9.9.2025 – Bis 2027 muss ein Bauwerksbuch für alle Häuser vorliegen, die in Wien vor 1919 errichtet wurden, bis 2030 eines für vor 1945 errichtete Gebäude. Die Zeit dafür drängt, sagen die beiden Ziviltechniker Ferdinand und Michael Toms. Versicherer sehen sich gut vorbereitet, die Versicherbarkeit von Gebäuden könnte verbessert werden.
Bis spätestens 31. Dezember 2027 sind Eigentümer bzw. Miteigentümer von Gebäuden, die vor dem 1. Jänner 1919 errichtet wurden, in Wien zur Registrierung eines Bauwerksbuches verpflichtet. Für Gebäude, die vor dem 1. Jänner 1945 errichtet wurden, besteht die Verpflichtung per 31. Dezember 2030.
Ein Bauwerksbuch muss unter anderem alle Baubewilligungen für das Gebäude, den Zeitpunkt der erstmaligen Überprüfung, Intervalle für weitere Überprüfungen, Ergebnisse der Überprüfungen sowie festgestellte Mängel und einen Plan zu deren Behebung enthalten.
In der Bundeshauptstadt sind laut Statistik Austria davon mehr als 32.000 vor 1919 errichtete Gebäude sowie rund 25.000 zwischen 1919 und 1945 errichtete Gebäude betroffen.
Für Versicherungen hat diese Verpflichtung eine doppelte Relevanz, worauf die beiden Ziviltechniker Ferdinand und Michael Toms im Gespräch mit dem VersicherungsJournal hinweisen: Als Bestandhalter einerseits, als Versicherer dieser Gebäude andererseits.
„Wir begrüßen diese Regelung als Planer ausdrücklich“, sagt Ferdinand Toms. Es gehe darum, dass der Zinshausbestand in Wien erhalten bleibt. Aber nicht nur in Wien: Zu vermuten sei, dass ähnliche Regelungen auch in anderen Bundesländern kommen werden.
Die Verpflichtung zur Erhaltung habe es in der Wiener Bauordnung eigentlich „immer schon“ gegeben; dazu empfehle Önorm B1300, wie oft gewisse Bauteile untersucht werden müssen. Allerdings fehle häufig die Kontrolle, denn die Behörden hätten limitierte Ressourcen, so Ferdinand Toms.
Michael Toms ergänzt, dass die neue Verpflichtung auch Vorteile für den Eigentümer hat: Er könne präventiv Schäden erkennen, die später teuer werden, ein Budget planen und werde nicht durch Schäden überrascht.
Nun dränge allerdings bereits die Zeit, vor allem Termine für die verpflichtende Planeinsicht bei der Magistratsabteilung 37 (Baupolizei) könnten einen Engpass darstellen. „Viele werden es zeitlich nicht schaffen und dann im Schadenfall Probleme bekommen“, glaubt Ferdinand Toms.
Versicherer werden sich wohl überlegen müssen, wie sie mit dieser neuen Regelung umgehen, vermutet er. Denn die Verpflichtung betreffe explizit versicherte Sachen: „Das ist, wie wenn jemand ohne Führerschein fährt“.
Beim Bauwerksbuch gehe es zwar nicht um den Wert des Gebäudes, sondern um Statik und eine mögliche Gefahr für Leib und Leben. Für Versicherer sei es aber natürlich wichtig, dass Häuser kontrolliert und überwacht werden.
Der Ziviltechniker erwartet auch, dass zukünftig das Bauwerksbuch als Grundlage in Versicherungsgutachten verwendet wird. Die Mehrzahl der Häuser in Wien sei aber „in Ordnung“, es gebe „nur ganz wenige Häuser, die lebensgefährlich sind“, weiß er aus langjähriger Erfahrung.
Das VersicherungsJournal hat heimische Versicherer gefragt, ob sie von dieser Verpflichtung betroffen sind und welche Kosten sie dafür erwarten. Antworten erhielten wir von Generali Versicherung AG, Helvetia Versicherungen AG, Uniqa Insurance Group AG und Zürich Versicherungs-AG.
„Als Eigentümerin der berühmten Wiener Ankeruhr und weiterer historischer Gebäude“ sei Helvetia von der Verpflichtung zur Erstellung eines Bauwerksbuches betroffen, so Vorstand Andreas Bayerle. Insgesamt befänden sich 18 Objekte, die vor 1945 errichtet wurden, im Besitz des Versicherers.
Helvetia bereite sich rechtzeitig auf die Umsetzung vor, Ziel sei es dabei, die Vorgaben sorgfältig zu erfüllen und die Bestandsgebäude ordnungsgemäß zu dokumentieren. Kosten dafür hingen von der Größe und vorhandenen Dokumentation ab und ließen sich derzeit nur grob abschätzen.
Man habe sich frühzeitig mit dem Thema auseinandergesetzt und plane die Erstellung der Bauwerksbücher für die betroffenen Liegenschaften noch heuer, so die Zürich. Die damit betroffenen Aufwände für erstmalige Erstellung und laufende Pflege würden derzeit intern bewertet.
Uniqa betont, den Zustand der Immobilien im Portfolio bereits bisher sorgfältig und auch in digitaler Form dokumentiert zu haben. Die Umsetzung des Bauwerksbuches sei daher ein eher überschaubarer Schritt im „professionellen Immobilienmanagement“ des Konzerns.
Die Umsetzung des verpflichtenden Bauwerksbuches sei ein weiterer Schritt im Bereich der Gebäudedokumentation. Aus dem Blickwinkel des Immobilien-Asset-Managements der Uniqa werden aber keine Auswirkungen hinsichtlich Risikobewertung des Portfolios gesehen.
Generali schreibt uns, dass die Fristen selbstverständlich erfüllt werden; das Immobilienportfolio werde laufend instandgehalten und verfüge bereits über umfangreiche Dokumentationen. Im Zuge der geplanten Umsetzung werden daher keine Überraschungen erwartet.
Zur Frage, welche Auswirkungen die Verpflichtung für Versicherungsnehmer haben wird, erklärt Zürich, dass die zuständige Fachabteilung derzeit prüfe, inwiefern ein regelmäßig gepflegtes Bauwerksbuch auch Einfluss auf die Versicherbarkeit oder die Prämiengestaltung hat.
Eine vollständige und nachvollziehbare Dokumentation könne jedenfalls eine fundierte Risikoeinschätzung erleichtern und somit auch versicherungsrelevante Aspekte positiv beeinflussen.
Für die Uniqa kann ein vollständiges und aktuelles Bauwerksbuch die Versicherbarkeit eines Gebäudes verbessern, da es wichtige Informationen zur Gebäudesicherheit liefert. Es habe jedoch keinen direkten Einfluss auf die Versicherungsprämie.
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