19.9.2024 – Von der Einführung einer verpflichtenden zweiten Säule über die steuerliche Gleichstellung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bis hin zur Möglichkeit einer Gehaltsumwandlung nach deutschem Muster reichten die Vorschläge der Experten für die zweite Säule. Die erste Säule wiederum könnte von einer teilweisen Kapitaldeckung profitieren, für die dritte Säule wäre eine Risikobegrenzung wichtiger als die Frage der Besteuerung der Rendite, so weitere Ideen.
Knapp zwei Wochen vor der Nationalratswahl lud der Arbeitskreis „Initiative Kapitalmarkt“ am vergangenen Dienstag zur Podiumsdiskussion zum Thema „Vorsorge und Stärkung heimischer Kapitalmarkt“ in die Säulenhalle der Wiener Börse.
Einleitend zitierte Stefan Maxian, Director Equity Capital Markets bei der Raiffeisen Bank International, aus einer Studie des Beratungsunternehmemns Mercer, wonach Österreich bei Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Integrität des Pensionssystems unter 74 Ländern nur Rang 40 einnehme.
Zu den Zielen der Initiative zähle daher die Förderung betrieblicher und privater Pensionsmodelle, ergänzte Paul Severin, Head of Commuications & Digital Marketing bei der Erste Asset Management GmbH.
Das Wichtigste sei es, die Vorsorge voranzubringen, erklärte Friedrich Mostböck, Präsident der Österreichischen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (ÖVFA) und Head of Research der Erste Group Bank, zu Beginn der Podiumsdiskussion.
Anfangen müsse man bei der betrieblichen Vorsorge, weil die dritte Säule nicht so funktionieren werde wie erhofft. Man könne die Menschen in einem Land, in dem es an Aktienkultur mangle, nicht dazu zwingen, in Produkte wie Aktien zu gehen, so Mostböck.
Allerdings sei auch die betriebliche Vorsorge in Österreich mit einer Abdeckung von gerade einmal 23 Prozent der Arbeitnehmer unterentwickelt; Österreich liege laut einer OECD-Studie „auf den untersten Rängen“.
Es sei eindeutig, dass die staatliche Pension nicht in alle Ewigkeit so weiter finanziert werden kann wie heute, ist Mostböck überzeugt. Bereits jetzt werde jeder vierte Steuer-Euro für Pensionen ausgegeben. Es wäre deshalb wichtig, dass die Politik die Notwendigkeit der zweiten Säule erkennt.
Es wäre möglich, ein Modell einzuführen, das jedes Unternehmen verpflichtet, für Mitarbeiter vorzusorgen; eine Betriebspension für alle würde Sinn machen, sagt Mostböck. Und das Geld müsste dann international veranlagt werden.
Auch wenn der Kapitalmarkt von manchen als „Teufelswerk“ gesehen werde, dürfe man nicht vergessen, dass über die Bundesanleihen die Pensionen bereits heute über den Kapitalmarkt finanziert werden. Es sei an der Zeit, die Pensionen statt über Kredite über Assets zu finanzieren.
Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Institutsvorständin am Institut für Finanzrecht der Universität Wien, ergänzte, dass es wichtig sei, die Arbeitnehmerseite rechtlich gleichzustellen.
Heute müsse man nämlich Glück haben, wenn der Arbeitgeber eine Betriebspension abschließt. Und es sei eine Ungleichbehandlung, dass Arbeitgeber die Einzahlungen mit unversteuertem Geld vornehmen können, Arbeitnehmer aber nur mit versteuertem Geld vorsorgen können.
Thomas Url, Senior Economist am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), sieht vor allem im Bereich der betrieblichen Vorsorge Möglichkeiten, die gut umsetzbar seien. So gebe es in Deutschland die Möglichkeit einer „Gehaltsumwandlung“.
Arbeitnehmer können auf eine Lohnerhöhung verzichten, die Beträge fließen dann in ein kapitalgedecktes System, allerdings sei der Verwaltungsaufwand hoch. Url schlägt deshalb vor, diese Lösung mit dem kostengünstigen österreichischen Vehikel der Vorsorgekassen zu kombinieren.
Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, will auch die erste Säule anders gestalten. Man müsse davon wegkommen, „von der Hand in den Mund“ zu leben, nötig sei auch für die staatlichen Pensionen eine Kapitalmarktorientierung.
Beispielhaft nennt Boschan Dänemark, wo dank der Kapitaldeckung für Pensionen weniger aufgewendet werden muss, gleichzeitig aber der Ertrag in Form der Ersatzrate höher ist als hierzulande.
Zur dritten Säule meinte Kirchmayr-Schliesselberger, „der Anleger hat nichts davon, wenn er jahrelang in Sparbücher geht, während der Aktienmarkt prosperiert.“ Doch das Risiko halte die eher risikoaversen Österreicher von Aktien ab.
Daher sei nicht die Besteuerung der Rendite entscheidend, man müsse „eher auf der Risikoseite ansetzen“, so die Universitätsprofessorin. Problematisch sei in diesem Zusammenhang, dass die Möglichkeit eines steuerlichen Verlustausgleichs in Österreich weitgehend fehlt.
Eine Abschaffung der KESt sieht sie kritisch: Eine „Nullbesteuerung“ der Kapitalerträge würde die Einführung einer Vermögenssteuer triggern, und das wäre „wesentlich schädlicher“.
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