OGH zu Grenzen der Transparenz in Versicherungsklauseln

18.6.2025 – Die Verwendung des Begriffs „versicherungsmathematische Grundsätze“ in Allgemeinen Versicherungsbedingungen verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des Konsumentenschutzgesetzes, so der Oberste Gerichtshof. Das Transparenzgebot würde durch eine detaillierte Erklärung ad absurdum geführt, seine Grenze sei dort, wo es funktionslos wird.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI), nach § 29 Absatz1 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) zur Verbandsklage berechtigter Verband, war vor Gericht gegen zwei Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Erlebens- und Rentenversicherungen vorgegangen.

Der beklagte Versicherer bietet eine „Bonusrente“ an, die durch Vorwegnahme eines Teiles der künftig zu erwartenden Gewinngutschriften finanziert wird und gleichzeitig mit der Rente aus der Stammversicherung fällig wird.

Es handle sich dabei laut Bedingungen um eine „mögliche andere Form der Gewinnverwendung während der Rentenzahlungsdauer“. Die Höhe der Bonusrente wird so lange beibehalten, als der jährliche Gewinnanteilsatz nicht unter das für die Bonusrente erforderliche Ausmaß sinkt.

Vorinstanzen untersagen Verwendung

Die Verwendung der beiden Klauseln wurde dem Versicherer von den Vorinstanzen untersagt. Für „Klausel 1“, wonach sich die vertragliche Rente 15 Jahre nach Rentenzahlungsbeginn vermindert, ist das Urteil bereits in Rechtskraft erwachsen.

Nur gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zur zweiten Klausel legte der Versicherer Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

  • Klausel 2: Sinkt der jährliche Gewinnanteilsatz unter das für die Bonusrente erforderliche Ausmaß, so werden die Bonusrente und die Bonusrentenanteile nach festgelegten versicherungsmathematischen Grundsätzen gekürzt.

Argumente der Parteien

Der VKI steht auf dem Standpunkt, dass die Klausel 2 einen möglichen vollständigen Wegfall der Bonusrente nicht anspreche, weshalb ihre Auswirkungen unklar blieben. Damit liege ein Verstoß gegen das aus dem § 6 Absatz 3 KSchG ableitbare Gebot der Vollständigkeit vor.

Darüber hinaus seien die in der Klausel erwähnten festgelegten versicherungsmathematischen Grundsätze dem Konsumenten nicht bekannt. Insgesamt sei die Klausel daher nach § 6 Absatz 3 KSchG intransparent.

Der Versicherer verweist darauf, dass es sich bei der Bonusrente um eine vorweggenommene Gewinnbeteiligung handelt; sie könne nie gänzlich entfallen. Dieses Modell sei aufsichtsbehördlich genehmigt worden.

Der Begriff der versicherungsmathematischen Grundsätze sei nicht unklar, da er vom Gesetzgeber in § 92 VAG verwendet wird, so der Versicherer.

OGH zum Transparenzgebot

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH einleitend auf das Transparenzgebot des § 6 Absatz 3 KSchG ein. Demnach sei eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist.

Im Verbandsprozess gehe es nicht nur darum, gesetzwidrige Klauseln zu verbieten, sondern auch darum, Klauseln zu beseitigen, die dem Konsumenten ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position oder ein unrichtiges Bild der Rechtslage vermitteln.

Sinn der Bestimmung sei es nämlich, dass sich der Kunde zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung informieren kann; es soll verhindert werden, dass er von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt werden.

Nötig sei dafür, dass Begriffe verwendet werden, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das könnten auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt einer eindeutigen Festlegung entzieht.

Kein Zuviel an Informationen

Bei der Beurteilung der Unverständlichkeit sei zu unterscheiden, ob der Verwender eine möglichst verständliche Formulierung gewählt oder die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Durchschnittskunden unnötig schwer verständlich formuliert hat, so der OGH.

Es könne aber nicht angehen, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen keine termini technici mehr verwenden könnten, weil sie den Verbrauchern nicht geläufig sind.

Gerade im Bereich komplexerer Anlage- oder Versicherungsprodukte sei eine gewisse Mindestkundigkeit des Verbrauchers zu unterstellen, damit nicht etwa ganze Branchen ihre juristische Kommunikationsfähigkeit verlieren.

Das Transparenzgebot könne auch durch ein Zuviel an Information ad absurdum geführt werden; es finde seine Grenze dort, wo es funktionslos wird. Dies treffe auf die Forderung nach einer detaillierten Erklärung versicherungsmathematischer Grundsätze in Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu.

Kürzung der Bonusrente nicht intransparent

In einer früheren Entscheidung habe der OGH bereits erklärt, dass nicht garantierte Leistungspflichten aufgrund zukünftiger, nicht absehbarer Entwicklungen kein Fall des § 6 Absatz 3 KSchG seien; dem Versicherer werde keine Willkür eingeräumt, da er der Überprüfung durch die Finanzmarktaufsicht (FMA) unterstehe.

Vor dem erstmaligen Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags müsse der Versicherer die versicherungsmathematischen Grundlagen, die dem Lebensversicherungsprodukt zugrunde liegen, der FMA vorlegen; er dürfe nur Verträge abschließen, die diesen Grundlagen entsprechen.

Nach den Feststellungen sei es nicht möglich, dass die Bonusrente zur Gänze wegfällt. Da die Klausel aber nichts über das Ausmaß einer möglichen Kürzung aussagt und dem Verbraucher auch nicht nahelegt, dass es nur ein geringes Ausmaß sein könnte, sei sie nicht intransparent, so der OGH.

Insgesamt erwies sich die Revision damit als berechtigt; in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen wurde dem Versicherer die Verwendung der Klausel 2 nicht untersagt.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob3/25d vom 21. Mai 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Lebensversicherung · Rente  · Versicherungsaufsicht · Versicherungsaufsichtsgesetz
 
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