„Das Assekuradeur-Modell beginnt zu explodieren“

14.10.2025 – Klaus Koban bescheinigt dem Modell des Assekuradeurs starkes Wachstumspotenzial. Assekuradeure seien zwar noch stark auf Nischen spezialisiert, der Blick richte sich aber zunehmend auch auf das Retailgeschäft. Er vermisst vor allem spezifische Rechtsgrundlagen für Assekuradeure. Tim Lamm (Wecoya) plädiert für ein EU-weites Regelwerk und sieht die USA als Markt, der womöglich einen Blick in Europas Zukunft bietet.

Tim Lamm (li.) und Klaus Koban referieren beim Trendtag über den Assekuradeurmarkt (Bild: Lampert)
Tim Lamm (li.) und Klaus Koban referieren beim Trendtag über den Assekuradeurmarkt (Bild: Lampert).

„Das Assekuradeur-Modell beginnt zu ‚explodieren‘ – oder sich zumindest radikal zu verändern.“ Das sagte Klaus Koban, Geschäftsführer der Koban Südvers Group GmbH, vergangene Woche beim „Asscompact Trendtag“ in Vösendorf.

Ein Treiber dieser Entwicklung sei, dass sich Versicherer in ihrer Produktpolitik und in puncto Risikoappetit anders aufstellen als früher.

Der österreichische Assekuradeursmarkt sei im europäischen Vergleich zwar „noch unterentwickelt“. Er zeige jedoch „starkes Wachstumspotenzial“. Koban erwartet deshalb, dass der Marktanteil von Assekuradeuren in den kommenden Jahren „deutlich steigen“ wird.

2024 lag das Prämienvolumen den Ausführungen zufolge zwischen 800 und 900 Millionen Euro, heuer könnte es rund eine Milliarde Euro sein, 2027 bereits 1,2 Milliarden Euro erreichen und bis 2023 Richtung 1,8 Milliarden gehen, so die von Koban präsentierte Einschätzung.

Zwischen Versicherer und Makler

Ein Assekuradeur ist ein spezialisierter Versicherungsvermittler, der im Auftrag eines oder mehrerer Versicherer handelt, aber mit mehr Befugnissen ausgestattet ist als ein klassischer Versicherungsmakler, erläuterte Koban.

Dazu gehöre die Vollmacht, im Namen des Versicherers Risiken zu zeichnen, Polizzen auszustellen, Schäden zu regulieren und das Prämieninkasso zu betreiben. Mit einem eigenständigen Zeichnungsrecht sei der Assekuradeur „verlängerter Arm“ des Versicherers, ohne selbst Risikoträger zu sein.

Oft seien auch die Begriffe „Underwriting Agent“ oder „Managing General Agent“ (MGA) für den Assekuradeur in Verwendung. Je nach Umfang der Vollmachten könne die Terminologie auch variieren.858

Erste Assekuradeure während der industriellen Revolution

Die Geschichte der Assekuradeure reicht in die Zeit der industriellen Revolution zurück, wie Koban ausführte. Sie waren vorwiegend in der Transportversicherung tätig und mit maritimen Risiken befasst. Später etablierten sie sich im Bereich von Spezialrisiken.

Seit den 2000er-Jahren habe sich das Bild durch Digitalisierung und zunehmende Spezialisierung gewandelt; Assekuradeure setzten ihren Fokus vermehrt auf Nischenmärkte und komplexe Risiken, darunter Cyber, erneuerbare Energien und Spezialversicherungen.

In Österreich Fokus auf Nischen, aber auch Blick auf Retail

In Österreich haben Assekuradeure in einer Reihe von Sparten eine „starke Position“, so Koban.

Er nannte Transport und Logistik, technische Versicherungen und erneuerbare Energien, spezielle Haftpflichtversicherungen wie D&O, E&O oder Cyber sowie, Kunst- und Wertsachen- oder auch Veranstaltungsversicherungen.

