12.5.2025 – Die Geltendmachung von Schadenersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten beim Erwerb einer Eigentumswohnung sei weder im Allgemeinen Vertragsrechtsschutz noch im Rechtsschutz für Wohnungseigentum versicherbar, so der OGH. Es bestehe Deckung durch den Schadenersatz-Rechtsschutzes, Deckungsabgrenzungsausschlüsse greifen nicht.
Das Ehepaar J. und C.K. kaufte im Jahr 2017 eine Eigentumswohnung für seine privaten Wohnbedürfnisse. Im Jahr 2023 stellte sich heraus, dass diese Wohnung nur zur Aufrechterhaltung eines dort angesiedelten Gewerbebetriebes benutzt werden darf.
Die Wohnungseigentümer beabsichtigen deshalb eine schadenersatzrechtliche Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht des Verkäufers. Für eine diesbezügliche Klage begehren sie Deckung durch ihren Rechtsschutzversicherer.
Sie erklären, sie hätten Schadenersatzansprüche gegenüber dem Verkäufer aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Vermögensschadens.
Der Versicherer steht auf dem Standpunkt, dass kein von der Rechtsschutzversicherung umfasstes Schadenereignis vorliegt. Die Versicherungsnehmer reichten daraufhin Deckungsklage ein.
J.K. verfügt über einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen 2010 in der Fassung 2012 zugrundliegen. Seine Frau C.K. ist mitversichert.
Vereinbart sind unter anderem die Bausteine „Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz für den Privat-, Berufs- und Betriebsbereich“ (Artikel 19), „Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz und Reisevertrags-Rechtsschutz“ (Artikel 23) sowie „Rechtsschutz für Grundstückseigentum und Miete“ (Artikel 24).
Laut Artikel 19 umfasst der Versicherungsschutz Schadenersatz-Rechtsschutz für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen erlittener Personen-, Sach- oder Vermögensschäden.
Zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutzbausteinen umfasst der Schadenersatz-Rechtsschutz laut Artikel 19.3.1.3 keine Fälle, die nach Artikel 23 und nach Artikel 19.3.1.4 keine Fälle, die nach Artikel 24 versicherbar sind.
Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage der Wohnungseigentümer ab. Das Berufungsgericht erklärte, die Risikoausschlüsse der Artikel 19.3.1.3 und 19.3.1.4 stünden der Deckungspflicht des Versicherers entgegen, eine Deckung nach Artikel 23 oder 24 ARB scheide aber aus.
Die Versicherungsnehmer legten daraufhin Revision beim Obersten Gerichtshof ein. Dieser erklärt in seiner rechtlichen Beurteilung, dass die Kläger Rechtsschutzdeckung für die Rückabwicklung eines Kaufvertrags für eine Wohnung im Wege der schadenersatzrechtlichen Naturalrestitution begehren.
Sie würden erklären, dass der Verkäufer seine vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat, wodurch ihnen ein Vertrauensschaden entstanden sei. Bei der gebotenen Aufklärung hätten sie den Kaufvertrag nicht geschlossen.
Die Kläger fordern damit Versicherungsschutz für die Geltendmachung von Schadenersatzverpflichtungen aus einem vorvertraglichen Verhältnis, so der OGH.
Bereits mit der Kontaktaufnahme würden mögliche Geschäftspartner in ein beiderseitiges vorvertragliches Schuldverhältnis treten. Dieses verpflichte sie, einander über die Beschaffenheit der in Aussicht genommenen Leistungsgegenstände aufzuklären.
Auch müssten sie Umstände mitteilen, die einem gültigen Vertragsabschluss entgegenstehen; verletze einer der Beteiligten diese vorvertragliche Verpflichtung, so mache ihn dies schadenersatzpflichtig.
Schadenersatzansprüche aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten seien grundsätzlich der primären Risikoumschreibung des Schadenersatz-Rechtsschutzes zu unterstellen. Die hier beabsichtigte Rechtsverfolgung falle also unter die primäre Risikoumschreibung des Artikels 19 ARB.
Voraussetzung für die problemlose Nutzung des Systems der Rechtsschutzbausteine sei eine klare Abgrenzung der Deckung primär im Wege der positiven Deckungsumschreibung. Zusätzlich könnten durch Deckungsabgrenzungsausschlüsse Deckungsüberschneidungen oder Unschärfen vermieden werden.
Diese Deckungsabgrenzungsausschlüsse hätten, anders als Risikoausschlüsse im engeren Sinn, nur die Aufgabe, Risiken aus einem Baustein auszugliedern, um sie einem anderen zuzuordnen. Auf diese eingeschränkte Funktion werde in den Bedingungen deutlich hingewiesen, so der OGH.
Ein Deckungsabgrenzungsausschluss greife aber nur dann, wenn das betroffene Risiko nach der positiven Deckungsumschreibung des anderen Bausteins, dem die Deckung durch einen Querverweis zugewiesen wurde, grundsätzlich versicherbar ist.
Bei den Artikeln 19.3.1.3 und 19.3.1.4 der ARB handle es sich um solche Deckungsabgrenzungsausschlüsse. Es sei daher zu prüfen, ob die angestrebte Rechtsverfolgung nach der primären Risikoumschreibung nach Artikel 23 oder 24 der ARB versicherbar ist.
Laut Artikel 23.2.1 ARB seien die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen auf Erfüllung und Erfüllungssurrogate aus schuldrechtlichen Verträgen über bewegliche Sachen sowie aus Werkverträgen über unbewegliche Sachen gedeckt.
Als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen gelte auch die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichten entstehen.
Die beabsichtigte Anspruchserhebung sei nicht von dieser positiven Deckungsumschreibung umfasst, weil ein auf den Erwerb des Eigentums an Liegenschaften gerichtetes Vertragsverhältnissen kein schuldrechtlicher Vertrag über eine bewegliche Sache oder Werkvertrag über eine unbewegliche Sache ist.
Artikel 24 ARB biete dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für Versicherungsfälle, die in seiner Eigenschaft als Eigentümer, Mieter, Pächter oder dinglich Nutzungsberechtigter eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils eintreten.
Außerdem bestimme Artikel 24, dass der Versicherungsschutz die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dinglichen Rechten umfasst. Es müsse sich also um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem unmittelbaren, dinglichen Recht an der Sache handeln.
Versicherungsschutz bestehe damit konkret für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen aus dem Eigentumsrecht der versicherten Objekte, damit allenfalls verbundenen Grunddienstbarkeiten oder Personaldienstbarkeiten.
Im vorliegenden Fall würden die Kläger einen derartigen Anspruch aus einem dinglichen Recht nicht geltend machen wollen, weshalb die beabsichtigte Anspruchserhebung auch nicht von der primären Deckungsumschreibung des Artikel 24 ARB umfasst sei, so der OGH.
Da damit die angestrebte Rechtsverfolgung weder nach Artikel 23 noch nach Artikel 24 ARB versicherbar ist, würden die Deckungsabgrenzungsausschlüsse der Artikel 19.3.1.3. und 19.3.1.4 nicht zur Anwendung kommen, weshalb Deckung nach Artikel 19.1.2 ARB besteht.
Da aber das Erstgericht keine Feststellungen zu der vom Versicherer eingewendeten schuldhaften Obliegenheitsverletzung getroffen hat, wurde das Urteil der Vorinstanzen vom OGH aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die OGH-Entscheidung 7Ob33/25s vom 22. April 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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