Wiener Stadtrat schießt gegen private Krankenversicherung

16.7.2025 – Die Krankenkasse „zahlt letzten Endes ein System der Privatversicherung“, das müsse hinterfragt werden, sagt Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker in einem Fernsehinterview. Der VVO nannte Hackers Darstellung in einer Reaktion „objektiv falsch“. Vielmehr entlaste die private Krankenversicherung das öffentliche System.

Ein Interview, das der Wiener Sozial- und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Montag dem Sender oe24 gegeben hat, erzürnt den Versicherungsverband (VVO). In der Passage geht es um die Finanzierung des Gesundheitssystems.

Unter anderem sagte Hacker: „Im Augenblick haben wir eine Krankenkasse, die zahlt letzten Endes ein System der Privatversicherung. Also dürfen wir uns nicht wundern, dass, wenn die Menschen es sich leisten können, sich eine Privatversicherung nehmen, und die Kasse refundiert dann eh einen Großteil der Kosten.“

Man werde diskutieren müssen, was für ein System man eigentlich wolle: „Wollen wir jetzt ein Privatversicherungssystem? Das ist dann noch schlechter als das System, das wir uns in anderen Ländern anschauen können. Oder wollen wir doch ein Krankenversicherungssystem?“

Und: „Warum zahlt die Krankenkasse für Privatversicherungsleistungen?“ Das müsse man hinterfragen.

VVO: „Objektiv falsch“

Der VVO bezeichnete Hackers Äußerung über die Finanzierung der Privatversicherung in einer Reaktion am Dienstag als „objektiv falsch“, sie halte „keiner fachlichen Diskussion“ stand.

In der Sonderklasse öffentlicher Spitäler trügen Privatversicherte durch erhebliche Sonderklassehonorare dazu bei, Spitzenärzte im öffentlichen System zu halten, heißt es in der Stellungnahme des VVO. Diese Honorare seien ein bedeutender Zuverdienst zum Gehalt und deshalb ein wesentlicher Anreiz, dort zu bleiben.

Da die Spitalärzteschaft nicht nur Sonderklassepatienten, sondern überwiegend Nicht-Privatversicherte behandle, „stellen die Zahlungen der Privatversicherten einen ganz wesentlichen Beitrag zum öffentlichen Spitalssystem dar“, argumentiert der VVO.

Privatversicherung als Entlastung der Krankenkassen

„Nimmt ein Privatversicherter statt der Sonderklasse ein Privatspital in Anspruch – immerhin 41 Prozent aller Fälle der Privaten Krankenversicherung – kommt es zu einer massiven unfreiwilligen Quersubventionierung der Krankenkasse“, so der VVO weiter.

„Die Krankenkassen übernehmen nämlich nur einen kleinen Teil (rund ein Drittel) der medizinischen Behandlungskosten, der Rest ist von den Patienten bzw. ihrer Versicherung selbst zu bezahlen.“ Jeder sozialversicherte Patient entlaste daher die Krankenkasse „in ganz erheblichem Ausmaß“, wenn er sich in einem privaten statt in einem öffentlichen Spital behandeln lasse.

„Das Leistungsvolumen aller österreichischen Privatspitäler entspricht jenem der öffentlichen Spitäler des ganzen Bundeslands Salzburg, diese Spitäler sind also als quasi zehntes Bundesland in hohem Maß versorgungswirksam.“

Ähnlich sei es bei der Inanspruchnahme eines Wahlarztes: Hier vergüte die Krankenkasse nur 80 Prozent dessen, was sie bei einem Kassenvertragsarzt aufwenden müsste. „Somit erspart sich auch hier die Kasse erhebliche Beträge, denn auch die Wahlärzte sind längst versorgungswirksam.“

Eltner: Privatversicherung nicht von vornherein als Gegner sehen

„Die Aussagen von Stadtrat Hacker sind also völlig unhaltbar, das Gegenteil ist der Fall“, sagt Peter Eichler, Vorsitzender der Sektion Krankenversicherung im VVO. „Sie lösen auch nicht die zweifellos bei den Kassen bestehenden Probleme.“

Der Versicherungsverband wies in dem Zusammenhang auf die 2024 erbrachten Versicherungsleistungen hin. Die beiden größten Posten waren Krankenhauskosten (1,15 Milliarden Euro) und Leistungen für Ärzte im niedergelassenen Bereich (304,6 Millionen Euro) (VersicherungsJournal 15.7.2025).

„Es soll ein Klima geschaffen werden, in dem die private Krankenversicherung und die Privatversicherten nicht von vornherein als Gegner, sondern vielmehr als unverzichtbarer und komplementärer Partner im System erkannt werden“, sagt VVO-Generalsekretär Christian Eltner.

„Letztlich“, so Eltner, „ist eine privatwirtschaftlich organisierte Komponente des österreichischen Gesundheitssystems nicht wegzudenken, volkswirtschaftlich wertvoll und im Sinn eines mündigen Bürgers eindeutig notwendig.“

 
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