in diesem Stadium zu disruptiv sein könnte“, sagte die Kommissarin.

Aber, so McGuinness, man habe auch jenen zugehört, die sagten, dass Konsumenten nicht die für ihre Bedürfnisse beste Beratung und nicht zu fairen Preisen bekämen. Kunden sei oft nicht klar, wie viel sie eigentlich für ein Finanzprodukt bezahlen oder wie sie Produkte vergleichen können.

Transparenzpflichten

Mairead McGuinness, Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion (Bild: EU/Kommission)
Mairead McGuinness,
Kommissarin für Finanzdienst-
leistungen, Finanzstabilität
und Kapitalmarktunion
(Bild: EU/Kommission)

„Und deshalb ziehen wir auch andere Maßnahmen in Erwägung, einschließlich Transparenzverpflichtungen“, setzte McGuinness fort.

Mit mehr Transparenz allein wird es ihrer Meinung nach aber nicht getan sein, denn Konsumenten seien schließlich keine Finanzexperten und würden sich auch weiterhin auf den Rat der Fachleute verlassen, wenn es um Anlageentscheidungen geht.

„Wir müssen also über Transparenzpflichten hinausgehen“, folgerte McGuinness.

… und weitere Maßnahmen

Sie denkt etwa daran, die Bedingungen, unter denen „Anreize“ erlaubt sind, zu verschärfen; es sollte auch verstärkte Sicherungsmaßnahmen dafür geben, wann „Anreize“ gezahlt werden dürfen und wann nicht.

Man sehe sich auch an, wie ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bei Anlageprodukten gewährleistet und „angemessene, vernünftig bepreiste, leicht verständliche Beratung“ für jeden verfügbar gemacht werden können.

McGuinness spricht sich für eine bessere Kostenaufschlüsselung aus, um die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Optionen zu erleichtern. Dies werde auch eine verstärkte behördliche Überprüfung bedeuten.

Ein „gezieltes Verbot“ von Anreizen sollte es ihrer Ansicht nach für sogenannte „Execution only“-Abschlüsse, also solche ohne Beratung, geben, „weil es nicht richtig ist, dass Anreize gezahlt werden, wenn es überhaupt kein Beratungsverhältnis mit einem Klienten gibt“.

Verzicht auf Provisionsverbot wäre „kein Freibrief für Finanzsektor“

Von einem solchen Paket verspricht sich McGuinness eine Stärkung des Beratungsreglements, sodass Berater „im besten Interesse ihrer Kunden“ handeln. Sie machte aber auch sehr deutlich: „Selbst, falls wir jetzt kein vollständiges Verbot von Anreizen vorschlagen, bedeutet das keinen Freibrief für den Finanzsektor.“

Wer in selbigem tätig ist, werde womöglich manche seiner Geschäftsmodelle und Praktiken überdenken müssen, „damit Konsumenten zu einem faireren Geschäft kommen“.

In den kommenden Monaten will die Kommissarin alle Stakeholder, auch die Finanzindustrie und Konsumentenverbände, zu einem Round Table einladen.

Sie werde die Akteure in der Branche dazu auffordern, darzulegen, was sie vor Ort tun, „um die Probleme zu lösen, die wir identifiziert haben“, und innerhalb welchen Zeitrahmens sie diese angehen wollen.

Wenn nicht jetzt, dann vielleicht später – Provisionsverbot bleibt Option

Im Gesetzesvorschlag werde es auch eine „starke Überprüfungsklausel“ geben. Das werde „uns erlauben, zu einem späteren Zeitpunkt ein vollständiges Provisionsverbot einzubringen“, betonte McGuinness.

Heißt das, dass ein völliges Provisionsverbot erst in einer zukünftigen „Kleinanlegerstrategie 2“ kommen könnte – oder doch schon im Zuge des demnächst zu erwartenden Gesetzesvorschlags?

Auf Konkreteres will sich die Kommission noch nicht festlegen. Die interne Entscheidungsfindung sei noch im Gange, daher werde man zum finalen Vorschlag für die Kleinanlegerstrategie keine weiteren Aussagen treffen, antwortete die Behörde dem VersicherungsJournal.

Der Vorschlag solle „in den kommenden Wochen“ folgen, angepeilt ist er für den 24. Mai.

Heimische Standesvertreter reagieren erfreut

Bei den heimischen Standesvertretern zeigte man sich über den sanften Tritt auf die Provisionsverbotsbremse erfreut.

Es scheine, dass McGuinness „doch noch zur Einsicht gelangt ist und von der Idee eines Provisionsverbots – zumindest vorerst – zurückrudert“, sagte Berghammer in einer Aussendung am Freitag. Die Arbeit der Standesvertretungen in Brüssel „dürfte also erfolgreich gewesen sein“.

Der Fachverband der Finanzdienstleister begrüßte ebenfalls den möglichen Verzicht auf ein Provisionsverbot. „Es wäre die richtige Entscheidung, von vielen guten Argumenten unterstützt“, heißt es in einer Mitteilung.

Vieles sei „aus Vermittler- und Kundensicht positiv zu bewerten“, kommentierte Fachverbandsobmann Hannes Dolzer die Rede der Kommissarin. „Letztlich kommt es immer auf die Umsetzung an.“

„Endgültige Klarheit werden wir erst mit der Veröffentlichung des Maßnahmenbündels zur Retail Investment Strategy haben“, so Berghammer. Voraussichtlich also am 24. Mai.

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Ausbildung · Provision · Versicherungsmakler
 
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