14.8.2025 – Eine Reiseversicherung sah vor, dass eine Stornierung wegen einer Schwangerschaft nur dann gedeckt ist, wenn die Versicherung innerhalb von drei Tagen nach der Reisebuchung abgeschlossen wird. Der OGH entschied: Aufgrund des Alters und Geschlechts der Kundin sei eine Schwangerschaft ein erkennbar relevantes Risiko gewesen, das Reisebüro hätte sie über diese Deckungseinschränkung informieren müssen.
Eine damals 24-Jährige buchte im Dezember 2022 gemeinsam mit ihrem Verlobten in einem Reisebüro für den Zeitraum vom 15. bis 26. Juli 2023 eine Pauschalreise nach Sansibar. Sie teilte der Mitarbeiterin des Reisebüros mit, dass es sich um ihre Hochzeitsreise handeln werde.
Die Reisebüromitarbeiterin schlug ihr für die Reise eine Reiseversicherung vor, die 750 Euro kosten sollte. Wegen der Höhe der Kosten wollte sich die Kundin den Abschluss des Versicherungsvertrags noch überlegen. Man sagte ihr daraufhin, sie könne sich melden, wenn sie die Versicherung doch noch abschließen wolle.
Am fünften Tag nach der Reisebuchung rief die Kundin im Reisebüro an und erklärte, sie wolle die Versicherung abschließen. Daraufhin erhielt sie einen Link zur Website des Versicherers, über den sie einen Reiseversicherungs- und Reiserücktrittsversicherungsvertrag abschloss.
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sahen vor, dass ein Rücktritt vom Reisevertrag wegen einer Schwangerschaft nur dann versichert ist, wenn der Versicherungsvertrag innerhalb von drei Tagen nach der Reisebuchung abgeschlossen wird.
Am 4. Juli 2023 erfuhr die Kundin, dass sie schwanger war. Zwei Tage darauf erklärte sie deshalb den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag. Von ihrem Versicherer forderte sie die Erstattung der Rücktrittsgebühr in Höhe von 6.238 Euro.
Der Versicherer lehnte eine Zahlung ab, da der Versicherungsvertrag erst am fünften Tag nach der Reisebuchung abgeschlossen worden war. Die Versicherungsnehmerin reichte daraufhin Klage gegen das Reisebüro ein, dieses habe seine Aufklärungspflicht als Reisevermittlerin verletzt.
Sie argumentiert, man habe ihr nicht mitgeteilt, dass eine Schwangerschaft nur versichert ist, wenn der Versicherungsvertrag innerhalb von drei Tagen nach der Reisebuchung abgeschlossen wurde. Hätte sie dies gewusst, hätte sie den Vertrag innerhalb der Dreitagefrist abgeschlossen.
Das Reisebüro erklärt dagegen, als Reisevermittlerin nicht zur Aufklärung über den Deckungsumfang der Reiseversicherung und die dafür maßgeblichen Umstände verpflichtet zu sein. Außerdem treffe die Klägerin ein Mitverschulden.
Sie habe nämlich ihr Interesse an der Deckung des Risikos einer Schwangerschaft dem Reisebüro nicht mitgeteilt und die Versicherungsbedingungen nicht gelesen. Außerdem habe sie ihre Schadenminderungsobliegenheit verletzt, da sie nicht vom Versicherungsvertrag zurückgetreten sei.
Im bereits zweiten Rechtsgang gaben Erst- und Berufungsgericht der Klage statt. Aufgrund der Umstände des Einzelfalls hätte das Reisebüro die Klägerin über die Abhängigkeit des Deckungsumfangs vom Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags aufklären müssen.
Da die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung den Vertrag fristgerecht abgeschlossen hätte, hafte das Reisebüro für die nicht gedeckte Rücktrittsgebühr. Ein Mitverschulden oder eine Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit sah das Berufungsgericht nicht.
Nach dieser Entscheidung wandte sich das Reisebüro in einer Revision an den Obersten Gerichtshof. Dieser geht einleitend auf die Aufklärungspflicht ein. Eine solche bestehe dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten durfte.
Im Einzelfall könne eine Nebenpflicht eines Reisebüros als Reisevermittler gegenüber dem Reisenden bestehen, diesen über den Inhalt eines Reiseversicherungsvertrags zu informieren, so der OGH. Eine solche Nebenpflicht des Reisebüros habe das Berufungsgericht im vorliegenden Fall gesehen.
Darin sei keine Fehlbeurteilung zu erblicken. Die Reise sollte erst ein halbes Jahr später angetreten werden, der Versicherungsvertrag wurde nur fünf Tage nach der Reisebuchung abgeschlossen; allerdings sei der Deckungsumfang zu diesem Zeitpunkt bereits geringer gewesen.
Diese Einschränkung des Deckungsumfangs habe ein für die Versicherungsnehmerin aufgrund ihres Geschlechts und Alters erkennbar relevantes Risiko betroffen. Nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs hätte sie eine Aufklärung über den geringeren Deckungsumfang erwarten dürfen.
Die Revision wurde vom Obersten Gerichtshof als nicht zulässig zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 4Ob110/25t vom 22. Juli 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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