11.6.2025 – Vor allem, weil der Steuerberater keine Selbstanzeige eingebracht hat, fordert der verurteilte Spion die Übernahme der Haftung für alle kausalen Folgen. Der Oberste Gerichtshof entschied: Das Spionageentgelt stammt aus sonstiger Erwerbstätigkeit und nicht aus dem allein versicherten privaten Bereich, für eine Klage gegen den Steuerberater wegen der nicht ordnungsgemäß versteuerten Mieteinnahmen muss der Rechtsschutzversicherer aber anteilig Deckung gewähren.
Im Jahr 2020 wurde M. rechtskräftig wegen des Verbrechens des Verrats von Staatsgeheimnissen, des Verbrechens der vorsätzlichen Preisgabe eines militärischen Geheimnisses und des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs verurteilt.
Darüber hinaus wurde ein Betrag von 145.500 Euro für verfallen erklärt. Das Gericht war davon ausgegangen, dass M. zumindest diesen Betrag für seine Spionagetätigkeit vom russischen militärischen Nachrichtendienst erhalten hatte.
Bereits 2018 hatte M. einer Steuerberatungskanzlei eine Vollmacht für die Vertretung in allen steuerlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden und Personen und in Verfahren in Steuerstrafsachen als Verteidiger erteilt.
Seine Einkünfte aus Spionagetätigkeit sowie jene aus der Vermietung eines Hauses im Zeitraum von 2010 bis 2019 hat M. nicht bzw. nicht ordnungsgemäß versteuert.
Aufgrund der Nichtabgabe bzw. unrichtigen Abgabe von Einkommensteuererklärungen wurde gegen M. für den Zeitraum von 2009 bis 2018 auch ein Einkommensteuerverfahren (wieder-)eröffnet sowie ein Strafverfahren wegen des Finanzvergehens einer Abgabenhinterziehung eingeleitet.
Im März 2023 forderte er über seinen Rechtsvertreter den Steuerberater deshalb auf, die Haftung für alle kausalen Schäden zu übernehmen, die aus nicht vorgenommenen Tätigkeiten, Maßnahmen und Rechtshandlungen, insbesondere aus der nicht vorgenommenen Selbstanzeige, resultieren.
Das Steuerberatungsunternehmen lehnte eine Haftungsanerkennung ab; eine strafbefreiende Selbstanzeige wäre in diesem Fall nicht mehr möglich gewesen. M. plant nun eine Klage gegen den Steuerberater und fordert dafür Deckung durch seinen Rechtsschutzversicherer.
M. verfügt über einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2013) zugrunde liegen. Vereinbart ist der Baustein „Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz“, nicht aber der Baustein „Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete“.
In Fällen, in denen bei Wahrnehmung rechtlicher Interessen Ansprüche zusammenfallen, für die teils Versicherungsschutz besteht und teils nicht, trägt der Versicherer nur die Kosten für die unter Versicherungsschutz stehenden Ansprüche bzw. anteilige Kosten im Verhältnis der Streitwerte.
Nach Artikel 7.2.5 sind Versicherungsfälle vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat sowie solche, die im Zusammenhang mit der Begehung eines Verbrechens durch den Versicherungsnehmer eintreten.
Der Rechtsschutzversicherer lehnte eine Deckung ab. Was die Vermietung betrifft, sei die Rechtsverfolgung dem nicht vereinbarten Baustein für Grundstückseigentum und Miete zuzuordnen, M. habe nur den Privatbereich versichert und es bestehe kein Rechtsschutz im Zusammenhang mit Verbrechen.
M. argumentiert dagegen, es liege ein Versicherungsfall der Rechtsschutzversicherung im Sinn der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen der Vertragsverletzung des Steuerberaters vor. Artikel 7.2.5 sei intransparent, gröblich benachteiligend und daher unwirksam.
Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Einkünfte aus Spionagetätigkeit würden nicht in den Privatbereich fallen. Die Einkünfte aus der Vermietung seien zwar dem Privatbereich zuzuordnen, weshalb insofern Versicherungsschutz bestünde.
Da aber beim Zusammentreffen von ausgeschlossenen und gedeckten Risiken insgesamt keine Versicherungsdeckung gegeben sei, bestehe keine Leistungspflicht des Versicherers. M. wandte sich daraufhin in einer Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH).
M. gründe seinen Deckungsanspruch auf den Rechtsschutzbaustein des Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutzes, betont der OGH. Laut den vereinbarten Bedingungen sei der private Lebensbereich, nicht aber der Berufs- oder Betriebsbereich oder eine sonstige Erwerbstätigkeit versichert.
