20.5.2025 – Weil die Schenkung nur die Hälfte der Liegenschaft betraf und das VersVG ein Kündigungsrecht nur bei Erwerb von mehr als 50 Prozent im Wege der Einzelrechtsnachfolge zugesteht, hat der Oberste Gerichtshof die Klage der Versicherungsnehmerin abgewiesen. Erbschaftskauf und Erbübereinkommen seien Akte der Gesamtrechtsnachfolge gewesen, Erben müssten aber damit rechnen, unfreiwillig einen neuen Vertragspartner zu erhalten.
Die Eltern von A.Z. waren ursprünglich je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft. Nach dem Tod ihres Vaters am 24. Mai 2022 erbte sie ebenso wie ihre beiden Schwestern dessen Anteile im Ausmaß von je 2/9, die Mutter ein Drittel.
Mit einem Übergabsvertrag überließ die Mutter A.Z. ihren Hälfteanteil sowie in weiterer Folge aufgrund eines Erbschaftskaufs das von ihrem Ehemann geerbte Drittel seines Anteils. A.Z. wurde damit mit 5/9 der Anteile des Vaters zur Erbin berufen.
Darüber hinaus kaufte A.Z. auf Basis eines Erbübereinkommens ihren beiden Schwestern deren Anteile ab. Am 9. Oktober 2023 wurde die Verlassenschaft A.Z. zu 5/9 eingeantwortet und bestätigt, dass ihr nach dem Erbübereinkommen das Eigentumsrecht einzuverleiben ist.
Daraufhin kündigte A.Z. am 23. Oktober die von den Eltern abgeschlossene Sachversicherung für die Liegenschaft. Der Versicherer wies die Kündigung zurück und stellte A.Z. in Fortsetzung des bisherigen Versicherungsvertrags eine neue Polizze aus.
In einer Klage fordert A.Z. nun die Feststellung, dass das Versicherungsverhältnis mit dem Versicherer ab 1. November 2023 nicht mehr aufrecht sei. Ab dem Erwerb von 50 Prozent der Anteile stehe ihr nach § 70 Absatz 2 VersVG ein Kündigungsrecht zu; dieses habe sie fristgerecht ausgeübt.
Der Versicherer bestreitet, dass A.Z. ein Kündigungsrecht habe; sie habe aufgrund der abgeschlossenen Vereinbarungen Eigentum im Wege der Universalsukzession erworben. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass sie dafür teilweise eine monetäre Leistung erbracht hat.
Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Es bestehe kein Kündigungsrecht des Erben beim Erwerb eines Hälfteanteils im Weg der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge. Dieses Recht bestehe nur bei Erwerb von mehr als 50 Prozent im Weg der Einzelrechtsnachfolge.
A.Z. wandte sich daraufhin in einer ordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof. Dieser geht in seiner rechtlichen Beurteilung einleitend auf das Recht zur Kündigung einer Versicherung bei Erwerb einer Sache ein.
Zwar trete bei einer Veräußerung der Erwerber in die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein, sowohl Versicherer als auch der Erwerber hätten aber ein Kündigungsrecht.
Dabei sei unter Veräußerung im Sinne des § 69 VersVG jede Eigentumsübertragung durch rechtsgeschäftliche Einzelrechtsnachfolge zu verstehen; auch eine Schenkung sei eine Veräußerung im Sinne dieses Paragrafen.
Bei einer Gesamtrechtsnachfolge hingegen trete der Erwerber von Gesetzes wegen in Pausch und Bogen in sämtliche Rechtsverhältnisse des Rechtsvorgängers unverändert ein; damit falle der Erwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nicht unter § 69 VersVG.
Da § 70 VersVG das Kündigungsrecht vom Erwerb von mehr als 50 Prozent der Anteile abhängig macht, hat der Erwerb des 50-Prozent-Anteils der Mutter aufgrund des Übergabsvertrags kein Kündigungsrecht ausgelöst, so der OGH.
Ein Erbschaftskäufer werde aber nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung Gesamtrechtsnachfolger des Erben und trete an dessen Stelle in das Verlassenschaftsverfahren ein. An ihn erfolge die Einantwortung. Dasselbe gelte auch für eine Erbschaftsschenkung.
Im vorliegenden Fall habe es sich um ein Erbteilungsübereinkommen gehandelt; dieses sei zwar ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, was aber nichts daran ändert, dass die Erben im Weg der Gesamtrechtsnachfolge erben.
Die als Ebschaftskauf und Erbübereinkommen bezeichneten Erwerbsvorgänge von A.Z. seien damit Akte der Gesamtrechtsachfolge gewesen, die ausgehend vom Wortlaut des § 70 Absatz 2 VersVG kein Kündigungsrecht begründen können, so der OGH.
Es stelle sich aber die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage, ob einem Erben ein Kündigungsrecht in Analogie zu § 70 Absatz 2 VersVG zustehe. Nach herrschender Ansicht scheide ein solches Kündigungsrecht des Erben aus. Der OGH schließt sich dem an.
Ein Analogieschluss setze eine planwidrige Unvollständigkeit eines Gesetzes, also eine nicht gewollte Lücke, voraus. Sei vom Gesetzgeber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet worden, fehle es an einer Gesetzeslücke.
Sowohl § 69 als auch § 70 VersVG würden dem Schutz des Erwerbers dienen, so der OGH. Die Interessenlage beim Erwerb durch erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge sei aber mit jener bei der Einzelrechtsnachfolge nicht vergleichbar.
Der Erbe trete nämlich von Gesetzes wegen in sämtliche vererblichen Rechtspositionen des Erblassers ein; der Übergang des Versicherungsvertrags im Erbweg sei keine Maßnahme, die dem Schutz des Erben dient und deshalb zur Disposition gestellt werden könnte.
§ 70 VersVG räume dem Erwerber deshalb ein Kündigungsrecht ein, weil er nicht durch den zu seinem Schutz gedachten § 69 VersVG in das Zwangskorsett eines ungewollten Vertrages gedrängt werden soll.
Dagegen liege es im Wesen der erbrechtlichen Universalsukzession, dass jeder damit rechnen muss, im Erbweg unfreiwillig einen neuen Vertragspartner zu erhalten.
Es sei nicht einsichtig, warum derjenige, der im Erbweg Eigentümer einer versicherten Sache wird, durch das Kündigungsrecht privilegiert werden sollte. Die besseren Argumente würden daher dafür sprechen, ein Kündigungsrecht des Erben analog zu § 70 Absatz 2 VersVG zu verneinen.
Die Annahme, der Gesetzgeber hätte hier einen regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen, sei nicht zu rechtfertigen, er habe diesen also bewusst nicht geregelt. Der Oberste Gerichtshof hat die Revision als nicht berechtigt zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 7Ob5/25y vom 19. März 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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