WERBUNG

Wie misst man sich mit den eigenen Zahlen am Durchschnitt?

7.3.2025 – „Bin ich gut!“ versus „Da hat’s was …“ Wenn man die eigenen Zahlen aus Risikomanagement, Vertrieb, Controlling usw. mit globalen Durchschnittswerten vergleicht, welche sind dann aussagekräftiger? Bei der Antwort auf diese Frage hilft die „Credibility“-Theorie. – Von Versicherungsmathematiker Christoph Krischanitz.

Christoph Krischanitz (Bild: Krischanitz)
Christoph Krischanitz (Bild: Krischanitz)

Sie haben Renditen von 7 Prozent, 2 Prozent und 6 Prozent erzielt, im Schnitt also 5 Prozent, der globale Durchschnitt liegt bei 4 Prozent.

Waren Sie wirklich besser? Würde man Ihren Ergebnissen vertrauen und Ihnen einen Job als Asset-Manager anbieten?

Vor solchen und ähnlichen Fragestellungen steht man oft. Management, Controlling, Risikomanagement, HR, Vertrieb – alle schauen auf ihre Zahlen und denken entweder „Mma, bin i guat“ oder „Uijegerl, da hat’s was“.

Welche Ergebnisse wie einordnen?

Wie soll man individuelle Ergebnisse einordnen, wenn der globale Durchschnitt ganz anders aussieht? Sind die eigenen Zahlen aussagekräftiger?

Klar, man ist ja schließlich nicht repräsentativ für das globale Mittel, sondern man denkt anders, man handelt anders und erzielt auch andere Ergebnisse. So sagen die einen.

Das eigene Tun und Handeln ist im globalen Mittel aber schon berücksichtigt, ebenso die Fehler, die man macht, und Abweichungen sind das ausschließliche Produkt des Zufalls. So sagen die anderen.

Wer hat denn nun recht?

Eine „österreichische“ Lösung

Wie immer, beide. Die Versicherungsmathematik hat für solche Fälle eine Theorie entwickelt, die recht österreichisch anmutet – die sogenannte Credibility-Theorie. Denn die sorgt für einen Kompromiss und nimmt einfach das Mittel zwischen individuellem Ergebnis und globalem Durchschnitt.

Allerdings nimmt man nicht irgendein Mittel, sondern ein gewichtetes Mittel. Das Gewicht für den individuellen Wert nennt man den Credibility-Faktor, also den Glaubwürdigkeitsfaktor.

Die Idee ist einfach: Je glaubwürdiger das individuelle Ergebnis ist, desto mehr Gewicht bekommt es, je unglaubwürdiger es ist, desto mehr zieht man sich auf den globalen Durchschnitt zurück.

Wovon hängt dieser Glaubwürdigkeitsfaktor nun eigentlich ab? Wie kann man das messen? Im Wesentlichen besteht dieser Faktor aus drei Zutaten.

Zutat 1: die Anzahl der individuellen Datenpunkte

Zutat Nummer 1 ist die Anzahl der individuellen Datenpunkte. Im ersten Satz dieses Artikels waren drei Beobachtungen angeführt. Drei sind noch nicht sehr viele, daher wäre die Glaubwürdigkeit noch eher gering.

Nach 20 Jahren Erfahrung könnte man schon eher davon ausgehen, dass der persönliche Erfolg auch anhaltend und signifikant ist.

Die Erfahrung spielt also eine Rolle, daher werden solche Modelle in der Versicherung vor allem in der sogenannten Erfahrungstarifierung eingesetzt, wo es genau um die Prämienfestsetzung anhand persönlicher Erfahrungswerte geht.

Zutat 2: die Varianz der Messwerte

Zutat Nummer 2 beschäftigt sich, vereinfacht gesagt, mit der Variabilität, also der Varianz der individuellen Messwerte. Je stärker die Messwerte schwanken, desto instabiler ist deren Durchschnitt.

Daher wird auch in diesem Fall einer hohen Varianz wenig Glaubwürdigkeit zugestanden und der Glaubwürdigkeitsfaktor sinkt.

