Versicherungsstreit nach Einbruch durch Wintergarten

24.5.2023 – Weil auch Anbauten bedingungsgemäß Teil der Versicherungsräumlichkeiten sind, stelle es eine Obliegenheitsverletzung dar, die Tür zum Wintergarten bei Verlassen des Gebäudes nicht zu versperren. Und weil die Einbrecher anschließend ungestört die Türe zu den Wohnräumen aufbrechen konnten, wurde so auch eine erhöhte Gefahrenlage geschaffen. Die Schlichtungsstelle der Makler empfahl dem Versicherer deshalb nicht die Deckung.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Bei einem Einbruch in ein Einfamilienhaus im September 2021 wurden diverse Gegenstände und Bargeld entwendet. Die Täter waren über eine nicht versperrte Außentür des Wintergartens in das Gebäude eingedrungen und hatten dann die versperrte Tür zum Wohnzimmer aufgezwängt.

Bei dieser Türe, die beim Einbruch beschädigt wurde, handelte es sich um die ursprüngliche Außentüre des Hauses; der Wintergarten war zu einem späteren Zeitpunkt angebaut worden.

Bedingungslage

Der Versicherungsnehmer hatte eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, vereinbart waren die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung (ABHD) 2019.

Demnach lag Einbruchdiebstahl vor, wenn ein Täter durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen, Fenstern oder anderen Gebäudeteilen in die Versicherungsräumlichkeiten einbricht. Als solche galten in Einfamilienhäusern sämtliche vom Versicherungsnehmer genutzten Räume des Wohngebäudes einschließlich Anbauten.

Zu den Obliegenheiten des Versicherungsnehmers zählte laut Bedingungen, dass Eingangs- und Terrassentüren, Fenster und sonstige Öffnungen ordnungsgemäß verschlossen zu halten sind, wenn die Versicherungsräumlichkeiten „auch für noch so kurze Zeit“ von allen Personen verlassen werden.

Diese Obliegenheiten sollten als vereinbarte Sicherheitsvorschriften gelten, ihre Verletzung führte gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen des § 6 Abs. 1, 1a und 2 VersVG zur Leistungsfreiheit des Versicherers.

Versicherer lehnt Deckung des Schadens ab

Der Versicherer lehnte eine Deckung des Schadens ab. Da die Türe zum Wintergarten nicht versperrt war, habe der Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung zu verantworten. Bedingungsgemäß sei der Versicherer leistungsfrei.

Der Wintergarten stelle einen erweiterten Wohnraum dar, die „Außenhaut“ der Versicherungsräumlichkeiten beginne bereits mit diesem, so der Versicherer in seiner Begründung.

Demgegenüber erklärte der Versicherungsnehmer, die Verbindungstüre zwischen Wintergarten und Wohnbereich stelle die „Außenhaut-Tür“ dar.

Nach der Deckungsablehnung wandte er sich daher an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungssachen (RSS) mit dem Antrag, dem Versicherer die Deckung zu empfehlen.

Auch Wintergartentür muss verschlossen werden

In ihrer Empfehlung betont die RSS einleitend, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers auszulegen seien.

Im vorliegenden Fall würden in den Bedingungen „unmissverständlich“ auch Anbauten zu den versicherten Räumlichkeiten zählen. Damit müsse einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer klar sein, dass auch ein erst später angebauter Wintergarten als Versicherungsräumlichkeit gilt.

Ebenso eindeutig ergebe sich aus den Bedingungen, dass die Eingangstür des angebauten Wintergartens zu verschließen ist, wenn das Objekt von allen Personen verlassen wird.

Der Ansicht des Versicherungsnehmers, dass die Obliegenheit zum Verschließen der Tür nur für die Verbindungstür zwischen Wintergarten und Altbestand, nicht aber für die Eingangstür zum Wintergarten gelte, könne nicht zugestimmt werden, so die RSS.

Deckung nicht empfohlen

Damit liege eine Obliegenheitsverletzung vor. Allerdings könne sich der Versicherer nach § 6 VersVG nicht auf die vereinbarte Leistungsfreiheit berufen, wenn diese keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang seiner Leistung gehabt hat.

Diesen Kausalitätsgegenbeweis müsse der Versicherungsnehmer führen, wobei strenge Anforderungen existieren: Es müsse bewiesen werden, dass der Versicherungsfall auch ohne die Verletzung der Obliegenheit mit Sicherheit eingetreten wäre.

Im vorliegenden Fall sei nicht erwiesen, dass der Einbruch nicht auf der für eine Obliegenheitsverletzung typischen erhöhten Gefahrenlage durch die unversperrte Außentür des Wintergartens beruhte.

Durch den ungehinderten Zutritt zum Wintergarten sei es den Tätern möglich gewesen, sich ungestört und mit weit geringerem Risiko einer Entdeckung an der im Inneren des Gebäudes befindlichen Tür zu schaffen zu machen. Die RSS lehnte den Antrag, dem Versicherer die Deckung zu empfehlen, daher ab.

Weitere Informationen

Die Empfehlung der RSS kann als PDF-Dokument (157 KB) von der Website des Fachverbandes heruntergeladen werden.

Leserbriefe zum Artikel:

Jürgen Oppelz - Gute Chancen für Kausalitätsgegenbeweis. mehr ...

Schlagwörter zu diesem Artikel
Haushaltversicherung · Immobilie · Versicherungsmakler
 
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