Kennzeichnend für den österreichischen Markt sei, dass Assekuradeure nach wie vor auf Nischen spezialisiert seien. Sie haben aber auch das Retailgeschäft entdeckt, ergänzte Koban.

Eine Besonderheit sei die starke Verflechtung des österreichischen Marktes mit Deutschland: Viele Assekuradeure seien für deutsche Versicherer tätig oder Töchter deutscher Unternehmen.

Spezifische Rechtsgrundlagen gefragt

Drei Gesetze seien die zentrale Rechtsgrundlage für die Tätigkeit des Assekuradeurs: das Versicherungsvertragsgesetz, die Gewerbeordnung und das Versicherungsaufsichtsgesetz, das die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Versicherer und deren Outsourcing-Partner regle.

Anders als in anderen Ländern gebe es in Österreich aber keine spezifische gesetzliche Definition des Assekuradeurs, ebenso wenig einen Standard für MGA-Verträge – und genau das sieht Koban als Manko: Es wäre wichtig, eine gesetzliche Grundlage und Vertragsmuster zu schaffen.

Europäischer Markt fragmentiert, Vorbild USA?

Aus europäischer Perspektive betrachtet, präsentiere sich die Assekuradeurlandschaft mit rund 500 vorwiegend in Nischenmärkten tätigen Akteuren „wenig homogen und fragmentiert“, sagte Co-Referent Tim Lamm, Managing Director International der Hamburger Wecoya Underwriting GmbH.

Zum heute größten Assekuradeursmarkt haben sich die USA entwickelt, berichtete Lamm und skizzierte in einem historischen Abriss die dortige Entwicklung:

  • Zunächst nutzten Versicherer Assekuradeure für den Zugang zu Nischenmärkten in lokalen Märkten.
  • Später kamen sektorspezifische Spezialisierungen hinzu.
  • In den 2000ern eröffnete der Rückzug von Versicherern auf einzelnen Geschäftslinien Assekuradeuren neue Möglichkeiten.
  • Konsolidierung im Makler- und Assekuradeursbereich trieb Skaleneffekte.
  • In den 2010 folgten strategische Investitionen in Assekuradeure, Insurtechs entstanden.

Heute gebe es „skalierbare Assekuradeur-Modelle mit hoher Underwriting-Qualität“ und hohem Automatisierungsgrad.

„Da liegt sehr viel Potenzial auf der Straße“

Aus den amerikanischen Erfahrungswerten – Lamm sieht die USA „10 bis 15 Jahre vor uns“ – lassen sich seiner Einschätzung nach „Chancen für den europäischen Assekuradeursmarkt“ ableiten.

Diese ergäben sich unter anderem aufgrund einer neuen und sich verändernden Risikolandschaft. Assekuradeure könnten auf neue Risiken flexibler und schneller reagieren als Versicherer, meinte Lamm, nicht zuletzt durch den Einsatz moderner Technologien.

Möglichkeiten könnten sich für Assekuradeure außerdem sowohl dann auftun, wenn sich Versicherer strategisch aus Geschäftsfeldern zurückziehen als auch, wenn Versicherer auf risikoreduzierte, „kapitalfreundliche“ Weise expandieren und Auslandsmärkte „testen“ wollen.

Im Übrigen gebe es Versicherungsprodukte, die man bereits heute „europäisch denken muss“. Das betreffe beispielsweise Gebiete wie Fine Arts oder M&A und die Warranty-and-Indemnity-Versicherung (W&I).

Unionsweites Regelwerk erwünscht

Lamm stellte die Frage in den Raum, ob es in er globalisierten Welt sinnvoll ist, Regulierung „siloartig“ zu betreiben, und schloss seinen Wunsch nach Schaffung eines einheitlichen europäischen Rahmenwerks für MGAs an.

Eine EU-weite Harmonisierung könnte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit vereinfachen und den Assekuradeurmarkt stärken, so Lamm. Koban bekräftigte: Dies müsse auch im Interesse der Kommission sein, weil es den Binnenmarkt und den Wettbewerb fördere.

 
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