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OGH klärt Haftungsstreit nach Unfall auf Baustelle

16.6.2025 – Ein nicht zum Betonmischfahrzeug gehöriger Schlauch war mangelhaft und führte zum Unfall; damit habe sich nicht die spezifische Gefährlichkeit eines Kraftfahrzeugs verwirklicht, entschied der Oberste Gerichtshof. Halter und Haftpflichtversicherer des Betonmischfahrzeugs sind leistungsfrei.

Symbolfoto (Bild: Bernd Sterzl bei pixelio.de)
Symbolfoto (Bild: Bernd Sterzl bei pixelio.de)

Beim Bau eines Einfamilienhauses sollte D. mit einem Schlauch Fertigbeton in Schalsteine füllen. Der Fertigbeton wurde dabei vom Betonmischfahrzeug über eine Rutsche in den Trichter eines Betonpumpenfahrzeugs geleitet und von diesem durch den Schlauch zur Schalsteinmauer gepumpt.

D. befand sich dafür auf einem rund zwei Meter hohen Gerüst, als der Schlauch zuerst verstopfte, sich die Verstopfung dann ruckartig löste und den Schlauch in die Luft schleuderte. Er wurde vom Gerüst gestoßen und erlitt schwere Verletzungen.

Der Arbeiter, der das Betonpumpenfahrzeug steuerte, hatte den Schlauch zuvor nicht ordnungsgemäß geschwemmt und eine ungeeignete Reduzierhülse angebracht.

D. fordert in einer Klage vom Haftpflichtversicherer und dem Eigentümer des Betonmischfahrzeugs, dem Lieferanten des Flüssigbetons sowie dem Arbeiter 60.750 Euro sowie Feststellung der Haftung für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall.

Vorinstanzen widersprüchlich

Das Erstgericht wies die Klage ab. D. habe dem beklagten Haftpflichtversicherer den Schaden erst mehr als drei Monate nach dem Unfall gemeldet, weshalb die Ausschlussfrist des § 18 EKHG wahrzunehmen sei. Der Arbeiter sei Aufseher im Betrieb gewesen, es gelte das Haftungsprivileg des § 333 ASVG.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf. Der Unfall habe sich beim Betrieb des Betonmischfahrzeugs ereignet und sei auf dessen spezifische Gefährlichkeit zurückzuführen.

Die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 18 EKHG hänge davon ab, ob der Schaden rechtzeitig dem Halter des Betonmischfahrzeugs gemeldet wurde, eine Verständigung des Versicherers sei nicht nötig. Da dazu Feststellungen fehlen, verwies das Berufungsgericht die Sache an das Erstgericht zurück.

Weiters erklärte das Berufungsgericht, D. sei nicht den Weisungen des Arbeiters unterstanden, dieser könne sich nicht auf das Haftungsprivileg des § 333 ASVG berufen. Der Lieferant des Flüssigbetons habe aufgrund des Vertrags mit dem Arbeitgeber von D. für das Verschulden des Arbeiters einzustehen.

Haftung beim Betrieb eines Kfz

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts legten sowohl der Haftpflichtversicherer und der Eigentümer des Betonmischfahrzeugs als auch der Lieferant des Flüssigbetons und der Arbeiter Rekurs beim Obersten Gerichtshof ein.

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH zuerst auf die vom Verschulden unabhängige Gefährdungshaftung gemäß § 1 EKHG ein. Diese sei nur gerechtfertigt, wenn und soweit sich eine Gefahr verwirklicht, deretwegen diese Haftung angeordnet wurde.

Es müsse sich um einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs handeln; nötig sei entweder ein innerer Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder ein adäquat ursächlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Fahrzeugs.

Spezifische Gefahr hat sich nicht verwirklicht

Keine Halterhaftung bestehe aber dann, wenn das Kraftfahrzeug als ortsgebundene Arbeitsmaschine verwendet wird, also die Fahrbarkeit vorübergehend aufgehoben und das Fahrzeug für einen Arbeitsvorgang außerhalb der typischen Funktionen eines Kraftfahrzeuges eingesetzt wird.

Be- und Entladen eines abgestellten Kraftfahrzeugs würden dann einen Betriebsvorgang darstellen, wenn sich eine für das Fahrzeug spezifische Gefahr verwirklicht hat; auch wenn beim Entladen eines Lkw Ladegut herabfällt, sei eine Halterhaftung zu bejahen.

Im vorliegenden Fall habe sich der Unfall aber durch den vom Betonpumpenfahrzeug aufgebauten Druck ereignet. Es habe sich also nicht die spezifische Gefährlichkeit des Betonmischfahrzeugs, sondern eine solche des Betonpumpenfahrzeugs verwirklicht.

Der Unfall sei auf den mangelhaften Zustand des zum Betonpumpenfahrzeug gehörigen Schlauchs zurückzuführen und habe sich daher nicht beim Betrieb des Betonmischfahrzeugs ereignet. Die Klage gegen den Haftpflichtversicherer und den Halter des Betonmischfahrzeugs wurde vom OGH abgewiesen.

OGH zum Haftungsprivileg

Unternehmer und von ihnen als Aufseher im Betrieb eingesetzte Personen haften nach § 333 ASVG für den Schaden eines Versicherten, den dieser bei einem Arbeitsunfall erlitten hat, nur dann, wenn der Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht wurde, betont der OGH.

Damit dieses Haftungsprivileg angewendet werden kann, hätte D. aber in den Betrieb des Flüssigbeton-Lieferanten oder den Betrieb des Arbeitgebers jenes Arbeiters, der das Betonpumpenfahrzeug steuerte, eingegliedert gewesen sein müssen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein Arbeiter, der den gepumpten Beton verarbeitet, nicht in den Betrieb des mit dem Pumpen des Betons beauftragten Subunternehmens eingebunden ist, sei vertretbar.

Die Rekurse des Flüssigbeton-Lieferanten, des Arbeiters und dessen Arbeitgebers, der als Nebenintervenient auftrat, wurden zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 2Ob153/24z vom 29. April 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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Betriebsinhalt · Immobilie
 
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