24.9.2025 – Die im Werden befindlich Spar- und Investitionsunion soll Anlegern neue Kapitalmarktzugänge und Unternehmen neue Finanzierungschancen eröffnen. Manager und Aufseher haben bei der FMA-Aufsichtskonferenz darüber gesprochen. Nicht der Markt an sich brauche weitere Regulierung, war unter anderem zu hören. Vielmehr müssten Unterschiede zwischen den nationalen Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrechten angegangen werden. Auch von Land zu Land unterschiedliche Aufsichtspraxis wird als Hemmnis gesehen.
Es ist ein halbes Jahr her, dass die Europäische Kommission ihren Plan für eine „Spar- und Investitionsunion“ (SIU) vorgestellt hat. Sie beschrieb die SIU zum „Startschuss“ im März als eine „Schlüsselinitiative zur effizienteren Kanalisierung von Sparvermögen in produktive Investitionen durch das EU-Finanzsystem“.
Den Bürgern soll die SIU einen „breiteren Zugang zu den Kapitalmärkten“ bringen, den Unternehmen „bessere Finanzierungsmöglichkeiten“. Mit der SIU sollen nicht zuletzt Investitionen in strategische Ziele der EU gefördert werden (VersicherungsJournal 20.3.2025).
Die SIU war am Dienstag auch Thema bei der „16. Aufsichtskonferenz“ der Finanzmarktaufsicht (FMA) in Wien. Dort befasste sich ein eigenes Panel mit diesem EU-Projekt.
Vorab konnte noch das Publikum seine Meinung in einer Umfrage äußern, und zwar zu der Frage: „Wo sehen Sie wesentliche Hebel zur Gestaltung der SIU?“
Am häufigsten fiel die Wahl auf den Aspekt „regulatorische Vereinfachung und Proportionalität“ (42,0 Prozent), gefolgt vom „Abbau von Goldplating und nationalen Zusatzregeln“ (23,0 Prozent).
Die SIU offeriere nicht nur Chancen, sie sei auch eine Notwendigkeit, sagte Jennifer Robertson, Head of Unit Financial Markets Infrastructure in der EU-Kommission, bei der Podiumsdiskussion.
Klimawandel, Innovationsdruck, geopolitische Dynamik, Verteidigungsinvestitionen – all dies erfordere Finanzmittel – und dementsprechende Investments. Bis 2030 sei dafür ein Volumen von 700 bis 800 Milliarden Euro nötig.
Dieses Kapital soll eben mit Hilfe der SIU mobilisiert werden. Das schaffe neue Geschäftsmöglichkeiten, so Robertson.
Eine Herausforderung sei die Frage, wie man Käufer und Verkäufer, Emittenten und Investoren, an den Markt bringt, sagte Angelika Sommer-Hemetsberger, Mitglied im Vorstand der Oesterreichischen Kontrollbank AG (OeKB).
Sie sieht darin ein Thema der Finanzbildung und der „Kultur“ – die hierzulande eine andere sei als beispielsweise in den USA.
Abseits dessen betrachtet sie auch die Regulierung als eine wesentliche „Challenge“.
Die „Headlines“ der SIU seien „wunderbar“, meinte Oliver Holle, Geschäftsführer der Speedinvest GmbH. Allerdings vermisst er einen „Sense of Urgency“, sprich ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Unterfangens: Das Tempo, das Europa an den Tag legt, hält er für zu gering.
Die Größenordnung des erforderlichen Kapitals sei „gigantisch“ – und muss seiner Ansicht nach „verzehnfacht“ werden, damit Europa im internationalen Wettbewerb, im Rennen um die globalen „Leitbetriebe“ mithalten kann.
In Europa spreche man zwar von Innovation, sagt Holle. An der tatsächlichen Umsetzung hapert es nach seinem Dafürhalten jedoch.
Die FMA begrüße es, wenn der Bericht zur Zukunft des Binnenmarktes des früheren italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta und der Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit von Mario Draghi, vormals EZB- und ebenfalls ehemaliger italienischer Regierungschef, mit Leben erfüllt werden.
Das hielt Robert Hellwagner, Leiter der Abteilung Asset Management in der Behörde, in seinem Statement fest. Österreich könne vom SIU-Package stark profitieren.
Harmonisierung und Subsidiarität müssten aber in Einklang miteinander sein, betonte Hellwagner: Auch Spezifika und Sorgen kleiner Märkte seien zu berücksichtigen.
Robertson unterstrich, Ziel der SIU sei nicht die Zentralisierung von Marktinfrastrukturen an sich. Vielmehr gehe es darum, die Fragmentierung des europäischen Marktes zu verringern. Das heißt: ein Umfeld zu schaffen, in dem Konsolidierung marktgetrieben stattfinden kann.
Denn noch immer gebe es divergierende nationale Regelungen, unterschiedliche Implementierungen von EU-Recht und eine je nach Mitgliedstaat unterschiedliche aufsichtliche Praxis. Diese Zersplitterung erzeuge im grenzüberschreitenden Geschäft hohe Kosten.
Das Ziel bestehe also darin, Hürden für die Integration und Modernisierung der europäischen Märkte zu identifizieren und Regulierung generell zu vereinfachen.
Sommer-Hemetsberger argumentierte in eine ähnliche Richtung. Emittenten und Investoren stünden im EU-Markt vor dem Problem, sich in 27 verschiedene Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrechtsordnungen einarbeiten zu müssen.
Diese Hürde anzugehen, wäre ein „größerer Hebel“ als die Regulierung der Infrastruktur und Funktionsweise des Marktes, so Sommer-Hemetsberger.
Denn der Markt als solcher sei „das kleinste Problem“. Sie plädierte deshalb dafür, dem Wettbewerb den Vortritt vor einer durch Regulierung verordneten Marktgestaltung zu lassen.
Seitens der FMA stellte Hellwagner fest, dass die Aufsicht klar dafür sei, dass Konsolidierung „marktgetrieben“ vor sich geht.
Durch ein Zuviel an Regulierung würden nur kleinere Unternehmen aus dem Markt gedrängt, die sich den Regulierungsaufwand nicht leisten können – und schließlich seien nationale Marktteilnehmer nötig, die nationale Markterfordernisse abbilden können.
Gleichzeitig seien Verbindungen in den europäischen Markt notwendig, fügte Hellwagner hinzu.
Vereinfachungen kann sich Hellwagner etwa in der „Daten-Regulierung“ vorstellen. Auch für die Behörden sei es „nicht einfach“, so viele Schienen zu bedienen.
Wie Investoren ins Boot holen? Sommer-Hemetsberger sprach sich dafür aus, institutionellen Investoren wie Pensionskassen und Versicherungsunternehmen die Veranlagung zu erleichtern. Gut wäre auch, private Investoren an Bord zu bekommen.
Ganz grundsätzlich müsse auf den Aufbau einer „Investitionsbasis“ hingearbeitet werden, um zu vermeiden, dass Unternehmen in die USA oder andere Märkte abwandern.
Hellwagner sagte, die EU-Kommission habe bereits Vorschläge für Erleichterungen unterbreitet, die FMA werde eine Vereinfachung unterstützen.
Das Problem sei: Man wisse immer erst im Nachhinein, „wo die guten Investments sind“. Deshalb sei es auch wichtig, den Anlegerschutz nicht außer Acht zu lassen. Gefragt ist aus seiner Sicht eine ausgewogene Balance zwischen Förderung der Wirtschaft und Schutz der Investoren.
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