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Unfall beim Drift-Training: Muss Kaskoversicherer zahlen?

27.10.2025 – Beim Drift-Training sei es nicht um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten oder um einen Leistungsvergleich gegangen; damit habe es sich nicht um eine kraftfahrsportliche Veranstaltung gehandelt, so der Oberste Gerichtshof. Weil aber der Fahrzeuglenker dabei bewusst eine weit überdurchschnittliche Schadenwahrscheinlichkeit in Kauf genommen hat, habe er den Versicherungsfall grob schuldhaft herbeigeführt. Der Versicherer ist leistungsfrei.

Symbolfoto (Bild: fjord77 bei Pixybay)
Symbolfoto (Bild: fjord77 bei Pixybay)

Ein Versicherungsnehmer nahm Ende Mai 2021 an einem privat organisierten „Drift-Training“ teil. Beim Driften wird ein Fahrzeug in einen Fahrzustand gebracht, bei dem es im Haftungsgrenzbereich mit einem deutlichen Schräglaufwinkel durch Kurven bewegt wird.

Dazu ist es nötig, durch das Fahrverhalten die Traktion der Hinterräder so zu reduzieren, dass das Heck ausbricht. Mittels Gegenlenkbewegung und Dosierung der Gasstellung ist es dann möglich, durch die Kurve zu fahren.

Driften und Driftbewegung stellen einen gefährlichen Fahrzustand dar, der die Gefahr eines Schadeneintritts erhöht und zu Unfällen führen kann, so der Oberste Gerichtshofs. Es handle sich nicht um ein typisches Fahrsicherheitstraining und sei nicht gesetzlich vorgeschrieben.

Versicherungsnehmer fordert rund 26.000 Euro

Am Veranstaltungstag herrschte zwar trockenes Wetter, die Fahrbahn war aber für das Drift-Training angefeuchtet worden. Der Radius der Linkskurve beträgt rund 25 Meter, was ein stabiles Durchfahren der Kurve auf nasser Fahrbahn mit etwa 40 km/h ermöglicht.

Bei dem Drift-Training ereignete sich vor einer Linkskurve, die auf eine rund 200 Meter lange Start-Ziel-Gerade folgt, ein Unfall. Auf der Geraden erreichte das Fahrzeug eine Geschwindigkeit zwischen 100 und 120 km/h, geriet ins Schleudern, drehte sich um 180 Grad und prallte gegen eine Leitschiene.

Von seinem Kaskoversicherer fordert der Fahrzeugbesitzer knapp 26.000 Euro Reparaturkosten. Es habe sich beim Drift-Training nicht um eine kraftfahrsportliche Veranstaltung oder ein Training dafür gehandelt. Er habe nicht grob fahrlässig gehandelt und keine Gefahrenerhöhung zu verantworten.

Nicht mehr feststellen hat sich lassen, aus welchem Grund das Fahrzeug in einen instabilen Fahrzustand geriet und mit welcher Geschwindigkeit es sich der Linkskurve näherte.

Bedingungslage

Für das Fahrzeug besteht eine Haftpflicht- und Kaskoversicherung, vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Kasko-Versicherung (ABK/RV 2019 in der Fassung März 2020). In der Polizze ist unter Verwendung des Fahrzeugs „ohne besondere Verwendung“ angeführt.

Kein Versicherungsschutz besteht laut Bedingungen für Schadenereignisse, die bei der Verwendung des Kraftfahrzeugs bei einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung entstehen, bei der es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, oder bei Trainingsfahrten dafür.

Als Obliegenheit ist vereinbart, dass Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeugs eingehalten werden müssen. Bei einer Verletzung dieser Obliegenheit im Zeitpunkt des Versicherungsfalles ist der Versicherer unter Berücksichtigung des § 6 Absatz 1 VersVG leistungsfrei.

Vorinstanzen widersprüchlich

Der Versicherer lehnte eine Zahlung ab. Das Fahrzeug sei mit dem Verwendungszweck „ohne besondere Verwendung“ angemeldet, weshalb die Versicherung nur für den öffentlichen Straßenverkehr und nicht für Rennstrecken bestehe. Es liege zumindest grobe Fahrlässigkeit vor,

Das Erstgericht wies die Klage ab. Für eine kraftfahrsportliche Veranstaltung bestehe keine Haftung des Versicherers, der Versicherungsnehmer habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt und seine Obliegenheit bezüglich der Verwendung des Fahrzeugs verletzt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung statt. Es habe sich nicht um eine kraftfahrsportliche Veranstaltung gehandelt, weil es keinen Wettbewerb der Teilnehmer gab und es nicht um die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit gegangen sei.

