Nach Sturz in Tiefgarage: OGH klärt Haftungsfrage

19.12.2025 – Orientierungslosigkeit entbinde nicht von der Verpflichtung, auf den Weg vor den eigenen Füßen zu achten. Weil Hinweisschilder sich üblicherweise in Augenhöhe befinden, sei auch keine atypische Gefahrensituation vorgelegen. Für das beklagte Unternehmen habe keine Veranlassung für eine weitergehende Markierung bestanden, die Klage wurde abgewiesen.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

In der Tiefgarage eines Einkaufszentrums befindet sich eine für die Führung einer Brandschiebetür notwendige Vertiefung mit einer Breite von 59 cm und einer Tiefe von 15 cm. Die Vertiefung ist farblich von der übrigen Fläche nicht unterschieden, ist aber aufgrund der Beleuchtung gut sichtbar.

An den Wänden der Tiefgarage sind Hinweisschilder für die Geschäfte des Einkaufszentrums in Augenhöhe oder über Kopf angebracht. R. wollte die Filiale eines dieser Unternehmen aufsuchen und achtete in der Garage auf die Beschilderung.

Er ging auf einer erhöhten Bodenfläche, übersah die Vertiefung, stürzte und verletzte sich. Von dem Unternehmen, zu dem er unterwegs war, fordert er in einer Klage 18.500 Euro Schadenersatz und Übernahme der Haftung für zukünftige Schäden.

Vorinstanzen widersprüchlich

Er argumentiert, das Unternehmen habe seine (vor-)vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt, weil die Vertiefung nicht farblich markiert war. Das Unternehmen erklärt dagegen, R. habe seiner Wegstrecke nicht die nötige Aufmerksamkeit zugewandt und sei deshalb gestürzt.

Das Erstgericht urteilte, dass die Forderung dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe, die Feststellung der Haftung wies es ab. Ein Benutzer der Tiefgarage habe nicht mit der nicht gekennzeichneten Vertiefung rechnen müssen, R. hätte sie aber bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen können.

Das Berufungsgericht dagegen wies die Klage ab. Bei objektiver Betrachtung hätte R. die Vertiefung problemlos erkennen können, auch weil die gelbe Umrandung der erhöhten Bodenfläche an dieser Stelle unterbrochen ist. Das Unternehmen habe seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt.

Zum Ausmaß der Sicherungspflicht

R. wandte sich daraufhin in einer Revision an den Obersten Gerichtshof. Dieser geht in seiner rechtlichen Beurteilung auf den Umfang der Verkehrssicherungspflichten ein.

Diese würden davon abhängen, ob ein sorgfältiger Mensch erkennen kann, dass eine Gefahr der Verletzung von anderen besteht und ob bestimmte Maßnahmen zur Vermeidung dieser Gefahr zumutbar sind. Entscheidend sei, ob eine naheliegende und voraussehbare Gefahrenquelle bestand.

Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten dürften aber nicht überspannt werden, damit sie keine vom Gesetz nicht vorgesehene, vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben, betont der OGH.

Kein Anlass für weitere Markierung

Im vorliegenden Fall hätten die Feststellungen ergeben, dass die Vertiefung aufgrund der Ausleuchtung der Garage so rechtzeitig sichtbar war, dass sie ohne Verletzungsgefahr hätte überwunden werden können.

Die Vertiefung sei zwar selbst nicht markiert gewesen, die Unterbrechung der gelben Randmarkierung der erhöhten Fläche habe aber einen zusätzlichen visuellen Hinweis geboten.

Auch wenn eine weitere Markierung prinzipiell möglich gewesen wäre, habe das Unternehmen nicht damit rechnen müssen, dass die gut erkennbare Vertiefung übersehen wird; es habe deshalb auch keine Veranlassung für eine weitere Markierung oder für Warnhinweise bestanden, so der OGH.

Pflicht, auf den Weg zu achten

Dass die Hinweisschilder auf die Geschäfte des Einkaufszentrums in Augenhöhe oder über Kopf angebracht waren, ändere daran nichts.

Orientierungszeichen würden sich üblicherweise in Augenhöhe befinden; eine besondere oder atypische Gefahrensituation aufgrund der Beschilderung sei damit nicht vorgelegen. Orientierungslosigkeit entbinde nicht von der Verpflichtung, auf den Weg vor den eigenen Füßen zu achten.

Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Fall keine Verpflichtung des beklagten Unternehmens zu einer weitergehenden Kennzeichnung gesehen hat, sei dies nicht korrekturbedürftig. Die Revision wurde vom OGH daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 9Ob106/25s vom 23. Oktober 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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