24.9.2025 – Eine neue EU-Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Versicherern harrt ihrer Umsetzung. Bei der FMA-Aufsichtskonferenz wurde über sie diskutiert. Von Mehrwert war dabei die Rede, weil sie eine frühzeitige Risikoerkennung und -minimierung begünstige. Andererseits aber auch von einem Spagat zwischen Zielsetzung und Praxis, der, zumindest derzeit, noch nicht gelungen sei – aber gelingen könne, wenn die Regulierung „smart“ angelegt wird.
Im Bankensektor gibt es mit der „BRRD“ bereits seit 2014 eine Richtlinie, die die Sanierung und Abwicklung in Schieflage geratener Institute regelt.
Einige Jahre später, 2021, hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen (Insurance Recovery and Resolution Directive, IRRD) präsentiert.
Deren Sinn und Zweck ist es, Versicherer und zuständige Behörden „besser für erhebliche finanzielle Notlagen zu rüsten, sodass die Behörden frühzeitig und rasch – auch grenzüberschreitend – intervenieren können“, wie es der Rat im November 2024 anlässlich seiner Beschlussfassung formulierte.
Das Regelwerk soll somit zum einen dem Schutz der Versicherungsnehmer dienen. Zum anderen soll es die Auswirkungen einer solchen Notlage auf die Wirtschaft und das Finanzsystem „so gering wie möglich“ halten und einen Rückgriff auf Steuergeld vermeiden.
Seit Jänner 2025 steht die Richtlinie im EU-Amtsblatt. Die Mitgliedstaaten haben bis 29. Jänner 2027 Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Was das für Versicherer bedeutet, war am Dienstag Gegenstand eines Panels bei der „16. Aufsichtskonferenz“ der Finanzmarktaufsicht (FMA) in Wien.
Das Publikum der Konferenz wurde vorab gefragt: „Welcher Aspekt ist Ihnen bei der Umsetzung der IRRD in Österreich besonders wichtig?“ Ganz vorne steht mit 38 Prozent ein „harmonisiertes, europäisches Level Playing Field“, also gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen.
28 Prozent ist eine „ausreichende Berücksichtigung der nationalen Spezifika“ besonders wichtig, 23 Prozent ein „klar definierter, begrenzter Umfang der betroffenen Versicherungsunternehmen“, 11 Prozent ein „effektiver Abwicklungsfinanzierungsmechanismus“.
Die Niederlande haben bereits im Nachgang der Finanzkrise von 2008 Erfahrung mit einem solchen Regelwerk gesammelt.
Damals habe sich die Frage gestellt, was in Zukunft zur Prävention getan werden kann, blickte Jean-Francois Izac, Head of Portfolio Strategy, M&A and Capital Management & Treasury, des niederländischen Versicherers NN Group N.V., zurück.
Denn im Bankensektor habe es dafür Regeln zwar gegeben, für den Versicherungssektor aber nicht. Daraus sei schließlich ein Sanierungs- und Abwicklungsgesetz entstanden, das eine „Toolbox“ bietet, um bei von dem Gesetz erfassten Unternehmen
Für Nicole Schweizer, stellvertretende Leiterin der Abteilung Querschnittsthemen Versicherungsaufsicht in der FMA, liegt der Mehrwert der IRRD in der präventiven Sanierungsplanung.
Die von der IRRD betroffenen Unternehmen müssen sich intensiv auf Krisensituationen vorbereiten, erklärte Schweizer: Sie müssen Krisenpläne erstellen, die Maßnahmen für den Fall einer erheblichen Verschlechterung der Finanzlage enthalten, und sie der Aufsicht vorlegen.
Besonders in Bezug auf Gruppen sei das vorteilhaft. Denn so könne man im Falle von Abhängigkeiten und Verflechtungen innerhalb einer Gruppe darauf eingehen, inwieweit sich die Schieflage eines Unternehmens auf die anderen auswirkt.
Eine frühzeitige Krisenplanung erleichtere die frühzeitige Risikoerkennung. Eine frühzeitige Vorbereitung ermögliche wiederum eine frühzeitige Intervention – es spare schließlich Zeit, wenn nicht erst im Ernstfall überlegt werden muss, was getan werden soll.
Mit der IRRD kommt nun wieder ein Stück Regulierung hinzu. Ist der Spagat zwischen Zielsetzung und realer Praxis gelungen? Er könne gelingen, bislang sei das aber noch nicht der Fall, meinte Kurt Svoboda, CFO/CRO der Uniqa Insurance Group AG.
Einerseits sei von Deregulierung die Rede, wenn dann aber andererseits die europäische Versicherungsaufsicht bei den Durchführungsbestimmungen „Gas geben“ wolle, tue sich da ein „Missverhältnis“ auf, „über das man sprechen sollte“.
Zudem gebe es in Österreich bereits eine Reihe einschlägiger Mechanismen. Svoboda nannte etwa Deckungsstock und Treuhänder oder auch das ORSA (Own Risk and Solvency Management) nach dem Solvency-II-Reglement.
Wenn es gelinge, im Austausch mit dem Regulator einen Prozess zu entwerfen, der diese schon vorhandenen Mittel nutzt, könne etwas entstehen, was einen Mehrwert in puncto Problemerkennung bietet und nicht als „Papiertiger“ endet. „Das Schlimmste“ sei, wenn sich ein Versicherer vorbereitet und der Regulator wenig später wieder Änderungen vornimmt, fügte er hinzu.
Oliver Schütz, Moderator des Panels sowie Leiter des Bereichs Abwicklung & Verfahren und Recht in der FMA, blickte auf Erfahrungen mit der Banken-Regulierung BRRD zurück.
Dort habe man gelernt: Auch wenn man RTS („Regulatory Technical Standards“, also nachgeordnete Detailregelungen zur Richtlinie) nach bestem Wissen und Gewissen erstelle, so könne die Realität dann doch ganz anders aussehen.
Schütz’ Schlussfolgerung: „Weniger ist mehr“, lieber mit kleinen Schritten beginnen. Dass eine Regulierung für Banken nicht eins zu eins auf Versicherungen umgelegt werden kann, wie Svoboda zuvor angerissen hatte, damit stimmte auch Schütz überein.
Birgit Rodolphe, Exekutivdirektorin des Bereichs Abwicklung und Geldwäscheprävention in der deutschen Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungsrecht (Bafin), hob hervor, die IRRD sei stärker auf Proportionalität ausgelegt als das Pendant im Bankensektor.
Nicht jeden Versicherer träfen die gleichen Verpflichtungen. Die Richtlinie habe jene Versicherer stärker im Fokus, deren Scheitern auch größeren Schaden an der Finanzmarktstabilität verursachen könnte.
Wann wird man die Regulierung durch die IRRD als gelungen bezeichnen können? Wenn sie dafür sorgt, dass im Fall des Falles so zeitig eingegriffen werden kann, dass eine Abwicklung nicht mehr nötig ist, meinte Schweizer.
Svoboda sieht die IRRD dann als gelungen an, wenn mit der Aufsicht gemeinsam eine „smarte Regulierung“ geschaffen wurde, wenn durch sie kein regulatorisches „Paralleluniversum“ entsteht, wenn sie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wahrt und wenn alles niedergeschrieben ist, aber nie angewendet werden muss.
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