9.9.2024 – Nicht nur der Laminatboden im Vorraum eines Hauses war durch einen Leitungswasserschaden beschädigt worden, doch die Schäden am Untergrund wurden erst während der Reparaturarbeiten offenkundig. Die Rechnung für diese Zusatzarbeiten sei überhöht, so der Versicherer. Die Schlichtungsstelle der Makler erkannte aber keine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers und empfahl die Übernahme der Kosten.
Nach einem Leitungswasserschaden hat ein Tischler für Reparaturen einen Kostenvoranschlag über 1.359 Euro erstellt.
Dieser umfasste die Demontage und Entsorgung von Sockelleisten und Laminatboden sowie Lieferung und Verlegen eines gleichwertigen Laminatbodens auf Unterlagsfolie.
Weiters enthielt der Kostenvoranschlag die Bemerkung: „Sollte unter dem Laminatboden ein Holzunterbau sein, der auch beschädigt wurde, dann wird ein Ergänzungsangebot gelegt. Austrocknen lassen, falls notwendig.“
Der Hausbesitzer verfügt über eine Eigenheimversicherung, die auch eine Leitungswasserschadenversicherung beinhaltet. Vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (AWB 2018).
Der Hausbesitzer meldete den Schaden seinem Versicherer und übermittelte diesem den Kostenvoranschlag. Wenige Tage später erhielt er vom Versicherer die Mitteilung: „Der vorliegende KV € 1.359,00 ist in Ordnung. Wir bitten um entsprechende Rechnungslegung.“
Im Zuge der Reparaturarbeiten stellten sich nach Entfernung des Bodenbelages auch Schäden am Untergrund heraus. Der Versicherungsmakler des Hausbesitzers sandte dem Versicherer daraufhin Schadenfotos und ersuchte um dringende Freigabe, damit die Arbeiten fortgesetzt werden können.
Wenige Tage später übersandte der Makler dem Versicherer die Rechnung des Tischlers über 2.208,60 Euro, in der zusätzliches Material von 168 Euro netto sowie 540 Euro netto für einen Facharbeiter und einen Lehrling für jeweils vier Stunden verrechnet wurden.
Als Begründung führte der Tischler in der Rechnung an, dass zusätzlich zum ursprünglichen Angebot kaputte Spanplatten im gesamten Vorraum demontiert und entsorgt werden mussten sowie „verleimte OSB-Platten N+F“ geliefert und verlegt wurden.
Der Versicherer lehnte daraufhin eine Übernahme der zusätzlichen Kosten mit der Begründung ab, dass die Rechnung über 1.840,50 Euro netto nicht den marktüblichen Preisen entsprechend anzusehen sei.
Die verrechnete Arbeitszeit für einen Facharbeiter und einen Lehrling würde einen Partiestundensatz von 135 Euro ergeben, was aus Sicht eines Sachverständigen auch mit einem Lehrling als nicht marktüblich anzusehen sei; es komme daher zu keiner Erhöhung der Freigabe.
In weiterer Folge machte der Versicherer auch eine Obliegenheitsverletzung und die Begrenzung der Entschädigung auf die notwendigen Reparaturkosten geltend; er argumentiert, dass keine überhöhten Kosten angefallen wären, wenn eine Nachbesichtigung möglich gewesen wäre.
Daraufhin wandte sich der Versicherungsnehmer über seinen Makler mit einem Schlichtungsantrag an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungssachen (RSS).
Der Versicherungsnehmer argumentiert, dass die Versicherungsbedingungen keine Einschränkung auf einen bestimmten Stundensatz vorsehen und dass es für eine Verletzung der Schadenminderungspflicht an seinem Verschulden mangle.
In ihrer Empfehlung erklärt die RSS, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Verletzung der Schadenminderungspflicht vorwirft, weil dieser dem Tischler überhöhte Reparaturkosten bezahlt habe.
Dem hält die RSS entgegen, dass der Versicherer bei der Freigabe des ursprünglichen Kostenvoranschlags keine Einwände gegen die pauschale Festlegung der Material- und Personalkosten gehabt habe.
Es erscheine darüber hinaus lebensfremd, wenn eine Fachfirma bereits mit der Reparatur des Bodens beauftragt war und mit den Arbeiten begonnen hat, diese Arbeiten abzubrechen, um einen Preisvergleich mit den Arbeitskosten einer anderen Fachfirma anzustellen.
Der Versicherungsnehmer sei daher keine Verletzung der Obliegenheit zur Schadenminderung vorzuwerfen, so die Schlichtungskommission, jedenfalls aber kein grobes Verschulden im Sinne des § 6 Abs. 3 VersVG an einer solchen Obliegenheitsverletzung.
Ebenfalls keine Verletzung der Obliegenheit erkennt die RSS in Bezug auf die Pflicht, dem Versicherer jede Untersuchung über die Ursache und Höhe des Schadens und über den Umfang seiner Entschädigungsleistung zu ermöglichen.
Es sei nämlich „unglaubwürdig“, dass ein Versicherer, der bei einer Schadensumme von brutto 1.359 Euro auf eine Besichtigung verzichtet, wegen weiterer 849,60 Euro eine Nachbesichtigung durchführen lassen will.
Jedenfalls wäre der Versicherer gehalten gewesen, eine solche Nachbesichtigung sofort zu veranlassen, weil dem Versicherungsnehmer eine weitere Unterbrechung der Bauarbeiten nicht zumutbar sei, so die RSS.
Die RSS empfahl dem Versicherer deshalb die Zahlung von weiteren 849,60 Euro aus diesem Schadenfall.
Die Empfehlung der RSS kann als PDF-Dokument (173 KB) von der Website des Fachverbandes heruntergeladen werden.
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