18.8.2025 – Der OGH entschied: Notwendige und zweckentsprechende Kosten eines Geschädigten, die bei außerprozessualer Einschaltung eines Beraters in Versicherungsangelegenheiten im Rahmen dessen gewerberechtlicher Befugnisse anfallen, sind als Schadenersatzansprüche zu behandeln. Die Entscheidung sei ein epochaler Erfolg für die gesamte Branche, betont der Österreichische Versicherungs Treuhandverband ÖVT.
Nach einem Verkehrsunfall fordert die Halterin eines Lkw vom gegnerischen Haftpflichtversicherer Schadenersatz, darunter 360 Euro für aufgewendete Kosten der außergerichtlichen Schadenregulierung und Betreibung durch einen Berater in Versicherungsangelegenheiten.
Letzteres stützt sie auf § 1333 Absatz 2 ABGB, der bestimmt, dass ein Gläubiger unter anderem den Ersatz von Schäden geltend machen kann, die vom Schuldner verursacht wurden und ihm erwachsen sind. Dazu zählen auch außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen.
Während das Erstgericht vom Alleinverschulden des Lkw-Lenkers ausging und die Klage zur Gänze abwies, sah das Berufungsgericht eine Verschuldensteilung. In Bezug auf die 360-Euro-Forderung wies es die Klage „wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs“ zurück.
Es erklärte, § 1333 Absatz 2 ABGB regle ausschließlich außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungskosten einer als unstrittig angenommenen Forderung. Kosten für die Vertretung durch einen Berater in Versicherungsangelegenheiten seien dagegen vorprozessuale Kosten.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts legte die Lkw-Halterin Rekurs beim Obersten Gerichtshof ein. Zu prüfen sei im vorliegenden Fall, ob die Verneinung der Zulässigkeit des Rechtswegs zutrifft oder nicht, so der OGH einleitend in seiner rechtlichen Beurteilung.
Relevant sei hier § 137 Absatz 1 Ziffer 2 der Gewerbeordnung (GewO), wonach zur Versicherungsvermittlung das Mitwirken bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen insbesondere im Schadensfall zählt.
Dies ermögliche es einem Berater in Versicherungsangelegenheiten, eine aus einem Schaden resultierende Leistung eines Versicherungsunternehmens gegenüber diesem für den von ihm Vertretenen geltend zu machen, so der OGH.
Auch dürfe er bei Anerkennung eines Leistungsanspruchs durch das Versicherungsunternehmen „namens des von ihm Vertretenen“ Verhandlungen über die Höhe des Schadens führen und Abmachungen mit dem Versicherer abschließen.
Mit der 2002 eingeführten Bestimmung des § 1333 Absatz 2 ABGB habe der Gesetzgeber die bis dahin umstrittene Frage der Ersatzfähigkeit von Inkassokosten allgemein lösen wollen, indem diese nun als Schadenersatzanspruch behandelt werden, erläutert der OGH.
Die Regelung ziele auf das Realisieren einer Forderung und die Vermeidung eines Prozesses. Damit ändere sie nichts am bestehenden anwaltlichen Tarifgefüge, dessen Ansprüche auf der Verdienstlichkeit des Rechtsanwalts im Prozess aufbauen.
In der Literatur werde vertreten, dass Tätigkeiten der Versicherungsberater ebenso wie Maßnahmen eines Inkassoinstituts Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen in Bezug auf offene Forderungen und damit auf Prozessvermeidung gerichtet seien.
Für die Durchsetzung vorprozessualer Kosten, die im Sinn des § 41 Zivilprozessordnung (ZPO) als Prozesskosten anzusehen sind, stehe dagegen der Rechtsweg nicht offen. Diese Kosten seien nur im besonderen Kostenverfahren nach den §§ 40ff ZPO geltend zu machen.
Bei Abwägung aller Argumente würden die besseren Gründe für die Anwendung des § 1333 Absatz 2 ABGB sprechen, so der OGH. Das Berufungsgericht sei daher zu Unrecht vom Vorliegen der Unzulässigkeit des Rechtswegs ausgegangen.
Kosten für die außerprozessuale Einschaltung eines Beraters in Versicherungsangelegenheiten im Rahmen seiner gewerberechtlichen Befugnisse würden sich „zwanglos“ unter den weiten Wortlaut des § 1333 Absatz 2 ABGB subsumieren lassen.
Zwar treffe es zu, dass die dass die außerprozessuale Tätigkeit des Beraters in Versicherungsangelegenheiten eine starke inhaltliche Nähe zu anwaltlichem Handeln aufweist.
In zumindest gleichem Ausmaß bestehe aber eine Vergleichbarkeit mit dem Vorgehen von Inkassoinstituten, insbesondere im Hinblick auf das ausschließlich außergerichtliche Agieren und das damit eindeutig im Vordergrund stehende Ziel einer außergerichtlichen Lösung.
Für die außerprozessuale Einschaltung eines Beraters in Versicherungsangelegenheiten im Rahmen dessen gewerberechtlicher Befugnisse aufgewendete notwendige und zweckentsprechende Kosten des Geschädigten seien daher als Schadenersatzansprüche zu behandeln, so der OGH.
Der Rekurs erwies sich als zulässig und berechtigt, die Rechtssache wurde vom OGH im Umfang von 360 Euro samt Zinsen an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem insoweit die Sachentscheidung über die Berufung der Klägerin aufgetragen.
Wie der ÖVT – Verband Österreichischer Versicherungstreuhänder und Mediatoren in Versicherungsangelegenheiten betont, habe dessen Vizepräsident Hannes Unger, um dessen Ansprüche es im Prozess gegangen ist, damit einen epochalen Erfolg für die Branche eingefahren.
„Jahrzehntelange Detailarbeit, gepflastert mit vielen Fehlurteilen und Rückschlägen“, sei mit dem Urteil belohnt worden. Betreibungs-, Einbringungsmaßnahmen und Honoraransprüche seien nun als Schadenersatzansprüche zu behandeln.
Damit habe „ein neues Zeitalter für die Experten im Schadenmanagement begonnen“; trotzdem sei Vorsicht geboten, weil zahlreiche Fallen und Stolpersteine auf dem Weg zum Erfolg lauern, so der ÖVT.
Die OGH-Entscheidung 2Ob104/25w vom 29. Juli ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.
Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.
Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.
Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.
Ihre Vorteile