Folge von Krebs oder Schönheits-OP? Streit um Risikoausschluss

14.3.2023 – Die bei der Patientin aufgetretene Kapselfibrose stand zwar in kausalem Zusammenhang mit der Krebstherapie, ohne die Brustimplantate wäre sie aber nicht aufgetreten. Da Mit-Ursächlichkeit für das Greifen eines Risikoausschlusses genügt und kosmetische Operationen nicht vom Versicherungsschutz umfasst waren, ist der Versicherer leistungsfrei.

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Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Im Jahr 2015 ließ sich E.K. Brustimplantate zur Brustvergrößerung setzen. Rund zwei Jahre später wurde bei ihr in der rechten Brust ein bösartiger Tumor diagnostiziert, der nach mehreren Biopsien, Chemotherapie, Bestrahlungs- und Antikörpertherapie ein halbes Jahr später nicht mehr nachweisbar war.

Im Jänner 2019 trat bei E.K. eine Kapselfibrose auf; dabei handelt es sich um eine bindegewebig-narbige Verdickung des Gewebes, die das Silikonimplantat umhüllt und zu Schmerzen und Verformungen der Brust führen kann. Die genaue Ursache für eine solche Reaktion ist nicht geklärt.

Bei Brusttumorpatientinnen und Brustrekonstruktionen ist die Kapselfibroserate deutlich höher als bei ästhetischen Eingriffen; insbesondere erhöht sich das Kapselfibroserisiko durch eine Bestrahlungstherapie im Rahmen einer Tumorbehandlung deutlich.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht bei E.K. ein kausaler Zusammenhang zwischen der Kapselfibrose an der rechten Brust und der Tumorerkrankung; ohne das Silikonimplantat in der rechten Brust wäre die Kapselfibrose aber nicht aufgetreten.

Keine Deckung für kosmetische Behandlungen

Auf Empfehlung ihrer behandelnden Ärztin ließ E.K. im Februar 2019 die Kapsel entfernen und das Implantat wechseln. Von ihrem Krankenversicherer fordert sie die Zahlung von mehr als 12.000 Euro für Operation und stationären Aufenthalt; es habe sich dabei um keinen kosmetisch bedingten Eingriff gehandelt.

E.K. verfügt über einen Krankenversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten und Krankenhaus-Tagegeldversicherung in der Fassung 1999 zugrunde liegen.

Demnach besteht kein Versicherungsschutz für kosmetische Behandlungen und Operationen sowie deren Folgen, soweit die Maßnahmen nicht der Beseitigung von Unfallfolgen dienen.

Streit um Ursachen der Kapselfibrose

Der Versicherer lehnte eine Zahlung ab. Die Kapselfibrose sei Folge einer natürlichen Immunreaktion nach der Setzung des Brustimplantats. Auch wenn die Kapselfibrose durch die Bestrahlung im Rahmen der Krebstherapie ausgelöst worden sei, falle sie unter den sekundären Risikoausschluss.

E.K. reichte daraufhin Klage gegen den Versicherer ein. Erst- und Berufungsgericht wiesen diese ab. Die im Jahr 2015 gesetzten Implantate seien kausal für die Erkrankung gewesen, auch wenn die Krebserkrankung als weitere Erkrankung hinzugetreten sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin beim Obersten Gerichtshof.

Primäre und sekundäre Risikobegrenzung

Einleitend erinnert der OGH daran, dass die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos durch die primäre Risikobegrenzung erfolgt, wobei in grundsätzlicher Weise festgelegt wird, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind.

Auf der zweiten Ebene, der sekundären Risikobegrenzung, könne der Versicherer durch einen Risikoausschluss einen Teil des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausnehmen und für nicht versichert erklären.

Solche Ausschlüsse dürften aber nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regulierungszusammenhangs erfordert, betont der OGH.

Versicherung für medizinisch notwendige Heilbehandlungen

Eine Krankheitskostenversicherung knüpfe nach § 178b VersVG an eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen einer Krankheit oder eines Unfalls an. Zentrales Auslösungsmoment für eine Leistungspflicht des Versicherers sei eine Krankheit.

Für nur kosmetisch veranlasste Schönheitsoperationen bestehe demnach keine Deckungspflicht. Auch im vorliegenden Fall enthalten die Versicherungsbedingungen einen Risikoausschluss, der Aufwendungen für rein kosmetische Behandlungen und Operationen sowie für deren Folgen umfasse.

Unter Folgen einer kosmetischen Behandlung und Operation verstehe ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer medizinische Leistungen, die ihre Ursache in der kosmetischen Behandlung und Operation haben.

Mit Risikoausschlüssen muss gerechnet werden

Eine gröbliche Benachteiligung würde im Versicherungsvertragsrecht bereits dann vorliegen, wenn eine Klausel eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard bringe, den Versicherungsnehmer von einer Versicherung dieser Art erwarten können.

Jedenfalls sei eine gröbliche Benachteiligung immer dann anzunehmen, wenn die einem Vertragspartner zugedachte Vertragsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht.

Jedem Versicherungsnehmer müsse aber das Wissen zugemutet werden, dass es in Versicherungsverträgen gewisse Begrenzungen gibt; der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer habe daher mit Risikoausschlüssen und -einschränkungen zu rechnen.

Nicht gröblich benachteiligend

Dies gelte umso mehr für den vorliegenden Fall, in dem die Kostentragung für nicht erforderliche kosmetische Behandlungen und Operationen samt deren Folgen aus dem Versicherungsschutz ausgenommen wird.

Bei rein kosmetischen Behandlungen und Operationen handle es sich nicht um Heilbehandlungen; weder ihr Ausschluss noch der Ausschluss ihrer Folgen führe zu einer unsachlichen Benachteiligung des Versicherungsnehmers. Die Klausel sei daher nicht gröblich benachteiligend.

Es bestehe keine Deckungserwartung dafür, dass der Versicherer Aufwendungen für Folgen übernehme, die ohne diese Behandlungen und Operationen unterblieben wären und die die Gemeinschaft der Versicherungsnehmer belasten.

Risikoausschluss greift auch bei Mit-Ursächlichkeit

Ein Umstand sei für einen Erfolg ursächlich, wenn er ihn herbeiführt und nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Es sei daher zu fragen, ob der Erfolg auch ohne den zu prüfenden Umstand eingetreten wäre.

Ein adäquater Kausalzusammenhang liege aber auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden hinzugetreten ist, soweit dieses Hinzutreten nicht außerhalb der allgemeinen menschlichen Erfahrung steht und nicht ganz außergewöhnlich ist.

Grundsätzlich genüge schon eine Mit-Ursächlichkeit eines ausgeschlossenen Umstands, um den vereinbarten Risikoausschluss greifen zu lassen. Die Brustvergrößerung der Klägerin sei jedenfalls mitursächlich für das Entstehen der Kapselfibrose gewesen, so der OGH.

Für die Annahme einer Unterbrechung des Risikozusammenhangs durch die Krebserkrankung und -behandlung bleibe kein Platz. Damit sei die Deckungspflicht des Versicherers im vorliegenden Fall zu verneinen, der Revision wurde nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob202/22i vom 25. Jänner 2023 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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