13.5.2025 – Weil sie die Prämien für sechs Pensionsversicherungsverträge nicht mehr zahlen konnten, empfahl ein Versicherungsmakler den Versicherungsnehmern, die Verträge auf ihn zu übertragen. Dass sie damit alle Rechte aus den Verträgen verlieren, war ihnen nicht bewusst. Die Versicherungsnehmer forderten in einer Klage unter anderem die Feststellung, dass die Übertragung der Verträge nicht rechtswirksam erfolgte. Der OGH entschied: Es lag keine wirksame Willenserklärung der Versicherungsnehmer vor, der Klage wurde im Wesentlichen stattgegeben.
Ein Versicherungsmakler hatte einem Ehepaar im Zeitraum von 2006 bis 2012 jeweils drei Pensionsversicherungsverträge sowie einen Kreditvertrag vermittelt. 2013 waren die Versicherungsnehmer nicht mehr in der Lage, die Gesamtprämien aufzubringen.
Auf Anraten des Maklers unterfertigten sie daraufhin Veränderungsanzeigen an den Versicherer zur Vertragsübernahme durch den Makler selbst. Dieser hatte erklärt, dass ihnen daraus keine Nachteile, sondern nur Vorteile erwachsen würden.
2019 wollten die Versicherungsnehmer zwei der Verträge auflösen, der Makler lehnte dies ab. Erst zu diesem Zeitpunkt erkannten sie, dass die Aussage des Maklers, sie könnten die Verträge nach zehn Jahren gewinnbringend auflösen, unrichtig war und sie keine Rechte mehr an den Verträgen hatten.
Die beiden nicht vom Makler übernommenen Verträge kauften sie 2022 zurück, um den vom Makler vermittelten Kredit teilweise zu tilgen.
In einer im März 2022 eingebrachten Klage gegen den Versicherungsmakler und den Versicherer fordern die Versicherungsnehmer die Feststellung, dass die Übertragung der vier Verträge nicht wirksam erfolgte.
Weiters fordern sie vom Makler die Rückabwicklung dieser vier Verträge; diese sollen nun an ihn Zug um Zug gegen Leistung der von ihnen bezahlten Prämien übertragen werden.
Schließlich fordern sie auch den Ersatz des Schadens, der ihnen aus dem Rückkauf der beiden weiteren Verträge und der Kreditaufnahme entstanden ist.
Erst- und Berufungsgericht gaben der Klage im Wesentlichen statt. Der Versicherungsmakler legte daraufhin außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) ein.
Der OGH geht in seinem Urteil einleitend auf die Veränderungsanzeigen ein. Auch wenn eine Urkunde ungelesen unterfertigt wird, sei es für die Geltung als Willenserklärung nötig, dass der die Erklärung Abgebende Rechtsfolgen herbeiführen will.
Wenn der Erklärungsempfänger gegenüber dem Erklärenden ganz bewusst eine falsche Vorstellung vom Inhalt der Urkunde erwecke und erkenne, dass der Erklärende die Urkunde ungelesen unterfertigt, könne er nicht annehmen, dass der Erklärende den ihm unbekannten Inhalt in Kauf genommen hat.
Im vorliegenden Fall sei daher für den Makler kein Raum für ein schützenswertes Vertrauen. Er habe gewusst, dass die Versicherungsnehmer davon ausgingen, dass sie trotzdem Vertragspartner des Versicherers bleiben und ihnen alle Rechte aus dem Vertrag zukämen.
Eine wirksame Willenserklärung der Versicherungsnehmer lag damit nicht vor, der Makler habe die Unterfertigung der Veränderungsanzeigen nicht als Einverständnis zu einer Vertragsübernahme mit Übergang aller Rechte und Pflichten auf ihn verstehen dürfen, so der OGH.
Wird ein nachteiliger Rat aus Versehen erteilt, so bestehe eine Haftung nach § 1300 ABGB nur dann, wenn dieser „gegen Belohnung“ erfolgt ist, betont der OGH. Gefälligkeitsäußerungen können daher keine Haftung begründen. Entscheidend sei, ob der Rat selbstlos erfolgte.
Für eine Haftung sei Entgeltlichkeit aber nicht erforderlich. Nicht selbstlos sei eine Beratung auch dann, wenn sie der Vorbereitung eines entgeltlichen Geschäfts dient.
Im vorliegenden Fall sei der Rat nicht selbstlos gewesen, weil die Versicherungsnehmer den Kredit nur aufgrund der Empfehlung des Maklers aufgenommen haben, um damit die Versicherungen Nummer fünf und sechs abzuschließen, die er ihnen vermittelt hatte.
Die dreijährige Verjährungsfrist beginne erst dann zu laufen, wenn dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden sind. Das Kennenmüssen von einschlägigen Tatsachen oder die Möglichkeit der Kenntnis reichen nicht aus.
Allerdings bestehe in gewissem Umfang eine Erkundigungsobliegenheit der Geschädigten, wenn er die für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann.
Der Geschädigte dürfe sich also nicht einfach passiv verhalten, seine Erkundigungspflicht dürfe aber auch nicht überspannt werden. Notwendig sei, dass es für den Geschädigten deutliche Anhaltspunkte bzw. Verdachtsmomente dafür gab, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden.
Im vorliegenden Fall sei den Versicherungsnehmern nach den Feststellungen des Erstgerichts erstmals im September 2019 bewusst geworden, dass sie keine Rechte mehr an den Versicherungen hatten und sie diese nicht nach zehn Jahren mit Gewinn auflösen konnten.
Eine Verletzung der Erkundigungspflicht in der Zeit davor bestehe nicht, da die unrichtige Beratung des Maklers für die Entscheidung der Versicherungsnehmer wesentlich war. Die Unrichtigkeit der Beratung habe sich aus den ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht zwingend ergeben.
Erst aufgrund der Weigerung des Maklers, die Verträge aufzulösen, hätten sie konkrete Anhaltspunkte dafür gehabt, dass sie nicht mehr selbst über diese verfügen konnten. Der OGH hat die Revision des Maklers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage daher zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 7Ob162/24k vom 22. April 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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