OGH entschied Streit um Bezugsrecht aus Lebensversicherung

1.7.2025 – Der OGH entschied: Mit der Nennung ihrer beiden Söhne im Feld „Bezugsrecht im Todesfall“ habe die Versicherungsnehmerin diese im Todesfall als Bezugsberechtigte einsetzen wollen. Eine vertragliche Vereinbarung über eine „Übertragung der Lebensversicherung“ habe keine Wirkung gegenüber dem Versicherer, eine Änderung des bisherigen Bezugsrechts sei nie erfolgt.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

M.P. behauptet, mit einer Versicherungsnehmerin im Jahr 2015 eine vertragliche Vereinbarung über die „Übertragung“ ihrer Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 100.000 Euro getroffen zu haben. Nach ihrem Tod forderte er vom Versicherer die Auszahlung der Summe.

Im Versicherungsantrag vom 31. Mai 2006 hatte die Versicherungsnehmerin im Feld „Bezugsrecht im Todesfall“ als Empfänger namentlich ihre beiden Söhne mit deren Geburtsdatum und dem Zusatz „zu je 50 %“ angegeben.

M.P. reichte gegen den Versicherer Klage ein. Die Vorinstanzen wiesen diese ab, worauf er sich in einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof wandte.

Bedingungslage

Dem Lebensversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Risikoversicherung zugrunde.

Demnach sollte die Leistung aus dem Versicherungsvertrag entweder an den Versicherungsnehmer oder an die Erben erfolgen, wenn keine anderen Personen genannt wurden, die als Bezugsberechtigte bei Eintritt des Versicherungsfalles Ansprüche aus dem Vertrag erwerben sollen.

Das Bezugsrecht konnte bis zum Eintritt des Versicherungsfalles jederzeit widerrufen werden; ein solcher Widerruf werde aber „nur und erst dann wirksam“, wenn er vom bisher Berechtigten schriftlich angezeigt wird. Berechtigte war hier die Versicherungsnehmerin.

Schutzfunktion des § 166 VersVG

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH auf das im § 176 VersVG festgelegte Gestaltungsrecht des Versicherungsnehmers zur Bezeichnung eines Bezugsberechtigten einer Kapitallebensversicherung ein.

Dieses Recht verfolge zwei Ziele: Einerseits soll dem Versicherungsnehmer die freie Verfügbarkeit bezüglich der Begünstigung eingeräumt werden; bei der Ausübung dieses Rechts handle es sich im Regelfall um eine formfrei mögliche, einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung.

Andererseits schütze § 166 VersVG auch den Versicherer, damit er nicht von jemandem, der ohne seine Kenntnis an die Stelle des bisher Begünstigten gesetzt wurde, in Anspruch genommen werden kann, obwohl er bei der Auszahlung der ihm bekanntgegebenen Begünstigung entsprochen hat.

Auslegung der Willenserklärung

Im vorliegenden Fall sei die formularmäßig vorgegebene Willenserklärung der Versicherungsnehmerin im Versicherungsantrag auszulegen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass sie den durch ihre Unterschrift gedeckten Text zum Inhalt ihrer Erklärung gemacht habe, sei nicht zu beanstanden.

Diese Erklärung habe vom Versicherer objektiv nur so verstanden werden können, dass die Versicherungsnehmerin ihre beiden Söhne als Bezugsberechtigte im Todesfall habe einsetzen wollen; andernfalls würde deren Nennung in diesem Feld keinen Sinn ergeben, so der OGH.

Eine gesonderte Nachfrage des Versicherers, ob diese Interpretation der Erklärung auch tatsächlich dem Willen der Versicherungsnehmerin entsprochen habe, sei nicht angezeigt gewesen.

Kein Widerruf des Bezugsrechts

Mit dem Eintritt des Versicherungsfalles verwirkliche sich das Bezugsrecht; der bis dahin widerruflich Bezugsberechtigte erwerbe damit seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung unmittelbar, originär und unwiderruflich.

Die Versicherungsnehmerin habe als bisher Berechtigte bis zu ihrem Tod am 17.6.2022 dem Versicherer weder die Einräumung des Bezugsrechts an M.P. angezeigt noch das Bezugsrecht ihrer beiden Söhne widerrufen.

Damit sei im Verhältnis zum Versicherer keine wirksame Bezugsrechtsänderung zu Gunsten von M.P. vorgenommen worden. Eine eventuelle vertragliche Vereinbarung zwischen ihm und der Versicherungsnehmerin entfalte keine Wirkungen gegenüber dem Versicherer.

Eine Übermittlung nach dem Tod der Versicherungsnehmerin sei nicht als rechtzeitig manifestierte Willenserklärung anzusehen. Die diesbezügliche Beurteilung des Berufungsgerichts wurde vom OGH als nicht korrekturbedürftig beurteilt, die außerordentliche Revision wurde zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob76/25i vom 21. Mai 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Kapitallebensversicherung · Lebensversicherung
 
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