24.10.2025 – Der Versicherungsnehmer hatte seinen früheren Mitbewohner damit beauftragt, ihm Post zu übergeben. Außerdem musste er mit Mahnungen rechnen, weil er in einer finanziellen Notlage war und seine Bank Lastschriftaufträge nicht mehr durchführte. Für den OGH steht damit fest, dass die Mahnung als zugestellt anzusehen war, unabhängig davon, ob sie eingeschrieben versandt wurde.

Angeblich erreichte eine qualifizierte Mahnung nach § 39 VersVG für eine Versicherung einen Versicherungsnehmer nicht, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an der dem Versicherer bekannt gegebenen Adresse wohnte.
In einer außerordentlichen Revision wurde der Oberste Gerichtshof mit der Frage befasst, ob die Mahnung im Sinne des § 862a ABGB als dem Versicherungsnehmer zugegangen anzusehen sei und ob die Erfordernisse des § 10 VersVG eingehalten wurden.
In seiner rechtlichen Beurteilung betont der OGH einleitend, dass eine qualifizierte Mahnung ihre Wirkung nur dann entfaltet, wenn sie dem Versicherten zugegangen ist. Dafür müsse sie aber in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein.
Dies treffe im Sinne der sogenannten Empfangstheorie dann zu, wenn die Kenntnisnahme durch den Empfänger unter normalen Umständen erwartet werden konnte und Störungen, die sich dem entgegenstellen sollten, nur noch im Lebensbereich des Adressaten möglich sind.
Verhindere ein Empfänger absichtlich den Zugang, so ändere sich nichts an der Rechtswirksamkeit der Empfangserklärung, die Zustellung werde zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger unter gewöhnlichen Umständen zugegangen wäre.
Die Verpflichtung, für die Möglichkeit des Zugangs von rechtsgeschäftlichen Erklärungen vorzusorgen, sei umso stärker zu gewichten, je eher mit der Möglichkeit des Einlangens einer solchen Erklärung zu rechnen ist, so der OGH.
Ein mit der Zahlung der Folgeprämie in Verzug geratener Versicherungsnehmer müsse grundsätzlich mit dem Zugang einer qualifizierten Mahnung rechnen. Geprüft werden müsse dabei, ob dem Versicherungsnehmer aufgrund der konkreten Umstände die Kenntnisnahme der Mahnung möglich war.
Ebenso sei zu prüfen, ob dem Versicherungsnehmer vorgeworfen werden kann, den Zugang wider Treu und Glauben verhindert zu haben.
Im vorliegenden Fall habe der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Zustellung der Mahnung zwar nicht mehr an der dem Versicherer bekanntgegebenen Adresse gewohnt, er hatte aber mit seinem bisherigen Mitbewohner vereinbart, dass dieser ihm die Post übergibt.
Darüber hinaus habe er wegen des Verzugs der Prämienzahlung mit Mahnungen rechnen müssen, dies umso mehr, als ihm bereits Prämienvorschreibungen für diese Versicherung sowie Mahnungen desselben Versicherers aus einer anderen Versicherung dort zugestellt wurden.
Außerdem habe er sich in einer finanziellen Notlage befunden, seine Bank hatte bestehende Lastschriftaufträge mangels Kontodeckung nicht mehr durchgeführt. Er habe daher mit einer Mahnung rechnen müssen und habe auch die besondere Bedeutung von Mahnungen von Versicherungen gekannt.
Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass dem Versicherungsnehmer die Mahnung zugegangen ist, schließt sich der Oberste Gerichtshof deshalb an.
Nicht in jedem Fall müssten bei einem Wohnungswechsel qualifizierte Mahnungen im Sinne des § 39 VersVG eingeschrieben übermittelt werden, betont der OGH. Die in § 10 VersVG genannte Form des eingeschriebenen Briefes sei nur für die rechtswirksame Annahme der Zustellfiktion erforderlich.
§ 10 VersVG bestimmt, dass eine Erklärung bei einem Wohnungswechsel des Versicherungsnehmers, den er dem Versicherer nicht mitgeteilt hat, wirksam wird, wenn der Versicherer einen eingeschriebenen Brief an die letzte ihm bekannte Wohnung gesandt hat.
Alternativ stehe dem Versicherer aber für eine die Rechtsfolgen herbeiführende Zustellung auch der Nachweis offen, dass dem Erklärungsempfänger die qualifizierte Mahnung tatsächlich zugekommen, also in dessen Machtbereich gelangt ist.
Da dies im vorliegenden Fall zutrifft, sei die Frage, ob der Brief eingeschrieben gesandt wurde, irrelevant. Die außerordentliche Revision wurde vom Obersten Gerichtshof mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 7Ob95/25h vom 25. September 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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