12.9.2025 – Im Bereich der BU-/Invaliditätspension gibt es immer wieder rechtliche Fragen, welche eine Entscheidung durch die Höchstgerichte benötigen. Dieser Beitrag greift den Bereich des Rehabilitationsgeldes auf und geht der Frage nach, ob und wann dieses entzogen werden darf.
Rehabilitationsgeld (Rehageld) können Personen mit Geburtsdatum ab 1.1.1964 erhalten, die vorübergehend (mindestens sechs Monate) aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können. Diese Geldleistung soll die Betroffenen unterstützen, wieder arbeitsfähig zu werden.
Wenn der Pensionsversicherungsträger im Zuge der Beantragung einer Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension bei Betroffenen keine dauerhafte, aber mindestens sechs Monate andauernde Invalidität oder Berufsunfähigkeit feststellt, ist es Aufgabe der Krankenversicherung, bei der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit zu unterstützen.
Zur finanziellen Unterstützung während dieses Zeitraumes zahlt die Krankenversicherung Rehabilitationsgeld an die Betroffenen. In den meisten Fällen ist dies die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), und diese übernimmt zugleich bei den Versicherten das Case-Management.
Das Case-Management ist die Betreuung für alle, die Rehageld bekommen. Die Betroffenen bekommen medizinische Behandlungen, die zur jeweiligen Situation und zu den jeweiligen gesundheitlichen Problemen passen. Die Termine mit dem Case-Management müssen eingehalten werden, und es muss alles getan werden, um wieder gesund zu werden. Das ist die Mitwirkungspflicht.
Rehageldbezieher müssen an den durch das Case-Management vorgegebenen Rehabilitationsmaßnahmen mitwirken. Wer sich weigert, dem kann das Rehabilitationsgeld für die Dauer der Weigerung entzogen werden.
Grundsätzlich müssen Kranken- und Pensionsversicherungsträger berücksichtigen, inwiefern Patienten die Mitwirkung an medizinischen Maßnahmen zumutbar ist. Die Erfolgsaussichten einer Behandlung spielen dabei etwa eine Rolle genauso wie Schmerzen und Beeinträchtigungen, die damit verbunden sind. Auch subjektive Kriterien wie familiäre oder wirtschaftliche Verhältnisse müssen in diese Entscheidung einfließen.
Das Rehageld kann Patienten nur dann entzogen werden, wenn diese ihre Mitwirkungspflicht zumindest leicht fahrlässig verletzen.
Nach § 99 Abs 1 ASVG kann eine Leistung nur entzogen werden, wenn sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben.
Die Änderung kann im Fall einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit etwa in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands des Pensionsberechtigten (durch das Case-Management) oder in der Wiederherstellung oder Besserung seiner Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an die Leiden bestehen.
Haben die objektiven Grundlagen für eine Leistungszuerkennung hingegen keine wesentliche Änderung erfahren, so steht die Rechtskraft der Gewährungsentscheidung der Entziehung entgegen.
Ist jedoch im Fall eines aufgrund der irrtümlichen Annahme des Vorliegens vorübergehender Invalidität im Sinn des § 255b ASVG zuerkannten Rehabilitationsgeldes eine – wenn auch nur geringfügige – Verbesserung des körperlichen oder geistigen Zustands der versicherten Person im Entziehungszeitpunkt feststellbar und bezieht sich diese Verbesserung auf ursprünglich bestehende Beeinträchtigungen, die die (unrichtige) Einschätzung des Vorliegens vorübergehender Invalidität begründet haben, so ist eine Entziehung des Rehabilitationsgeldes gemäß § 99 Abs 1 iVm Abs. 3 Z. 1 lit. b sublit. aa ASVG dann gerechtfertigt, wenn im Entziehungszeitpunkt vorübergehende Invalidität nicht vorliegt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Ist der Gesundheitszustand gleichgeblieben und wurde die Leistung zunächst rechtmäßig gewährt, kann diese nicht entzogen werden. Eine Entziehung ist nur zulässig, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben, beispielsweise die Besserung des Gesundheitszustandes. Die nachträgliche Erkenntnis, dass die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Gewährung gar nicht vorlagen, genügt nicht zur Entziehung.
Maßgeblich ist demnach das Leistungskalkül. Es genügt weder eine andere Diagnose noch eine isolierte Änderung der Befunde. Entscheidend ist, ob sich die konkrete Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Arbeitswelt verbessert hat.
Jürgen E. Holzinger
Der Autor ist Obmann des Vereins Chronischkrank Österreich. Zu den Zielen des Vereins gehört Bewusstseinsbildung rund um den Wert der Arbeitskraft. Der Verein bietet Vorträge und Workshops zum Thema Berufsunfähigkeit an und bietet Betroffenen Hilfestellung.
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