Umgekehrt spricht eine niedrige Varianz für einen stabilen Durchschnitt, und der Glaubwürdigkeitsfaktor steigt.

Zutat 3: die Betrachtung des globalen Durchschnitts

Dann fehlt noch die Zutat Nummer 3. Die beschäftigt sich nicht mit den individuellen Werten, sondern mit dem globalen Durchschnitt.

Wie ist denn die Varianz des globalen Durchschnitts gelegen? Sind die globalen Werte so heterogen, dass man den individuellen Werten doch lieber den Vorzug gibt?

Wenn also die Varianz des globalen Durchschnitts hoch ist, dann steigt automatisch auch die Glaubwürdigkeit der individuellen Beobachtungen und umgekehrt.

Es geht also um die Länge und Beschaffenheit der eigenen Messreihe und darum, wie sie im Verhältnis zu einer kollektiven Betrachtung steht.

Bonus/Malus

Wer übrigens bei dem Wort Erfahrungstarifierung unwillkürlich an das Bonus-Malus-System aus der Kfz-Versicherung gedacht hat, geht nicht fehl.

Im Bonus-Malus-System geht es ja gerade darum, eine globale Prämie, die nur von äußeren Faktoren, wie zum Beispiel der Motorleistung abhängig ist, durch persönliche Erfahrungswerte zu korrigieren, indem Schadenfreiheit zu einer besseren Stufe und damit zu einer geringeren Prämie führt.

Wie ja oben erläutert wurde, führt jedes neue Jahr zu einer Verbesserung der Glaubwürdigkeit des eigenen Schadenverlaufs, und dadurch wird der Faktor für den individuellen Schadenverlauf höher und kann (solange der Schadenverlauf besser als der Durchschnitt ist) zu einer Reduktion der Prämie führen.

Modelle sind auch für andere Disziplinen geeignet

Diese Modelle sind natürlich nicht nur für Versicherungsprämien geeignet, auch wenn sie dafür entwickelt worden sind; mittlerweile findet man diese Ansätze auch in vielen anderen Disziplinen wie der Qualitätskontrolle, der Wettervorhersage, der medizinischen Forschung etc.

Es wäre sinnvoll, solche Methoden auch für Zielerreichung und Performance-Messung einzusetzen, aber da würde es dann wohl öfter heißen: „Uijegerl.“

Christoph Krischanitz

Der Autor ist Versicherungsmathematiker (profi-aktuar.at) und verfügt über langjährige Erfahrung in der aktuariellen Beratung. Krischanitz war von 2004 bis 2019 Vorsitzender des Mathematisch-Statistischen Komitees im Versicherungsverband (VVO), von 2008 bis 2014 Präsident der Aktuarvereinigung Österreichs (AVÖ). Derzeit ist er unter anderem Chairman der Arbeitsgruppe Non-Life Insurance in der Actuarial Association of Europe (AAE).

Serie „Statistik verstehen“ – bisher erschienen
Schlagwörter zu diesem Artikel
Aktuar · Kfz-Versicherung
 
Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.

Täglich bestens informiert!

Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.

Ihre Vorteile

  • Alle Artikel stammen aus unserer unabhängigen Redaktion
  • Die neuesten Stellenangebote
  • Interessante Leserbriefe

Jetzt kostenlos anmelden!

VersicherungsJournal in Social Media

Besuchen Sie das VersicherungsJournal auch in den sozialen Medien:

  • Facebook – Ausgewähltes für den Vertrieb
  • Twitter – alle Nachrichten von VersicherungsJournal.at
  • Xing News – Ausgewähltes zu Karriere und Unternehmen
Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
1.7.2020 – Der Vorstand der Vienna Insurance Group wurde nach der Pensionierung eines Vorstandsmitglieds mit 1. Juli verkleinert, die Agenden werden auf die beiden Vorstände Harald Riener und Peter Thirring aufgeteilt. mehr ...
 
2.10.2015 – Wohin geht die Reise im Lebensversicherungsmarkt? Restlos optimistisch fällt die Einschätzung von Wifo-Versicherungsfachmann Thomas Url nicht aus. (Bild: Wifo) mehr ...