19.9.2023 – Laut den Bedingungen der Rechtsschutzversicherung bestand Versicherungsschutz für alle Motorfahrzeuge. Weil aber E-Scooter laut Straßenverkehrsordnung Kleinfahrzeuge und damit überhaupt keine Fahrzeuge sind, bestehe keine Deckungspflicht, erklärt die vom Versicherungsnehmer angerufene Schlichtungsstelle der Versicherungsmakler.
Im Juli 2022 ereignete sich ein Unfall zwischen dem Fahrer eines E-Scooters und einem Kfz.
Der E-Scooter-Lenker will Schadenersatzansprüche gegen den Lenker, Halter bzw. Haftpflichtversicherer des Kfz geltend machen und begehrt dafür Deckung durch seinen Rechtsschutzversicherer.
Er verfügt über eine Fahrzeug-Rechtsschutzversicherung, die unter anderem den Baustein „Schadenersatz- und Herausgabe-Rechtsschutz“ umfasst. Vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2010).
Demnach genießt der Versicherungsnehmer „für alle nicht betrieblich genutzten Motorfahrzeuge zu Lande und zu Wasser“, die sich in seinem Eigentum befinden, von ihm gehalten werden, auf ihn zugelassen oder von ihm geleast sind, Versicherungsschutz.
Dieser umfasst laut Bedingungen die Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Schadens, soweit diese aus der bestimmungsgemäßen Verwendung des versicherten Motorfahrzeuges entstehen.
Der Versicherer lehnte die Deckung ab; der Versicherungsfall falle nicht in den Baustein „Kfz-Schadenersatz-Rechtsschutz“, da Versicherungsschutz nur für privat genutzte Kraftfahrzeuge bestehe, ein E-Scooter aber kein Kraftfahrzeug im Sinn der Straßenverkehrsordnung sei.
Darauf wandte sich der Versicherungsnehmer an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle des Fachverbands der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten (RSS). Er argumentiert, dass es sich beim E-Scooter um ein Motorfahrzeug im Sinn der ARB 2010 handle.
Der Versicherer nahm zum Schichtungsantrag Stellung und erklärte, dass ein Elektro-Scooter ein elektrisch betriebener Klein- und Miniroller mit einer höchstzulässigen Leistung von 600 Watt sowie einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h und damit kein Fahrzeug sei.
In ihrer Stellungnahme erinnert die RSS daran, dass in den vom Versicherer verwendeten Bedingungen auf den Begriff „Motorfahrzeuge“ und nicht auf den Begriff „Kraftfahrzeuge“ abgestellt werde; diese Unklarheit gehe gemäß § 915 ABGB zu Lasten des Versicherers.
Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer werde sich daher zuerst am Begriff „Fahrzeug“ orientieren; ein Motorfahrzeug sei dann ein Vehikel, das einerseits die Kriterien eines Fahrzeugs nach § 2 Abs. 1 Z. 19 StVO erfüllt und zugleich mit einem Motor angetrieben werde.
Demnach ist ein Fahrzeug als „ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Beförderungsmittel oder eine fahrbare Arbeitsmaschine“ definiert, wobei es zahlreiche Ausnahmen gibt.
Zu letzteren zählt die StVO „vorwiegend zur Verwendung außerhalb der Fahrbahn bestimmte Kleinfahrzeuge (etwa Mini- und Kleinroller ohne Sitzvorrichtung, mit Lenkstange, Trittbrett und mit einem äußeren Felgendurchmesser von höchstens 300 mm)“.
Damit handle es sich bei einem E-Scooter um ein „Kleinfahrzeug“, weshalb die Definition eines Fahrzeugs nicht erfüllt ist, so die RSS.
Zwar hätten sich nach § 88b Abs. 2 erster Satz StVO Benutzer von E-Scootern so zu verhalten wie Radfahrer; dadurch würden aber Fahrer von E-Scootern nicht zu Radfahrern und auch nicht zu Lenkern von Fahrzeugen.
Ein Unfall, der sich beim Fahren mit einem Elektro-Scooter ereignet, sei deshalb nicht dem Kfz-Schadenersatz-Rechtsschutz zuzuordnen. Der Antrag des Versicherungsnehmers, die Deckung des Rechtsschutzfalles zu empfehlen, wurde von der RSS abgewiesen.
Dass ein Scooter dennoch ein Kraftfahrzeug sein kann, hat der Verwaltungsgerichtshof aber im heurigen März entschieden (Ro2023/02/0010; VersicherungsJournal 3.5.2023).
In diesem Fall war es allerdings um einen Scooter gegangen, der eine Leistung von 2.400 Watt und eine Bauartgeschwindigkeit von 70 km/h aufwies. Der VwGH entschied, dass es sich bei diesem „unzweifelhaft“ um ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes Kraftfahrzeug handle.
Die Empfehlung der RSS kann als PDF-Dokument (164 KB) von der Website des Fachverbandes heruntergeladen werden.
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