27.9.2024 – Ein digitaler Mitarbeiter im Callcenter, der sich – zumindest fast – wie ein Mensch verhält und anhört: Voicebots haben das Potenzial, den Kundenservice zu verbessern und Kosten zu senken, sagt Meinungsforscher Robert Sobotka. Vereinzelt sind Voicebots bei Versicherungen bereits im Einsatz, als erste Anlaufstelle für Kunden, in der Schadenerledigung und in der Unterstützung der Vertriebsmitarbeiter.
Chatbots sind im Finanzsektor bereits gesichtet worden. Nun kann künstliche Intelligenz heute aber schon mehr als auf reinem Text basierende Konversationen zu führen.
Sind „Voicebots“, also digitale Assistenten, die nicht nur schreiben, sondern auch sprechen können, der nächste Schritt in der Kundenkommunikation?
Damit hat sich der Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) am Donnerstag in einem „Financial Breakfast“ auseinandergesetzt.
Robert Sobotka, FMVÖ-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Telemark Marketing, hielt fest, dass es das Aufkommen generativer KI ist, das Voicebots „interessant macht“.
So könnten echte Call-Agents „simuliert“ werden und eine persönlichere und natürlichere Interaktion entstehen, die einem Gespräch zwischen Menschen sehr nahekommt.
Es gehe nicht darum, Menschen zu ersetzen, betonte Sobotka. Es handle sich um eine Frage des Personaleinsatzes, um die effiziente Verwendung von Mitteln, die man an anderer Stelle womöglich besser nutzen kann.
Beispiele seien derzeit in erster Linie außerhalb der Finanzbranche zu finden, beispielsweise beim Bestellen eines Taxis, im Gesundheitsbereich bei der Terminbuchung oder bei Telekomunternehmen im „First-level“-Support zur Lösung einfacher technischer Probleme.
Bei Banken und Versicherungen sieht Sobotka drei Schritte, wo man ansetzen kann, wenn man solche Assistenten im Kundenkontakt einsetzen will:
Was wären Vorzüge von Voicebots? Sobotka nennt Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit, Wegfall von Wartschleifen, persönlichere Beratung als im bloßen Textchat, Mehrsprachigkeit, geringere Personalkosten, effiziente Weiterleitung von Kundenanfragen an die richtige Stelle.
Gibt es auch Hürden? Voicebots erfordern ein reibungsloses Zusammenspiel verschiedener Technologien, wie generativer KI und Spracherkennung. Sie müssen auch nahtlos mit Kundendatenbanken und andere Unternehmenssystemen integriert werden, merkt Sobotka weiter an. Zudem muss der Datenschutz gesichert sein.
Da ein Voicebot menschlichen Charme und Empathie nicht gänzlich ersetzen könne, müsse man ihn so programmieren, dass er „möglichst menschlich und einfühlsam“ wirken. Am Ende müsse er auch Akzeptanz bei den Kunden finden.
Wo könnten Voicebots im nach außen gehenden Kundenkontakt eingesetzt werden? Die Einsatzgebiete wären vielfältig, wie Sobotka ausführte.
Darunter könnten etwa sein: kurze Bewertungen nach Beratungsgesprächen, Schadensfällen oder sonstigen Kontakten; die zeitgerechte Zahlungserinnerung und Einmahnung ausständiger Versicherungsprämien; Terminvereinbarungen für Beratungsgespräche; oder die Servicierung von „C-Kunden“.
Wovor Sobotka jedenfalls warnt, ist, die KI erst beim Kunden reifen zu lassen. „Ein Test am Kunden ist schlecht.“ Ein Einsatz unausgereifter Voicebots könne Kunden frustrieren, deshalb seien gründliche Tests und ständige Weiterentwicklung nötig.
Zu Beginn sollten sich Voicebots auf Basisfunktionen beschränken, diese dafür aber auch beherrschen, empfiehlt Sobotka. „Weniger ist mehr.“ Kunden, die nicht computeraffin sind, sollten leicht zum Gespräch mit einem menschlichen Mitarbeiter wechseln können.
Gespräche mit dem Voicebot sollten so programmiert werden, dass man gerne mit ihnen spricht, sie sollten den Kunden Zeit sparen. Und: „Humor kann helfen, wenn Fragen nicht beantwortet werden können.“ Am Ende des Gesprächs, so Sobotka, sollte es eine Bestätigung des Gesprächsinhalts per Nachricht aufs Handy oder per E-Mail geben.
Christian Hertlein, Leiter der Abteilung KI und digitale Assistenzsysteme beim IT-Dienstleister msg Systems AG, demonstrierte anhand einer Banküberweisung, wie sich ein Gespräch mit einem Voicebot anhören kann.
Tatsächlich habe etwa die deutsche Degussa Bank (seit kurzem OLB) einen Voicebot im Einsatz, nicht zuletzt forciert während der Corona-Pandemie, um ein hohes Telefonaufkommen besser bewältigen und Standardprozesse automatisieren zu können.
Bei der deutschen Zürich Versicherung wiederum würden Voicebots dazu verwendet, das Callcenter zu entlasten und bei „peakartigen“ Kumulschäden aktiviert zu werden. So könne man Schadenmeldungen entgegennehmen, Schäden automatisch anlegen und die Schadenerledigung anstoßen.
Hertlein erwähnte auch das bei der Barmenia genutzte „BarmeniaGPT“: Dessen Aufgabe besteht darin, das Vertriebspersonal zu unterstützen. Es könne komplexe versicherungsbezogene Anfragen verstehen und „detaillierte, genaue und relevante Informationen“ bereitstellen oder etwa beim Erstellen von Kundenanschreiben behilflich sein.
Sobotkas Fazit: Voicebots bieten für Banken und Versicherungen „enormes Potenzial“ zur Verbesserung des Kundenservice und zur Kostensenkung.
Die Herausforderungen bei der Implementierung seien zwar nicht zu unterschätzen, Voicebots könnten aber einen bedeutenden Beitrag zur Digitalisierung der Finanzbranche leisten.
Entscheidend sei, Möglichkeiten und Grenzen der aktuellen Technologie zu erkennen und sie gezielt einzusetzen, „um langfristige Kundenzufriedenheit bei deutlicher Kosteneinsparung zu erzielen“.
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