2.10.2024 – Ein Arzt hat auf Basis eines Gruppenversicherungsvertrags eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen, in der medizinisch nicht indizierte Eingriffe ausgeschlossen sind. Der OGH entschied: Diese Regelung ist nicht gröblich benachteiligend, der Arzt muss selbst für ausreichenden Versicherungsschutz sorgen.
Die Patientin eines Facharztes für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie fordert von diesem wegen einer angeblich fehlerhaften Nasenoperation Schadenersatz. Der Arzt begehrt von seinem Berufshaftpflichtversicherer Deckung für die Abwehr dieser Ansprüche.
Diese Versicherung basiert auf einer von der zuständigen Ärztekammer getroffenen Rahmenvereinbarung; der Abschluss der einzelnen Versicherungsverträge erfolgt dabei durch die Mitglieder der Kammer auf freiwilliger Basis.
Der Arzt hatte in seinem Antrag das Fachgebiet „Facharzt(ärztin) für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie (med. indiziert) Nicht medizinisch indizierte Eingriffe sind nur auf Anfrage versicherbar“ gewählt.
Derselbe Versicherer bietet auch eine Versicherung für nicht medizinisch indizierte Eingriffe zu einer höheren Prämie an; der Facharzt hat keine diesbezügliche Anfrage an den Versicherer gestellt.
Der Versicherer lehnte eine Deckung ab; der Eingriff sei medizinisch nicht indiziert gewesen. Der Arzt reichte daraufhin Klage ein, das Erstgericht gab der Deckungsklage statt. Es erklärte, der Begriff der medizinischen Indikation sei nicht definiert, die Klausel daher gröblich benachteiligend.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Arzt hatte erklärt, der Eingriff sei medizinisch indiziert gewesen, das Erstgericht habe sich aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht damit nicht befasst.
Der Arzt legte gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts Rekurs beim Obersten Gerichtshof ein. Dieser erklärt in seiner rechtlichen Beurteilung einleitend, dass es sich im vorliegenden Fall um eine unechte Gruppenversicherung handle.
Bei dieser lege der Rahmenvertrag nur die Eckpunkte des Versicherungsvertrags fest, der Versicherungsnehmer schließe den Vertrag dann im eigenen Namen und im eigenen Interesse ab.
Der angesprochene Adressatenkreis der Ärzte verstehe den Begriff der medizinischen Indikation und sei damit in der Lage, den für ihn passenden Versicherungsschutz auszuwählen, so der OGH. Eine gröbliche Benachteiligung sei darin „nicht ansatzweise zu erblicken“.
Im vorliegenden Fall sehe die Rahmenvereinbarung einen Versicherungsschutz für alle Tätigkeiten vor, zu denen der versicherte Arzt berechtigt ist, „soweit dafür keine höhere Versicherungsprämie erforderlich ist“.
Es wäre dem Arzt ohne weiteres möglich gewesen, gegen eine höhere Prämie Versicherungsschutz auch für medizinisch nicht indizierte Eingriffe zu erhalten. Darauf sei im Antrag auch ausdrücklich hingewiesen worden.
Ärzte seien zwar zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet, so der OGH. Das bedeute aber nicht, dass der Versicherer überprüfen muss, ob jeder geschlossene Versicherungsvertrag dieser Verpflichtung zur Gänze entspricht.
Dem einzelnen Arzt sei es nämlich möglich, auch andere Versicherungsverträge zu schließen; es sei seine Pflicht, für ausreichenden Versicherungsschutz zu sorgen. Der Versicherer hafte auch in der Pflichtversicherung nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr.
Da der Arzt hier von einem Versicherungsmakler vertreten wurde, habe den Versicherer auch keine Aufklärungspflicht getroffen. In diesem Fall seien die Informationspflichten grundsätzlich herabgesetzt und beschränken sich auf die Erbringung allgemeiner Risikohinweise.
Der Rekurs des Arztes gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde daher zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 7Ob88/24b vom 28. August 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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