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Streit um Haftung eines Sachverständigen landete beim OGH

29.4.2024 – Eine mangelhafte Befundaufnahme durch den Sachverständigen machte es dem Erstgericht unmöglich, festzustellen, ob sein Gutachten tatsächlich falsch war. Der OGH entschied: Weil der Versicherer eine relevante Unrichtigkeit des Gutachtens nicht beweisen konnte, scheidet eine Haftung des Sachverständigen von vorneherein aus.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Eine GmbH hatte einen sogenannten Prallbrecher (Maschine zur Zerkleinerung von Material) von einem anderen Unternehmen angemietet. Die Maschine wurde zu einer Schottergrube transportiert und sollte vom Transportanhänger abgeladen werden.

Bei diesem Vorgang stürzte die Maschine über eine Böschung und wurde beschädigt. In einem Vorprozess klagte die Eigentümerin des Prallbrechers die GmbH auf Ersatz des Schadens, der Klage wurde großteils rechtskräftig stattgegeben.

Ausschlaggebend dafür war das Gutachten eines Sachverständigen, der erklärt hatte, dass der Bremsmechanismus des Prallbrechers nicht defekt war und ein selbständiges Abrollen der Maschine über die Rampe des Anhängers ausgeschlossen werden könne.

Das Gericht hat daraufhin festgestellt, dass der Schaden deshalb entstanden ist, weil der zum Transport verwendete Lkw kein geeignetes Zugmittel gewesen ist und der Prallbrecher beim Abladen entweder zu schnell bewegt wurde oder der Abstand zur Böschung zu gering war.

Versicherer fordert fast 300.000 Euro

Der Transportversicherer der GmbH ersetzte der Eigentümerin des Prallbrechers daraufhin den Schaden. Vom Sachverständigen fordert sie nun in einer Klage in Summe knapp 300.000 Euro, da das Unterliegen der GmbH im Vorprozess auf sein objektiv unrichtiges Gutachten zurückzuführen sei.

Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Das Erstgericht stellte fest, dass es dem Gutachter nicht aufgefallen sei, dass sich die Schaltpläne der Bremsanlage teilweise widersprochen hätten.

Es sei deshalb möglich, dass die Maschine tatsächlich einen Konstruktionsfehler aufgewiesen hat. Aufgrund der mangelnden Befundaufnahme durch den Sachverständigen sei es allerdings nicht mehr möglich festzustellen, ob sein Gutachten in diesem Punkt tatsächlich falsch war.

Berufungsgericht: alleinige Haftung der GmbH

Das Berufungsgericht erklärte, dass ein möglicher Konstruktionsfehler und der dadurch verursachte Ausfall der Bremsen keinen Einfluss auf den Ausgang des Vorprozesses gehabt hätten.

Der Schaden sei durch das Zusammenwirken des unzulässigen Abladens durch die Mitarbeiter der GmbH und des Konstruktionsfehlers verursacht worden, weshalb eine summierte bzw. addierte Kausalität vorliege.

In einem solchen Fall führe ein der Sphäre des Geschädigten zuzurechnender, zum Schaden beitragender Zufall nicht zur Haftung des Geschädigten. Im vorliegenden Fall sei der Eigentümerin des Prallbrechers daher dessen Fehlerhaftigkeit nicht zuzurechnen.

Damit habe sich das fehlerhafte Gutachten des Sachverständigen nicht auf das Ergebnis des Vorprozesses ausgewirkt, so das Berufungsgericht. Das fahrlässige Verhalten der GmbH beim Abladen hätte jedenfalls zu ihrer alleinigen Haftung geführt.

Unrichtiges Gutachten muss prozessentscheidend sein

Gegen diese Entscheidung legte der Versicherer Revision beim Obersten Gerichtshof ein. Dieser erklärt in seiner rechtlichen Beurteilung, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger, der schuldhaft ein unrichtiges Gutachten abgibt, den Prozessparteien für die Folgen dieses Versehens hafte.

Allerdings setze der Schadenersatzanspruch voraus, dass die Unrichtigkeit des Gutachtens auch ausschlaggebend für die Entscheidung war, die für eine Prozesspartei nachteilig gewesen ist. Entscheidend sei, welchen Einfluss ein sachlich richtiges Gutachten auf die Entscheidung gehabt hätte.

Die Beweislast für die Pflichtverletzung, den eingetretenen Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des Gutachters und dem Schadeneintritt treffe denjenigen, der aus der Unrichtigkeit des Gutachtens Ansprüche ableitet, so der OGH.

Revision zurückgewiesen

Eine Haftung des Sachverständigen setze voraus, dass das Gutachten zur maßgeblichen Frage des Vorliegens eines Konstruktionsfehlers falsch war und ein richtiges Gutachten im Vorprozess zur Annahme eines für den Absturz zumindest mitursächlichen Konstruktionsfehlers geführt hätte.

Außerdem wäre es notwendig, dass die GmbH deshalb zu keinem oder nur zu einem geringeren Schadenersatz an die Eigentümerin des Prallbrechers verpflichtet worden wäre.

Allerdings sei es dem Versicherer im vorliegenden Fall nicht gelungen, eine relevante Unrichtigkeit des Gutachtens zu beweisen. Ein Konstruktionsfehler habe nicht festgestellt werden können, und damit auch nicht, dass das Gutachten insofern falsch war.

Damit scheide eine Haftung des Sachverständigen von vornherein aus. Stehe aber eine relevante Unrichtigkeit des Gutachtens nicht fest, so würden sich auch die anderen aufgeworfenen Rechtsfragen gar nicht stellen, so der OGH. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 10Ob29/23x vom 13. Februar 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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