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Millionenstreit um Versicherung für zerstörte Yacht

8.9.2025 – Der OGH entschied: Der Skipper, der bei der Eigentümerin des Bootes keine Funktion bekleidet hat, kann ihr nicht zugerechnet werden, wenn es um die Herbeiführung des Schadens oder die Verletzung der Schadensminderungspflicht geht. Allerdings war er für die Schadensabwicklung im Versicherungsfall bevollmächtigt. Die unrichtige Schadensmeldung ist daher der Versicherungsnehmerin zuzurechnen. Sollte dies mit Täuschungsabsatz verbunden gewesen sein, sind die Versicherer der Yacht leistungsfrei.

Der Katamaran war am felsigen Ufer gestrandet (Symbolfoto, Bild: uncommonmovie auf Pixabay)
Der Katamaran war am felsigen Ufer gestrandet (Symbolfoto, Bild: uncommonmovie auf Pixabay)

Die R. Ltd., Tochtergesellschaft einer österreichischen Privatstiftung, hat im Jahr 2008 einen Katamaran gekauft. Einer der Stifter ist K.U., der das Boot in der Folge als Skipper (laut Wikipedia verantwortlicher Bootsführer in der Freizeitschifffahrt) nutzen durfte.

Für den Katamaran wurde 2008 bei einem Konsortium von Versicherungen ein Kaskoversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von 2.120.000 Euro abgeschlossen. Vereinbart ist österreichisches Recht.

Unterzeichnet wurde der Versicherungsvertrag von der damaligen Geschäftsführerin der R. Ltd., als autorisierte Person im Verlustfall wird im Vertrag K.U. genannt.

Bedingungslage

Laut Bedingungen haftet der Versicherer für Verlust und Beschädigung bei Strandung, Wassereinbruch, Sinken und Aufgrundgeraten. Kein Ersatz wird geleistet, wenn der Schaden vom Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde.

Im Versicherungsfall ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, den Schaden unverzüglich zu melden. Weiters muss er aus eigener Initiative alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, die zur Abwendung und Minderung des Schadens als geeignet in Betracht kommen.

Außerdem ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, dem Versicherer ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und alle Auskünfte zu erteilen, die aus Sicht des Versicherers zur Feststellung des Versicherungsfalles und der Leistungspflicht erforderlich sind.

Versicherungsfall

Als der Katamaran im September 2012 in einem Hafen lag, herrschten schlechtes Wetter, eine Windstärke von fünf bis sechs Beaufort und es gab höhere Wellen in kurzen Abständen. Die Leinen rissen und der Katamaran trieb von seinem exponierten Liegeplatz zum nahen, felsigen Ufer.

Wären Rettungsmaßnahmen kurz nach dem Loslösen des Katamarans von der Boje oder nach dem Stranden vorgenommen worden, hätte der Katamaran wahrscheinlich gerettet werden können. Entscheidend für den Erfolg von Rettungsmaßnahmen war eine kurze Zeitspanne von einer dreiviertel Stunde.

Von den Versicherern fordert die R. Ltd. eine Zahlung in Höhe von 2.120.000 Euro. Die Versicherungen lehnen dies ab; K.U. sei der R. Ltd. zuzurechnen, habe die Strandung der Yacht zumindest grob fahrlässig herbeigeführt sowie Rettungs- und Bergungsmaßnahmen vereitelt.

Auch sei die Erstattung eines wahrheitsgemäßen Schadensberichts eine wesentliche Obliegenheit des Versicherungsnehmers. K.U. sei für die Erstattung des Schadensberichts und die Abwicklung des Schadenfalls von der R. Ltd. bevollmächtigt gewesen und habe umfangreiche unrichtige Angaben gemacht.

Vorinstanzen mit unterschiedlichen Entscheidungen

Im bereits zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage ab. Die zumindest grob fahrlässig unrichtigen Angaben von K.U. in der Schadensmeldung hätten sowohl auf die Feststellung des Versicherungsfalls als auch auf den Umfang der Versicherungsleistung Einfluss gehabt.

Das Berufungsgericht entschied dagegen in einem Zwischenurteil, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Das Verhalten von K.U. sei nicht der R. Ltd. zuzurechnen, daher wäre die Versicherung auch bei einer wahrheitsgemäßen Schadenmeldung leistungspflichtig gewesen.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts legten die beklagten Versicherer Revision beim Obersten Gerichtshof ein. Dieser betont in seiner rechtlichen Beurteilung einleitend, es sei die wesentliche zu klärende Frage, ob das Verhalten von K.U. der R. Ltd. zuzurechnen sei.