Sonstige Erwerbstätigkeit umfasse dabei jede auf Dauer ausgerichtete, zur Erzielung eines Ertrags oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteils entwickelte Tätigkeit, die nicht als unselbständiger Beruf oder in Form eines Betriebs ausgeübt wird.
Eine Interessenwahrnehmung zähle dann nicht mehr zur privaten Sphäre des Versicherungsnehmers, wenn ein innerer sachlicher Zusammenhang von nicht untergeordneter Bedeutung zwischen der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen und der unternehmerischen Tätigkeit besteht, so der OGH.
Im vorliegenden Fall sei daher zu prüfen, ob die beabsichtigte Interessenwahrnehmung dem allein versicherten Privatbereich zuzuordnen ist.
M. habe als Offizier des österreichischen Bundesheeres Staats- und Militärgeheimnisse an eine fremde Macht verraten; diese Tätigkeit sei auf Dauer ausgelegt gewesen und M. habe dafür Einnahmen „in nicht unbeträchtlicher Höhe“ erzielt.
Eine Interessenwahrnehmung oder Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Steuerberater wegen der Unterlassung der Selbstanzeige im Zusammenhang mit der Versteuerung von Einkünften aus dieser sonstigen Erwerbstätigkeit sei damit nicht vom Versicherungsschutz umfasst.
Ein Eingehen auf den vom Versicherer im Zusammenhang mit den Spionageeinkünften eingewandten Risikoausschluss des Artikels 7.2.5 ARB erübrige sich daher, so der OGH.
Das Vermieten von Wohnungen oder Gewerberäumen sei ungeachtet ihrer steuerrechtlichen Qualifikation in der Regel nicht gewerblicher Natur. Sie diene der privaten Kapitalanlage, solange der Vermieter nicht die Absicht hat, sich daraus eine berufsmäßige Einnahmequelle zu verschaffen.
Notwendig für die Unternehmereigenschaft eines Vermieters seien die Beschäftigung dritter Personen, das Vorliegen mehrerer Mietverträge, eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung, die Einschaltung anderer Unternehmen oder Erfüllungsgehilfen sowie längere Vertragsbindungen.
Da der Kläger im vorliegenden Fall Einkünfte aus der Vermietung bloß seines Elternhauses erzielte, würden keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er im Zusammenhang mit der Vermietung unternehmerischen Einsatz entfaltete. Die Tätigkeit sei daher dem Privatbereich zuzuordnen.
Der Versicherer argumentiere, dass die dem Steuerberatungsunternehmen gegenüber beabsichtigten Schadenersatzansprüche dem nicht vereinbarten Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete zu unterstellen sind. Dem widerspricht der OGH.
Versicherungsschutz für Grundstückseigentum und Miete könne unter anderem für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Miet- und Pachtverträgen sowie aus dinglichen Rechten vereinbart werden. Es gebe keinen Grund für eine Anwendung auf die von M. angestrebte Rechtsverfolgung.
Der Versicherungsfall liege hier darin, dass das Steuerberatungsunternehmen durch das (behauptete) Unterbleiben der Selbstanzeige gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen haben soll. Die Nichtvereinbarung des Rechtsschutzbausteines für Grundstückseigentum und Miete schade nicht.
Auch der Risikoausschluss für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Steuer-, Zoll- und sonstigen Abgabenrechts greife nicht, so der OGH. Und bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten sei in der Rechtsschutzversicherung kein strenger Maßstab anzulegen.
Wegen des Zusammentreffens des gedeckten Risikos im Zusammenhang mit den Mieteinnahmen und dem ausgeschlossenen Risiko Spionageentgelt habe das Berufungsgericht eine Leistungsfreiheit des Versicherers festgestellt.
Diese Rechtsansicht wird vom OGH nicht geteilt. Werden in einem Verfahren versicherte und nicht versicherte Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt, trage der Versicherer die Kosten anteilig im Verhältnis der Streitwerte oder Bemessungsgrundlagen zueinander.
Hier habe der Versicherer daher Versicherungsschutz für die Rechtsverfolgung (die anteiligen Kosten des Verfahrens) im Zusammenhang mit den Einkünften aus Miete/Pacht, nicht jedoch im Zusammenhang mit den Einkünften aus der Spionagetätigkeit zu gewähren.
Die Revision erwies sich damit teilweise als berechtigt, das Urteil des Berufungsgerichts wurde von den Höchstrichtern entsprechend abgeändert.
Die OGH-Entscheidung 7Ob218/24w vom 22. April 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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