27.11.2025 – Viele Kunden würden sich mit Hilfe von KI vorinformieren, eine Beratung ersetzen kann Künstliche Intelligenz aber nicht, waren sich die Teilnehmer einer Diskussion im Rahmen der Verleihung des Versicherungsawards Austria einig. Für Berater könne sie als Unterstützung hilfreich sein, es gebe aber auch Probleme, mit denen man umgehen muss.

Im Vorfeld der Verleihung des Versicherungsawards Austria (VAA) diskutierten hochkarätige Experten unter der Moderation von Katja Meier-Pesti, Inhaberin der Wissma Marktforschungs GmbH, über die Frage, ob Künstliche Intelligenz (KI) die persönliche Versicherungsberatung ergänzen oder sie sogar ersetzen kann.
Erich Kirchler, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität Wien, betonte einleitend, dass Menschen heute noch viel Erfahrung aus ihrer Arbeitswelt und ein „gesundes Bauchgefühl“ haben; es sei die große Frage, ob sich das in Zukunft erhalten werde.
Weil Künstliche Intelligenz wenig emotional und sehr sachlich ist, bestehe die Gefahr, dass Menschen Informationen ungeschaut annehmen – insbesondere, wenn sie Vertrauen in die Technologie haben. Bei einfachen Entscheidungen könne das gut sein, Versicherungen seien aber komplex.
Sie merke an vielen Anfragen, dass Kunden schon im Vorfeld mit KI arbeiten, sagt Versicherungsmaklerin Livia Flandorfer. Und überhaupt hätten Kunden immer mehr Informationen.
Da KI aber oft „halluziniere“, sei es wichtig, die Anfragen, die der Kunde an die KI gestellt hat, zu überprüfen. Kunden hätten oft wenig Ahnung von Versicherungen, der Makler müsse deshalb schauen, wo die KI richtig lag und wo sie vielleicht falsch abgebogen ist.
Sie erkläre dem Kunden, wo die Antwort der KI noch angepasst werden muss. Positiver Nebeneffekt sei, dass dadurch das Vertrauen der Kunden zum Vermittler gestärkt wird.
Für den Versicherungs- und Risikomanagementberater Stefan Chlebnicek ist es positiv, dass es heute ein breites Informationsangebot für Kunden gibt. Je jünger die Kunden sind, desto eher würden sie KI verwenden, Ältere googeln dagegen.
Kunden würden dadurch ihr Risiko besser kennen, was das Beratungsgespräch erleichtere, und es sei auch positiv, dass so neue Themen kommen. Für den Berater sei es eine Zeitersparnis, wenn der Kunde vorinformiert ist, im Fall von Halluzinationen der KI sei der Aufwand aber größer.
Die Beratung ersetzen könne KI aber nicht, so Chlebnicek. Sie könne zwar Grundlage für eine Entscheidung sein, die Beratung bleibe aber durch den persönlichen Faktor essenziell: „Empathie kann die KI – noch – nicht.“
Kirchler ergänzt, dass Beratung durch KI eine andere Funktion erhält als in der Vergangenheit. Es gehe mehr um Erklärung als um Information, aber gerade bei komplexen Produkten gehe es auch um das Vertrauen in Menschen.
Versicherer hätten gelernt damit umzugehen, dass sich Kunden vorinformieren, sagt Werner Panhauser, im Vorstand der Helvetia Versicherungen AG für Vertrieb und Marketing verantwortlich. Erklären werde wichtiger, eine Rolle, die Makler einnehmen müssten: „AI or die.“
„Das Thema KI ist da, wir können uns nicht dagegen wehren“, betont auch Karin Kühtreiber-Leitner, Vorstandsdirektorin der Oberösterreichischen Versicherung AG. Vor allem könne KI als Unterstützung vor der Beratung dienen; das spare Ressourcen und vereinfache Abläufe.
Auch Günther Gustavik, Leiter Verkaufssysteme und Prozesse im unabhängigen Vertrieb der Generali Versicherung AG, ist überzeugt, dass man vertrieblich „etwas tun kann“. KI unterstütze Vertriebsmitarbeiter in ihrer Arbeit.
Problematisch sei aber, dass sich die Bedingungen laufend ändern, so Gustavik. Zur Frage, wie man mit dieser dynamischen Entwicklung der KI umgehen sollte, sagt Panhauser, es sei notwendig, Risiken einzugehen: „Wer nicht an den Start geht, kann nicht ans Ziel kommen.“
Eine Studie zeige, dass KI in Bezug auf Neutralität akzeptiert werde, weniger allerdings, wenn es um Vertrauenswürdigkeit und Gerechtigkeit geht, so Kirchler. Gerade, wenn es sich um sehr persönliche Probleme oder Lösungen wie Gesundheit oder Geld handle, brauche es Menschen.
Chlebnicek ergänzt, dass KI „nicht unbedingt auf unserem Wertesystem aufgebaut“ sei; viele Informationen würden aus dem asiatischen oder amerikanischen Raum kommen, es sei mit einem gewissen Maß an falscher Information zu rechnen.
Eine Haftung für falsche Informationen übernehme KI jedenfalls nicht: Kühtreiber-Leitner betont die Haftung des Anwenders und Panhauser vergleicht die Situation mit der von Assistenten beim Autofahren: Auch hier gebe es keine Haftung, wenn diese nicht vor einem Unfall warnen.
Bei einfachen Versicherungsvergleichen funktioniere KI, bei komplexen Produkten tue sie sich allerdings schwer, betont Flandorfer. Und KI mache keine Aussagen beispielsweise darüber, wie die Schadenerledigung funktioniert, ergänzt Panhauser. Das alles sei aber Teil der Beratung.
Dazu komme, dass unterschiedliche Fragestellungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, so Chlebnicek. Relevant sei, welche Daten verwendet werden: „Garbage in – Garbage out“ (minderwertige Eingaben führen zwangsweise zu schlechten Ergebnissen, Anm.).
Beratung sei aber schon deshalb wichtig, weil der Mensch auch Verantwortung übernehmen will, betont Chlebnicek. Es hebe den Wert der Beratung, wenn ein Mensch den Kunden begleitet und im Notfall „Fehler auch ausbaden muss“.
Den Schlusssatz für ihre Moderation ließ sich Meier-Pesti von der KI formulieren: „KI kann vieles, aber Vertrauen bleibt menschlich“, zeigt sich die Technik nahezu selbstkritisch.
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