Zurechenbarkeit von Dritten zum Versicherungsnehmer

Nach ständiger Rechtsprechung könne aus dem VersVG keine Repräsentantenhaftung abgeleitet werden, so der OGH. Das Verhalten eines Dritten könne daher nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen.

Dem Versicherungsnehmer sei das Verhalten von Personen nur dann zuzurechnen, wenn diese ausschließlich als Vertreter des Versicherungsnehmers zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses dem Versicherer gegenüber bestellt worden sind.

Eine Zurechnung komme daher nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer die Verantwortung darüber, wie im Rahmen des Versicherungsverhältnisses gegenüber der Versicherung vorzugehen ist, gänzlich aus der Hand gegeben hat und die dritte Person insofern an seine Stelle tritt.

Im vorliegenden Fall habe K.U. bei der R. Ltd. keine Funktion ausgeübt. Eine allfällige vorsätzliche bzw. grob schuldhafte Herbeiführung der Schäden oder eine allfällige Verletzung der Schadensminderungspflicht durch ihn sei daher der R. Ltd. nicht zuzurechnen. Eine Leistungsfreiheit der Versicherer aus diesem Grund scheide aus.

Haftung für Aufklärungsobliegenheit

Was die Aufklärungsobliegenheit betrifft, hafte der Versicherungsnehmer für eine falsche, unvollständige, verspätete oder sogar unterlassene Information des Versicherers durch den von ihm bevollmächtigten Dritten gleich wie für eigenes Verschulden, so der OGH.

Insbesondere aus der Formulierung im Vertrag, wonach K.U. im Verlustfall autorisierte Person sein sollte, folge „jedenfalls“ dessen Bevollmächtigung zur Erstattung von Schadensmeldungen.

Aus den erkennbaren Gesamtumständen, nämlich der Bevollmächtigung von K.U. zur Schadensabwicklung im Versicherungsfall und der Verfassung der Schadensmeldung konkret durch ihn, könne objektiv nur darauf geschlossen werden, dass er im Rahmen der Bevollmächtigung für die R. Ltd. tätig wurde.

Damit treffe die Rechtsansicht der Vorinstanzen zu, dass eine allfällig unrichtige Schadensmeldung durch den Skipper K.U. der Versicherungsnehmerin R. Ltd. zuzurechnen ist.

Kausalitätsgegenbeweis

Den Versicherer treffe die Beweislast für das Vorliegen des objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung. Werde eine solche nachgewiesen, müsse der Versicherungsnehmer beweisen, dass er diese weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat.

Gelingt ihm dies nicht, so stehe ihm noch der Kausalitätsgegenbeweis offen, also der Nachweis, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat.

Wenn die Obliegenheitsverletzung nur Einfluss auf allfällige Regressansprüche des Versicherers, nicht aber auf die von ihm zu erbringende Versicherungsleistung gehabt hat, bestehe keine Leistungsfreiheit des Versicherers; allenfalls könnten aber Schadenersatzansprüche begründet werden.

Ausgeschlossen ist der Kausalitätsgegenbeweis aber in Fällen, in denen die Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt wird, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren. Der Versicherungsnehmer müsse nachweisen, dass er keinen Täuschungsvorsatz hatte.

Zurück zum Berufungsgericht

Im vorliegenden Fall war das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass kein solcher Täuschungsvorsatz („dolus coloratus“) vorlag. Dazu würden allerdings Tatsachenfeststellungen fehlen, so der OGH.

Es gebe auch keine gesicherte Sachverhaltsgrundlage, die die Beurteilung erlaubt, ob durch unrichtige Angaben im Schadensbericht die Aufklärungsobliegenheit verletzt wurde.

Zweifellos hätten Angaben zu den korrekten Umständen im Zusammenhang mit dem Unfallablauf und der Verantwortlichkeit der Beteiligten Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles und der Leistungspflicht der Versicherer.

Erst, nachdem eine Obliegenheitsverletzung bejaht wurde, stelle sich die Frage nach dem Grad des Verschuldens, des Kausalitätsgegenbeweises und des Vorliegens von dolus coloratus. Die Rechtssache wurde vom OGH zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob24/25t vom 21. Mai 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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