6.11.2025 – Höchstgerichtliche Entscheidungen zu Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen hatten in den letzten Jahren für Verunsicherung gesorgt. Auch von möglichen Auswirkungen außerhalb der Immobilienbranche – darunter Versicherungen – war die Rede. Eine Novelle zum ABGB und zum KSchG soll nun für Rechtssicherheit sorgen. Die Wirtschaftskammer begrüßte den Entwurf am Mittwoch.

In den letzten Jahren haben die Gerichte Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen beschäftigt, also Klauseln, die die regelmäßige Valorisierung des (Haupt-)Mietzinses zum Inhalt haben.
Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) befasste sich mit solchen Fällen. In den Urteilen 2 Ob 36/23t und 8 Ob 37/23h hatte er bestimmte Wertsicherungsklauseln für unzulässig erklärt.
Das Höchstgericht hatte unter anderem festgehalten, dass bei kundenfeindlichster Auslegung der strittigen Klauseln schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könnte.
Das sei aber nicht mit § 6 Abs. 2 Z. 4 KSchG vereinbar.
Diese Entscheidungen zogen auch Kreise außerhalb der Immobilienbranche, unter anderem wurden auch Stimmen laut, dass sie Auswirkungen auf Versicherungen haben könnten.
So meinte 2024 ein Prozessfinanzierer, die Judikatur sei „auch für Versicherungsverträge einschlägig“ und bezog sich im Speziellen auf Krankenversicherungen (VersicherungsJournal 19.6.2024).
Der Versicherungsverband hatte dem entgegengehalten, das Anpassungssystem in der Krankenversicherung sei „grundlegend anders“ (VersicherungsJournal 20.6.2024).
Nun hat sich die Bundesregierung dieses Themas angenommen und am Mittwoch eine Regierungsvorlage für ein „Zivilrechtliches Indexierungs-Anpassungsgesetz“ (ZIAG) beschlossen.
Denn wie es in den „erläuternden Bemerkungen“ zur Vorlage heißt: Die OGH-Entscheidungen „führten zu erheblichen Unsicherheiten in der Immobilienbranche“, weil gravierende Auswirkungen auf Einzelverträge befürchtet wurden.
So wäre im äußersten Fall denkbar gewesen, dass der Mietzins rückwirkend auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Betrag absinken würde und dessen Valorisierung auch für die Zukunft nicht möglich wäre. Vor diesem Hintergrund wurden etwa auch „massenhafte Abwertungen von Immobilien“ befürchtet.
Und: „Ähnlich gravierende Auswirkungen wurden auch in anderen Branchen antizipiert, etwa im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen oder in der Telekommunikationsbranche.“
Im Juli hatte der OGH in der Entscheidung (10 Ob 15/25s) zwar festgestellt: „Auf Dauerschuldverhältnisse (etwa Bestandverträge), die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist, ist § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht anwendbar.“
Im Lichte dieser Entscheidung habe § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG keine Relevanz mehr für Mietverträge oder sonstige längerfristige Dauerschuldverhältnisse, schreibt das Justizministerium im „Vorblatt“ zur Regierungsvorlage.
Aber: „In der Praxis besteht dessen ungeachtet (noch) erhebliche Verunsicherung im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Wertsicherungsklauseln“, so das Justizministerium weiter.
Erklärtes Ziel des ZIAG-Entwurfs ist es deshalb, „Rechtssicherheit bei Wertsicherungsklauseln in Dauerschuldverhältnissen“ zu schaffen, und zwar indem das ABGB und das KSchG novelliert werden.
Im ABGB soll der folgende, gänzlich neue § 879a eingefügt werden, der eine Klarstellung zur Frage der gröblichen Benachteiligung trifft:
„Bei Wertsicherungsvereinbarungen für Dauerschuldverhältnisse ist bei der Beurteilung der Frage, ob durch Bezugnahme auf eine vor dem Vertragsabschlusszeitpunkt liegende Indexzahl eine gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs. 3 vorliegt, neben dem zeitlichen Abstand auch zu berücksichtigen, ob wegen einer Vielzahl gleichartiger Verträge eine parallel laufende Wertsicherung all dieser Verträge zweckmäßig ist. Von einer gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs. 3 ist jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn wegen zwingender gesetzlicher Vorgaben die bis zum Vertragsabschlusszeitpunkt verstrichene Zeit bei der Entgeltbemessung nicht berücksichtigt werden konnte.“
Im Konsumentenschutzgesetz soll ebenfalls eine Bestimmung geändert werden. In der geltenden Fassung listet § 6 KSchG in seinem Absatz 1 einzelne Arten von Vertragsbestimmungen auf, die für Verbraucher „im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich“ sind.
In Absatz 2 heißt es derzeit: „Sofern der Unternehmer nicht beweist, daß sie im einzelnen ausgehandelt worden sind, gilt das gleiche auch für Vertragsbestimmungen, nach denen […] 4. dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung zu erbringende Leistung ein höheres als das ursprünglich bestimmte Entgelt zusteht; […].“
Dieser Punkt 4 soll nach „zusteht“ durch folgende Passage ergänzt werden: „, es sei denn, es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis, das darauf angelegt ist, dass die Leistung des Unternehmers nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist;“.
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) reagierte erfreut auf den Beschluss des Ministerrats. „Damit wird nicht nur eine langjährige rechtliche Unsicherheit beendet, sondern es gibt damit einen stabilen Rahmen für künftige Vertragsgestaltungen“, sagt Generalsekretär Jochen Danninger in einer WKÖ-Aussendung.
Zum vorgeschlagenen § 879a meint Danninger, diese Bestimmung „schafft Transparenz und Fairness bei Massenverträgen und trägt damit deutlich zur Rechtssicherheit bei“.
Die Änderung der beiden Gesetze soll laut dem Entwurf mit 1. Jänner 2026 in Kraft treten und dann auch für Verträge gelten, die vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurden.
Der Entwurf des ZIAG und die Begleitmaterialien können von der Website des Bundeskanzleramts (viertletzter Punkt) als PDF-Dokumente heruntergeladen werden.
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