Auch stelle die gelegentliche Nutzung für ein Drift-Training für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer keinen Verstoß gegen den Verwendungszweck „ohne besondere Verwendung“ dar. Der Beweis der groben Fahrlässigkeit sei dem Versicherer nicht gelungen, so das Berufungsgericht.

Keine kraftfahrsportliche Veranstaltung

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wandte sich der Versicherer in einer Revision an den Obersten Gerichtshof. Dieser geht dabei auf den Begriff des Kraftfahrsports und der kraftfahrsportlichen Veranstaltung ein.

Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verbinde mit dem Begriff Kraftfahrsport eine Leistungsbewertung, in Form eines Leistungsvergleichs zwischen Fahrern oder Leistungen der Fahrzeuge, einer Leistungssteigerung im Training oder einer Zurschaustellung von Leistungen.

Eine kraftfahrsportliche Veranstaltung im Sinn der Versicherungsbedingungen sei daher die Teilnahme an einem solchen Leistungsvergleich, einer Steigerung oder Zurschaustellung der Leistungen.

Im vorliegenden Fall sei es nicht darum gegangen, Höchstgeschwindigkeiten zu erzielen, es habe keine Zeitaufzeichnung oder Wertung gegeben. Einziger Zweck sei es gewesen, den Rundkurs mit kontrollierten Drehbewegungen wiederholt zu befahren. Es sei daher keine kraftfahrsportliche Veranstaltung gewesen.

Zum Begriff der groben Fahrlässigkeit

Führe ein Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbei, so ist der Versicherer nach § 61 VersVG leistungsfrei, betont der OGH. Bei dieser Bestimmung handle es sich um einen verhaltensabhängigen Risikoausschluss.

Grobe Fahrlässigkeit liege dann vor, wenn sich das Verhalten eines Schädigers „aus der Menge der sich für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt“ und ihm das auch subjektiv schwer vorwerfbar ist.

Der Handelnde habe dabei gewusst oder hätte wissen müssen, dass sein Verhalten den Eintritt eines Schadens fördern kann. Aufgrund der hohen Schadenwahrscheinlichkeit musste es naheliegen, ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen.

Für das Versicherungsvertragsrecht sei anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, so der OGH.

Höhere Schadenseintrittswahrscheinlichkeit

Im vorliegenden Fall habe das Berufungsgericht wesentliche Feststellungen bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit nicht berücksichtigt. Es stehe fest, dass der Unfall seinen Ausgang genommen hat, weil der Kläger sein Fahrzeug bewusst in eine schwer beherrschbare Lage bringen wollte.

Grund dafür sei es gewesen, ein Fahrmanöver durchzuführen, das die Gefahr eines Schadenseintritts erhöht. Auch wenn die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit auf einer gesperrten Rennstrecke geringer als im gewöhnlichen Straßenverkehr ist, sei der Unfall grob schuldhaft herbeigeführt worden.

Es befinden sich nämlich auch auf einer Rennstrecke Hindernisse wie Lärmschutzwände oder Leitplanken. Außerdem sei es Ziel des Driftens, das bewusst herbeigeführte Ausbrechen des Fahrzeughecks im Haftungsgrenzbereich durch fahrerisches Geschick auszugleichen.

In einer solchen, bewusst herbeigeführten Grenzsituation könne auch bei geringfügigen Fehleinschätzungen des Fahrzeugverhaltens oder der fahrerischen Gegenreaktion jederzeit ein Kontrollverlust eintreten.

Versicherer ist leistungsfrei

Insgesamt liege es auch im Bereich einer Rennstrecke auf der Hand, dass die Schadenwahrscheinlichkeit beim Driften offenkundig und weit überdurchschnittlich erhöht wird. Dies habe der Versicherungsnehmer bewusst in Kauf genommen.

Weil er damit den Versicherungsfall grob schuldhaft herbeigeführt hat, ist der Versicherer nach § 61 VersVG leistungsfrei, betont der OGH.

Die Revision des Versicherers erwies sich damit als berechtigt, das Urteil des Erstgerichts wurde wiederhergestellt.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob86/25k vom 25. September 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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