18.7.2025 – Allein deshalb, weil die unverzügliche Meldung eines Unfalls mit Sachschaden an die nächste Polizeidienststelle unterlassen wurde, bestehe kein Verdacht auf eine andere Obliegenheitsverletzung wie beispielsweise eine Alkoholisierung, betont die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle der Versicherungsmakler. Der Autofahrer habe seine Aufklärungsobliegenheit nicht verletzt, dem Versicherer wurde die Deckung empfohlen.
Ein Autolenker, der zuvor jahrzehntelang unfallfrei gefahren ist, war am 1. Mai 2024 gegen 16 Uhr beim Einbiegen in eine Kurve zu schnell unterwegs, berührte den Randstein und beschädigte dabei nicht nur Spoiler, Felgen und Reifen seines Fahrzeugs, sondern auch ein Straßenschild.
Am nächsten Tag fuhr er erneut an dieser Stelle vorbei und traf dort auf zwei Arbeiter der Straßenmeisterei, die ihm sagten, der Schaden sei bereits polizeilich bekannt. Die zuständige Polizeiinspektion stellte eine Bestätigung aus, dass der Vorfall am 2. Mai 2024 um 11:24 Uhr entgegengenommen wurde.
Da die Verständigung der nächsten Polizeidienststelle nicht unverzüglich erfolgt war, verhängte die Bezirkshauptmannschaft gemäß § 4 Abs. 5 StVO über den Fahrzeuglenker eine Geldstrafe von 150 Euro zuzüglich eines Kostenbeitrags von 15 Euro.
Am 3. Mai 2024 meldete der Versicherungsnehmer seinem Kfz-Kaskoversicherer über seinen Versicherungsmakler den Unfallschaden an seinem Kfz; der Versicherer lehnte die Deckung mit der Begründung ab, der Versicherungsnehmer habe die Obliegenheit des Artikels 7.3.2 der Versicherungsbedingungen verletzt.
Der Fahrzeugbesitzer verfügt über eine Kfz-Haftpflicht- und -Kaskoversicherung. Die Bedingungen bestimmen in Artikel 7 die Obliegenheiten, deren Verletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirken.
Nach Punkt 7.3.2 hat der Versicherungsnehmer nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen. Nach Punkt 7.3.4 sind bestimmte Schäden vom Versicherungsnehmer oder Lenker unverzüglich bei der nächsten Polizeidienststelle anzuzeigen.
Keine Leistungsfreiheit tritt ein, wenn die Verletzung der Obliegenheit nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht oder die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung Einfluss gehabt hat.
Der Versicherungsnehmer wandte sich daraufhin mit einem Schlichtungsantrag an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungssachen (RSS).
Er erklärt, er habe die polizeiliche Anzeige in der Annahme unterlassen, es reiche die Meldung an die Straßenmeisterei, da nur Schaden an einem Verkehrszeichen entstanden sei. Die gesetzliche Vorschrift des § 4 Abs. 5 StVO sei ihm nicht bewusst gewesen.
Er habe die ihm vorgeworfene Obliegenheitsverletzung daher nicht vorsätzlich begangen. Er habe alle relevanten Informationen über den Sach- und Fahrzeugschaden erteilt, auch wenn die polizeiliche Anzeige verspätet erfolgt sei.
In ihrer Empfehlung erklärt die RSS, dass Artikel 7.3.4 zwar eine spezifische Obliegenheit der polizeilichen Schadensmeldung in bestimmten Fällen vorsieht, diese aber die Bestimmung des Punktes 7.3.2 nicht aufhebe.
Damit würden beide Obliegenheiten gleichwertig nebeneinander stehen; ein und dasselbe Verhalten könne unter Umständen auch beide Obliegenheiten verletzen; allerdings behaupte der Versicherer im vorliegenden Fall nicht, dass die Obliegenheit nach Punkt 7.3.4 verletzt wurde.
Es gebe eine ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung, wonach ein Versicherungsnehmer die Aufklärungsobliegenheit dann verletzt, wenn er einen von ihm verursachten Verkehrsunfall nicht der nächsten Polizeidienststelle meldet, wenn er dazu nach § 4 Abs. 5 StVO verpflichtet war.
Voraussetzung dafür sei aber, dass im konkreten Fall etwas versäumt wurde, das zur Aufklärung des Sachverhalts dienlich gewesen wäre; die Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO allein sei nicht schon einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gleich zu halten, betont die RSS.
Nötig sei vor allem, dass ein konkreter Verdacht in eine bestimmte Richtung aufgrund der Unterlassung der Anzeige im Nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Diesen Verdacht müsse der Versicherer behaupten und beweisen.
Die Aufklärungsobliegenheit solle auch die Klarstellung jener Umstände gewährleisten, die für allfällige Regressansprüche des Versicherers von Bedeutung sein könnten. Dazu zähle auch die Prüfung der körperlichen Beschaffenheit des Versicherungsnehmers hinsichtlich Alkoholisierung oder Übermüdung.
In seiner Deckungsablehnung bringe der Versicherer in keiner Weise zum Ausdruck, dass er von einer derartigen Verdachtslage ausgehen würde, so die RSS. Der Versicherungsnehmer wiederum bestreite auch nicht, dass er seine öffentlich-rechtliche Anzeigepflicht des § 4 Abs. 5 StVO missachtet habe.
Allein die festgestellte Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO schaffe aber keine Verdachtslage für eine andere deckungsschädliche Obliegenheitsverletzung; es sei daher nicht von einer Obliegenheitsverletzung des Artikels 7.3.2 der Versicherungsbedingungen auszugehen.
Dem Versicherer wurde von der RSS deshalb die Deckung des Schadenfalles aus der Kfz-Kaskoversicherung empfohlen.
Die Empfehlung der RSS kann als PDF-Dokument (160 KB) von der Website des Fachverbandes heruntergeladen werden.
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